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Ausstellung: Künstliche Intelligenz: Das Unbehagen in der Kunst durch ChatGPT & Co.

Ausstellung

Künstliche Intelligenz: Das Unbehagen in der Kunst durch ChatGPT & Co.

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    Erika Kassnel-Henneberg im Höhmannhaus zwischen ihren Polaroidfotos (rechts) und dem sichtbaren Ergebnis einer Besucher-Umfrage.
    Erika Kassnel-Henneberg im Höhmannhaus zwischen ihren Polaroidfotos (rechts) und dem sichtbaren Ergebnis einer Besucher-Umfrage. Foto: Rüdiger Heinze

    Die KI, die Künstliche Intelligenz, gewinnt an Boden. Seit einigen Wochen umso spektakulärer, als der Text-Roboter „ChatGPT“ offen zugänglich ist. Der Witz des Tages am 10. Februar 2023 war, dass die Medien vermeldeten, ChatGPT habe den Anforderungen zum Bestehen des US-Medizin-Examens Genüge leisten können, den Anforderungen des bayerischen Abiturs indessen (noch?) nicht. 

    ChatGPT ist in der Welt, und schon wird er – im weitesten Sinne – auch künstlerisch genutzt: Das laufende Brechtfestival experimentiert und prüft, ob künstliche Intelligenz die Denke Bert Brechts, den Stil Bert Brechts tatsächlich zu imitieren vermag. Nicht weniger als ein ganzes Drama soll entstehen. Man wird auf die Dialektik darin zu achten haben. 

    Künstlerin Erika Kassnel-Henneberg erhebt bewusst offene Fragen

    Und auch die jüngste Ausstellung der Neuen Galerie im Höhmannhaus nimmt KI und ChatGPT unter die Lupe – als erste von drei künstlerischen Beiträgen zu diesem Thema dort. Erika Kassnel-Henneberg, die 1973 geborene, in Diedorf lebende Vergolderin, Restauratorin, Designerin, Augsburger Hochschul-Lehrbeauftragte und Künstlerin, erhebt anhand von sieben Videos und etlichen Polaroid-Fotos etliche bewusst offene Fragen. 

    Stellt man sich diesen Fragen, füllt Nachdenklichkeit, ja Unbehagen die Räume. Gewiss, KI und ChatGPT werden in ihren Auswirkungen lebhaft-kontrovers diskutiert – und doch scheint (vorerst?) das Staunen und die Neugierde bezüglich der neuen Technik jegliche Bedenken zu überwiegen. Durchaus ein Muster der Menschheitsgeschichte. 

    Ein verblüffend sachlicher Chatverlauf

    „Uncanny Valley“ heißt die Ausstellung, also „unheimliches, gruseliges Tal“ – anspielend auf die Beschreibung des empirisch erkannten Umstands, dass der Mensch künstliche Wesen oft umso eher akzeptiert, je abstrakter sie sich zeigen, und umso weniger, je natürlicher, menschenähnlicher sie sind. Dann schlägt ein gewisses Interesse um. Über genau diesen Effekt befragte Erika Kassnel-Henneberg am 6. Februar 2023 auch den Textroboter ChatGPT, um den verblüffend sachlichen Chatverlauf nun in ihre Schau als Video zu integrieren. 

    Eine der Arbeiten von Erika Kassnel-Hennebergs Arbeit in ihrer Ausstellung "Uncanny Valley / Das unheimliche Tal".
    Eine der Arbeiten von Erika Kassnel-Hennebergs Arbeit in ihrer Ausstellung "Uncanny Valley / Das unheimliche Tal". Foto: Kunstsammlungen Augsburg

    Doch die überwiegende Mehrheit ihrer Arbeiten in der Galerie des Höhmannhauses untersucht ein künstlich animiertes oder gar vollkommen künstlich generiertes Menschenbild. Da werden die Bewegungen humanoider Tanzroboter den menschlichen Tanzbewegungen gegenübergestellt („Conditio humana II“), da werden alte Porträt-Fotos aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert künstlich in Bewegung und „Leben“ versetzt („Deep Paula“), da erscheint eine täuschend echte (animierte) Charakterporträt-Abfolge von Menschen, die nicht existieren und nie existiert haben. 

    Und da sind Polaroid-Fotos von Wesen zu sehen, die das KI-Bildprogramm „Dall-e 2“ ausspuckte, nachdem Erika Kassnel-Henneberg es mit Motiv-Wünschen gefüttert hatte. Sie forderte unter anderem an: „ein kleines, süßes Mädchen, auf einem Stuhl sitzend“. 

    Erfolgreiche Täuschung durch die pokernde KI

    Was „Dall-e 2“ indessen in Teilen lieferte, darf tatsächlich nicht nur als befremdend bezeichnet werden, sondern als verstörend, ja gruselig, als „Missgeburt“. Unter den Polaroid-Fotos findet sich auch eines, bei dem das kleine, süße Mädchen keine Füße hat, sondern stattdessen zwei weitere Hände. Erika Kassnel-Henneberg: „Wir sitzen in einem großen virtuellen Sandkasten. Darin sind viele Spielzeuge ... Wir erforschen sie spielerisch und dabei kommen wir auf so manchen Gedanken – gut oder böse.“ Bereits 2019 war eine Poker-KI entwickelt worden, bei der ein generierter künstlicher Spieler erfolgreich täuschte und log, also erfolgreich ein „Poker-Face“ aufsetzte, nachdem er seine menschlichen Mitspieler analysiert hatte. 

    Die Fragen nun, die Erika Kassnel-Henneberg stellt, kreisen um die (mangelhafte?) KI-Folgenabschätzung. Sie lassen sich bündeln zu: „Genial, unheimlich oder gefährlich?“ Darüber gut nachzudenken hält sie, die auch in der Region ihre Arbeiten vielfach schon zeigte, das Publikum aktiv an. Mit Lego-Bausteinen lässt sie Türmchen pro und kontra auf ihre Frage hin bauen: „Wären Sie bereit, ein Foto von einem geliebten verstorbenen Menschen mit Hilfe einer KI-Anwendung ,zum Leben’ zu erwecken?“ 

    Das Bauchgefühl weist auf Gefahren hin

    Die Tendenz der gezählten Antworten ist bislang klar: „Nein“ überwiegt deutlich. Zwar glaubt Erika Kassnel-Henneberg, dass den KI-Entwicklern bei ihrer Arbeit der moralische Aspekt bewusst sei, doch tritt sie gleichwohl auch dafür ein, auf das Bauchgefühl zu hören, „auf eine Stimme in uns, die sagt, wo Gefahren lauern, auch hinsichtlich von Fake“. Auf beides kommt es wohl an. 

    Ausstellung: Erika Kassnel-Henneberg: „Uncanny Valley“. Ausstellungsdauer im Höhmannhaus (Maximilianstraße 48) bis 26. März. Öffnungszeiten: Di. – So. von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Künstlergespräch vor Ort: 23. Februar, 18 Uhr.

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