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Augsburg: Tocotronic verwandeln die Augsburger Freilichtbühne in eine große Tanzfläche

Augsburg

Tocotronic verwandeln die Augsburger Freilichtbühne in eine große Tanzfläche

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    Auf der Freilichtbühne präsentieren Tocotronic ihr neues Album "Nie wieder Krieg".
    Auf der Freilichtbühne präsentieren Tocotronic ihr neues Album "Nie wieder Krieg". Foto: Michael Hochgemuth

    Was passt auf die 30 Zentimeter zwischen Sitzfläche und Stuhllehne des Vordermanns? Eine Schallplatte, eine Gurke, vielleicht eine Katze, aber sicherlich kein tanzender Tocotronic-Fan. Beim Konzert der Hamburger Alternative-Rockband verwandelt sich die Augsburger Freilichtbühne deshalb in eine große Tanzfläche. Auf der Tribüne steigen unzählige Besucherinnen und Besucher auf ihre Sitze, grölen lautstark Songtexte mit, tanzen die Treppen hinauf und hinab, und direkt vor der Bühne entsteht im Graben ein Mini-Moshpit, in dem die Fans in Ekstase gegeneinander pogen. „Ihr seid irre“, ruft Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow, „Augsburg ist das bessere München.“ Das Publikum jubelt.

    Tocotronic bleibt auf neuem Album "Nie wieder Krieg" gewohnt politisch und gesellschaftkritisch

    Mit wesentlich leiseren Tönen beginnt das Konzert. „Nie wieder Krieg“ lautet der Titel des Tocotronic-Albums, das wenige Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erschienen ist. Der Name, ebenso wie das Lied selbst, seien lange Zeit zuvor entstanden, sagt Frontmann von Lowtzow, noch bevor die Band den ersten Ton spielt: „Damals wussten wir nicht, in was für einer Welt wir vier Jahre später leben werden.“ Tocotronic, die auch sonst politisch aktiv sind und sich beispielsweise für den Schutz Geflüchteter oder gegen sexualisierte Gewalt einsetzen, solidarisieren sich mit der

    Die Menschen, die an diesem Sonntagabend auf die Freilichtbühne gekommen sind, interessieren sich für die direkten, gesellschaftskritischen Texte. Sie fühlen jede Zeile davon, so scheint es. Während zu den ersten Songs vereinzelt Zuhörerinnen und Zuhörer an ihrem Platz tanzen, reißt es bei „Digital ist besser“ – einem Song mit Punk-Einflüssen aus dem ersten Album der Band – einen Großteil der Fans von ihren Sitzen. Eine Freundesgruppe sprintet nach vorne und eröffnet mit nach oben gestreckten Armen die Tanzfläche auf dem Kiesbett vor der Bühne. Bis zum Ende wird diese brechend voll sein, auch wenn das Konzert nicht ausverkauft ist.

    Ob Punk oder poppig: Alte wie neue Songs von Tocotronic begeistern Publikum auf der Augsburger Freilichtbühne

    Von Gitarren geprägt ist die Musik von Tocotronic. Egal, ob alte oder neue Songs, punkig oder poppig, wild oder ruhig. Nachdem das Publikum bei „Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst“ mit Leidenschaft auf die alltägliche Spießigkeit schimpft, stimmen Dirk von Lowtzow, Arne Zank, Jan Müller und Rick McPhail mit „Eure Liebe tötet mich“ leisere Töne an. Die Menschen vor der Bühne versinken in das psychedelische Gitarrensolo, schwanken im Takt der Musik und stürzen sich wieder tanzend aufeinander, als die Band ruft: „Wir lieben euch, aber: ,Ich hasse es hier’.“ Damit schließen Tocotronic an die Wut gegen die Verklärung von Heimat aus ihrem 17 Jahre alten Song „Aber hier leben, nein danke“ an – und treffen den Nerv der Fans.

    Die sind nicht nur gekommen, um zu Songs aus früheren Zeiten der 1993 gegründeten Band zu feiern. Auch die Lieder aus dem jüngsten Album saugen sie auf, wie ein Gespräch zwischen zwei Fans im Publikum über „Ich hasse es hier“ zeigt: „Einen Reim auf Dosenchampignons, den muss man erst mal finden. Auf dieses Lied habe ich mich besonders gefreut.“

    Augsburger Fans wollen mehr und Tocotronic spielen dreimal einen letzten Song

    Schon als Dirk von Lowtzow mit „Ich habe Stimmen gehört“ den letzten Titel des Abends ankündigt, schreien Zuhörerinnen und Zuhörer nach mehr. Nachdem Tocotronic unter minutenlangem Applaus und Pfeifen von der Bühne getreten ist, stürmt der Frontmann zurück und lässt sich feiern. „Majestätisch, wie das Rote Tor erklingt“, sagt Sänger und Gitarrist von Lowtzow.

    Zum letzten Song der Zugabe fliegen Plüschtiere durch die Luft, das rote Flackern der Scheinwerfer erleuchtet die Freilichtbühne, und die vier Musiker recken ihre Instrumente nach oben. Doch noch immer hat das Augsburger Publikum nicht genug. Nach wiederkehrenden Rufen laufen Tocotronic erneut auf. Diesmal wirklich für das letzte Lied, „Freiburg“, dem ersten Track ihrer Debüt-Platte. Fans, die das Konzertgelände bereits verlassen hatten, rennen zurück. Nochmal tanzen. Irre.

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