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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Wanda begeisterte auf dem Gaswerksgelände die Besucher.

Augsburg
11.08.2023

Wanda auf dem Gaswerkareal – ein musikalischer Exzess made in Austria

Von Richard Mayr

Endlich wieder Sommer und gleich Riesenparty: 4000 Fans feiern mit Wanda auf dem Gaswerk Areal in Augsburg. Unsere Kritik zum Konzert, das den Rausch zelebrierte.

Die Trübsal, die Herbststimmung, der Sommer-Blues, der sich über alles gelegt hat, weil der Regen nicht mehr aufgehört hat, das alles war gestern. An diesem Abend aber stören keine Wolken, herrscht wieder Sommer, ist große, kollektive Party angesagt. Die erste auf der Summerstage im Gaswerk Areal und gleich mal ein musikalischer Exzess made in Austria. Bei Wanda geht’s live einfach darum, dass dieses Gemisch aus Musik und Publikum, aus Erwartung und Augenblick, zur Explosion gebracht wird.

Wanda feiern den Exzess, sie lieben die Grenzüberschreitung und wandeln als Zeremonienmeister des Rauschs auf den Spuren von Dionysos’ Kampfsausetrupp. Balladen werden in Moderationen nur mal eben angetäuscht. Wer es glaubt, tanzt mit Handy-Taschenlampe plötzlich Rock ‘n‘ Roll und bettelt „Luzia“ an: „Tu mir weh“, denn sonst tut’s irgendwer anders. 

Wanda vergeuden keine Zeit mit einem Aufwärmprogramm

Wer so drauf ist wie Wanda, vergeudet auch keine Zeit mit einem Aufwärmprogramm. Sänger Michael Marco Fitzhum alias Wanda wirft ein paar Bierdosen ins Publikum und schon geht’s in die Vollen, wird einer der Hits gleich am Anfang in den Abendhimmel hinausgeballert – „Bologna, meine Stadt“. Natürlich rüttelt das die Menge sofort wach, aber noch nicht durchschlagend. Wanda beschleunigen von null auf 100 in einem Augenblick, das Publikum benötigt dazu ein paar Songs: „Wir sind verloren“, „Weiter, weiter“, „Dass es uns überhaupt gegeben hat“.

Wobei anfangs ein wenig mit der Bühne gehadert wird. Denn Wandas Mythos beruht auch darauf, Meister des Nah- und Vollkontakts zu sein. Rein ins Publikum, rauf auf die Hände, minimaler Abstand bei maximalem Tempo. Nun in Augsburg auf einer großen Bühne mit Gittern im Sicherheitsabstand bleibt davon nichts übrig. Dazu irritiert erst einmal der Laufsteg in die Menge, der weg von der Band führt. „Können wir den Steg ausbuhen, ihr seid so scheißweit weg“, bittet Fitzhum. Und schließt dann seinen Frieden, wenn er sich die Post ins Spital schicken lässt. Da schaut die Welt gleich wieder anders aus: „Ich gewöhne mich langsam dran. Applaus für den Steg.“ 

Wanda-Konzert in Augsburg: Gehadert wird auf der Bühne auch mit anderem

Gehadert wird an dem Auftakt der Summerstage auf der Bühne dann mit anderem. Erst wird Baby noch angebettelt, „Bleib, wo du warst“, dann werden wieder Getränke ans Publikum ausgegeben. „So viel Bier als Entschuldigung für diese leise Lautstärke ham mer gar nicht“, sagt Fitzhum. Wer sich oben von der ersten Minute an ganz verausgabt, wer das Gemisch zur Explosion bringen will, der weiß, dass dafür Energie zugeführt werden muss, kompromisslos. Wohingegen die Veranstalter angehalten sind, nie zu vergessen, dass es ringsum auch Anwohner gibt, die die Konzerte an der neuen Event-Location nicht als Hilfestellung zur beschleunigten Alltagsflucht auffassen, sondern als schnöde Lärmbelästigung. 

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Aber egal. Dann halt mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen. „Meine beiden Schwestern“ gibt’s erst mal als Ständchen im Wechselgesang mit dem Publikum. Als die Band einsetzt, klingt das da nicht lauter, massieren die Bässe jetzt nicht nur die Gehörgänge, sondern gleich auch noch das Brustbein mit?

Wie kommt der Abend wieder in Schwung? Mit einem Wanda-Hit

Bevor das Ganze dann das erste Mal kulminiert, heißt es innehalten. Auch das ist konsequent. Vergangenes Jahr hat die Band ihren Keyboarder nach langer Krankheit verloren. Trotzdem muss es weitergehen, dieses Leben, „va bene“, und aller Schmerz über diese grausame, vorantreibende Logik des Lebens wird fassbar. Die Arme hoch für alle, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Und Ruhe kehrt ein. 

Wie kommt der Abend danach wieder in Schwung? Wie am Anfang mit einem Hit: „Bussi Baby“, dieses Gute-Laune-Monster. Die Songs fransen jetzt aus. Entweder die Band nimmt ihn noch einmal auf, weil da noch etwas herauszuholen ist – oder aber das Publikum singt weiter. Fitzhum tritt das Mikro an ein Paar in Reihe eins ab – und nach ein wenig Zureden („Vorhin warst du nicht so leise“) verselbstständigt sich die Party, „Bussi Baby, Bussi Baby, Bussi Baby, ich brauch nur ein Bussi Baby“. Zwei Songs später endet es auf dem Schnapsgipfel („Ich will Schnaps“) – „danke Augsburg“, um alles in den Zugabemodus zu überführen.

Der ist bei Wanda speziell. Für die halbe Stunde, die kommt, reichen zwei Songs, die wie eine Beschwörungsformel im Rauschritual immer weiter und weiter gedreht werden. Erst „Colombo“ und dann „1, 2, 3, 4“. Auf das letzte Mal folgt noch ein allerletztes Mal und vielleicht noch ein weiteres Mal. „Dann springt ihr alle, ich will dieses Scheiß-Asbestgebäude einstürzen lassen“. Alle gehen mit, Bierbecher fliegen durch die Luft, zum Glück bleibt der Gasturm stehen. Weil die Menge nicht aufhört zu klatschen, weil Wanda auch noch nicht genug haben, kommen sie ein zweites Mal wieder. Noch einmal wird Tante Ceccarelli besungen, die in „Bologna“ Amore gemacht hat. Dieses Mal bewegen sich alle auf dem maximalen Eskalationslevel. Mission erfüllt, auch wenn es nach Wandas Geschmack wahrscheinlich doppelt so laut hätte sein dürfen. 

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