Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Augsburger Puppenkiste: Mit Schabernack und Poesie: Neues Kabarett in der Augsburger Puppenkiste

Augsburger Puppenkiste

Mit Schabernack und Poesie: Neues Kabarett in der Augsburger Puppenkiste

    • |
    Eine Mariachi-Band steuert Musik bei zum Kabarett 2024.
    Eine Mariachi-Band steuert Musik bei zum Kabarett 2024. Foto: Ulrich Wagner

    Deutsche Eiche, rustikal mit grober Rinde? Oder doch niederbayerische Biergarten-Kastanie? Aus welchem Holz ist Hubert Aiwanger geschnitzt? „Ungehobelt!“ finden manche, wie der Politiker ledert, wütet, provoziert. Seinen Meister hat Bayerns Vize-Ministerpräsident aber schon gefunden – auf der Bühne der Augsburger Puppenkiste. „Klick!“ und „klack!“, eine Marionette spaziert über die kleine Guckkastenbühne, ein Handwerkerlein in Schürze hatscht durch die Kulisse einer Schreinerwerkstatt. Meister Eder? Meister Söder! Und an seinem Leimtopf klebt er, der Klabautermann mit rotem Haar: „Hurra, Hurra, ein Kobold namens … Aiwangaaa!“ Es pumuckelt in der Kiste. Aber wer treibt hier den schlimmsten Schabernack? Wer geht wem auf den Leim? Das fragt das Kabarett 2024 der

    Markus Söder und Hubert Aiwanger treten im neuen Kabarett der Augsburger Puppenkiste auf

    Die Puppenkiste lässt das Puppen-Kabinett antanzen: Jedes Jahr, am 31. Dezember, tagt die Runde der geschnitzten Politiker-Puppen. Scholz, Lindner, Habeck, die Doppelgänger aus Holz spielen die Hauptrolle im Kabarett und jedes neue Jahr bietet für die Revue neuen Stoff. Heikles Stichwort diesmal: Flugblatt-Affäre. Meister Söder wühlt in Aufmuckls Ranzen nach problematischen Briefen. „Des is sooo gemeiiin“, ruft der Aufmuckl, dieser Pumuckl mit Aiwanger-Zungenschlag, und reimt sich um Holzkopf und Holzkragen. 

    Aber Schluss mit dem Streit in Zweisamkeit, beim Schreiner klopfen sie jetzt alle an. Ein Herr Habeck spaziert herein, „ich bin wegen der Heizung hier“. Und gleich darauf eine Dame im schwarzen Pelzmantel, die sich Plakataufsteller schreinern lassen will, weil sie eine neue Partei gründet – Holz vom rechten politischen Stapel? Nein, lieber doch vom ganz linken? 

    Zwei in Bundeswehr-Montur robben zur Tür herein: Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Toni Hofreiter, das Duo in Militär-Tarnfarben legt einen Auftritt mit Knall hin. Das bleibt aber auch die einzige Anspielung auf den aktuellen Ernst der Weltlage – Krisen, Gewalt, Krieg. Und diese Zurückhaltung tut dem Abend spürbar gut. Das Kabarett hält die Balance, hobelt an jeder politischen Ecke, ohne dass beim Lachen der Weltschmerz zwickt. Martin Stefaniak hat den Puppen dafür Wortspiele und Dialoge zugetextet. Die besten so spitz wie Kasperles Hut. 

    Politische Satire, Verhohnepipeln mit Puppen, das verspricht das Kabarett jedes Jahr, seit mehr als sieben Jahrzehnten. Dabei darf die schnelle Pointe nicht fehlen. Der kriminell flach fliegende Witz. Wenn es kurz dunkel wird im Saal zwischen den Puppen-Sketchen, klingen die Witze vom Band. Mal politisch – „Aus Energiespargründen hat die Bundesregierung entschieden, das Licht am Ende des Tunnels auszuschalten“ –, dann aus der „Palim-Palim!“-Tüte, aus dem Heinz-Erhardt-Register: „Wissenschaftler haben herausgefunden … aber dann sind sie doch wieder hineingegangen.“ Dazu anerkennendes Geraune in Publikumsreihe zwei: „Auf sowas musch erst amal kommen!“

    Tempo und Technik fordert das Spiel der Augsburger Puppenkiste

    Die Leistung der Spieler liegt vor allem im Tempo und in der Technik, in der schweißtreibenden Arbeit hinter den Kulissen: Kein Szenenbild gleicht dem nächsten, erst Märchenwald, dann Wohnzimmer-Stube, dann Augsburger Innenstadt-Kulisse – sehr viel Aufwand für kurze Sketche. Meister Söders Bude erinnert so stark an das Original aus der alten Fernsehserie, dass die Schiffschaukel für den Kobold von der Liebe für das Detail erzählt. Und diese Liebe zündet einen Extrafunken an Witz in den besten Sketchen. Zum Beispiel, wenn der böse Wolf an Großmutters Türe klingelt und säuselt, er sei das Enkelein. Entgegnet die Oma: „Das ist jetzt schon der dritte diese Woche, der das mit dem Enkeltrick versucht.“ 

    Mammut und Neandertaler, zwei alte Publikumslieblinge, führen in kleinen Zwischenspielen von Sketch zu Sketch. Manche Puppen-Szenen treffen dabei nicht ganz den Nagel auf den Kopf der Pointe. Eine Szene mit singenden Labor-Ratten und einem Versuchskaninchen – nichts für zarte Seelen, der Witz verpufft im Saal. Ebenfalls ein bisschen verwackelt: Auf einer wilden Fahrt mit der Tram quer durch Augsburg geht die Pointe auf dem Weg verloren.

    Ihre Magie entwickelt die Show diesmal mit schönem Grusel: Vier Fledermäuse mit funkelnden Augen fliegen ein flatterndes Ballett und man kann im Publikum nur ahnen, wie sich die Puppenspieler mit akrobatischem Geschick die Spielkreuze weiterreichen, hoch oben, auf den beiden Spielbrücken. Was die Puppenkiste in solchen Sketchen bietet, ist feines Varieté mit Holz, Faden und Musik: Eine Mariachi-Band wackelt mit Trompete, Geige und Gitarre. Ein Orchester von Insekten spielt Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ – Cello, Geige, Cembalo, ein Konzert der Krabbeltiere, als würden die Käfer wirklich jede Noten mit den Fühlerlein greifen. Nach solchen liebenswerten Einlagen spendet das Publikum den wärmsten Applaus.

    Klaus Marschall spricht wieder den Kasperl im Kabarett der Augsburger Puppenkiste

    Einer aber rangiert einsam an der Spitze, in der Gunst der Fans: Hier kommt Kasperl, der Chef im Puppenhaus, er spricht das Wort zum neuen Jahr so verlässlich wie der Bundeskanzler: „Griaßts eich, liabe Bubbale und Mädale“, grüßt Puppenkisten-Chef Klaus Marschall, er spricht die wichtigste Figur im Haus, „same procedure as every year“. So lästert der Kasperl über den Ampel-Streit, über Gender-Debatten, die Liebe der FDP zu schnellen Autos. Und über Augsburgs Baustellen: Schön, dass hier die Bahnhofshalle endlich fertig und eröffnet ist. „Jetzt müsst halt nur a mal a Zug vorbeikommen.“ 

    Ein neues Jahr, ein neues Kabarett: Am Silvesterabend 2022 hatte sich in der kleinen Kiste ein Stück Geschichte abgespielt. Das Kabarett feierte damals 75 Jahre Puppenkiste und am Ende zischelte das Urmel ein Lied zum Jubiläum. Und jetzt? Im Jahr 2024? Zeigt das Kabarett seine Stärke mit politischem Schabernack und poetischen Bildern. Und erlaubt sich dabei auch Experimente und sehr schräg geschnitzte Witze. In den nächsten Monaten wird sich die berühmte Kiste immer wieder öffnen, für das Kabarett 2024.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden