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Augsburger Friedensfest: Kreativität schafft Frieden? Gespräche zu Literatur und Engagement im Sensemble Theater

Augsburger Friedensfest

Kreativität schafft Frieden? Gespräche zu Literatur und Engagement im Sensemble Theater

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    Im Gespräch über Kreativität und Frieden (v.l.n.r.): Der Moderator Niels Beintker, die Schriftsteller Max Czollek und Albert Ostermaier sowie Bernadette La Hengst.
    Im Gespräch über Kreativität und Frieden (v.l.n.r.): Der Moderator Niels Beintker, die Schriftsteller Max Czollek und Albert Ostermaier sowie Bernadette La Hengst. Foto: Christian Menkel

    Sie dichten Verse, sie schreiben Romane, sie erschaffen ganze Comic-Welten. Aber eine Frage scheint alle Künstler, die sich hier zum Gespräch auf der Bühne treffen, ins Schleudern zu bringen: Was bedeutet das eigentlich, „Kreativität“? Welche Macht hat sie? Und vor allem: Kann

    Olivia Kaderewski und Lisa Krusche in der Diskussion

    Jeweils zu zweit, als Debatten-Paare, treten die Künstler auf die Bühne, um mit Hörfunk-Moderator Niels Beintker zu sprechen. Langsam, mit Bedacht, lässt das erste Duo das Thema anrollen. Lisa Krusche ( „Unsere anarchistischen Herzen“) beschreibt ihren kreativen Prozess der Unruhe: Überschreiben, weiterschreiben, nie sei ein Text so ganz abgeschlossen – „Text ist Teil einer Lebenspraxis“. Ihre Berliner Kollegin Olivia Kaderewski beschreibt im Roman „Haha Heartbreak“ wiederum einen Unfrieden, einen Krieg der Gefühle von Trennungsschmerz und Tinderversuchen. Was für Kaderewski kreativ zu sein bedeutet? Dinge neu machen, „anders als die anderen“, in jeder Beziehungen.

    Das zweite Duo führt die Suche nach Kreativität und Frieden ins Politische. Max Czollek ist als junger Autor für starke Standpunkte bekannt, in Essays, Gedichten, Twitter-Beiträgen. Er nimmt die Erinnerungskultur ins Visier: „Versöhnungstheater“ nennt er das deutsche Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. „Welches Stück wird hier aufgeführt? Und für wen?“ Aus seiner Sicht verfolgt Deutschlands Erinnerungskultur bislang nur das Ziel, „sich selbst in ein gutes Licht zu rücken“, ohne Konsequenzen, auch nicht im Umgang mit neuem rechtem Terror. Das sei „das Kunststück einer Wiedergutwerdung ohne eine Wiedergutmachung“. Ein Unfrieden? Auch dass Kultur als das generell Gute gepriesen wird, kritisiert Czollek – Kunst kann, wie in Diktaturen, auch als Waffe missbraucht werden. Albert Ostermaier, Dichter und ehemals Chef des Augsburger Brechtfestivals, stimmt zu: „Die Sprache ist ein Ort, wo immer der Anfang ist.“ In seinen Gedichten des Abends legt er verdrängte Gewalt offen. Szenen aus den USA, Waffen, Drogen, Armut, die Trailerparks und der Ku-Klux-Klan, und all das drängt sich vor die Erinnerung an den Genozid an Amerikas Ureinwohnern.

    Bernadette La Hengst spielt im Sensemble Theater

    Den Kampf um Wort und Frieden trägt Bernadette La Hengst dagegen gerne mit Klavier und Gitarre aus. Die Musikerin liefert den Soundtrack zum diesjährigen Treffen: „Wem gehört die Straße? Wem gehört die Stadt?“, singt die Berliner Elektro-Pop-Künstlerin auf der Bühne, „solang wir abgefüttert sind, gibt’s keine Proteste“.

    „Lange Nacht der Augsburger Gespräche zu Literatur, Theater und Engagement“ heißt dieses Treffen mit vollem Namen. Niels Beintker fügt dazu noch „Comics“ in diese Wortschlange ein. Die Comic-Zeichnerin Lisa Frühbeis aus Augsburg spricht über die Bedingung aller Kunst: „Man muss für Kreativität einen Raum haben.“ Erst wenn alle Grundbedürfnisse gedeckt sind, die Existenz zumindest für eine Sekunde gesichert scheint, entstehe Freiraum für Kreativität. Für ihren Comic „Der Zeitraum“ hat sie darum eine Heldin gewählt, die als alleinerziehende Mutter durch Räume wandelt, in einer Fantasiereise um Leben und Tod. Kreativität hat aus Frühbeis’ Sicht Macht: „Wie willst du dich unsterblich machen?“ Kunst sei eine Antwort. Auch ihr Kollege Michael Jordan liebt Tusche und Stift – und hielt die Gespräche in diesem Jahr fest in Comic-Bildern.

    Ayeda Alavie beim Augsburger Friedensfest

    Nichts weniger als eine „Heilige Schrift I“ hat der Hamburger Autor Wolfram Lotz verfasst. Weil es ihm bang war vor dem langen Aufenthalt mit der Familie in einem französischen Dorf, im Nirgendwo. Aus Unruhe entstand Kreatives und ein klares Fazit: Er will sich nicht langweilen, nicht immer dieselben Antworten auf immerselbe Fragen geben: „Raus, raus, raus aus dem schon Vorhandenen.“ Die Autorin Ayeda Alavie erzählt dagegen vom Land, in dem sie geboren wurde, dem Iran, und von einem Symbol, das dort mit der Zeit kippte: Einst war

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