Mussten Sie in letzter Zeit einmal umziehen? Nein? Herzlichen Glückwunsch. Auch in Augsburg hat es auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt schon entspanntere Zeiten gegeben. Wer kommod wohnen möchte, der muss mit Quadratmeterpreisen im zweistelligen Bereich rechnen und überhaupt Glück haben, passende Angebote zu finden. Die Nähe zu München tut dabei ihr übriges. Dabei haben viele ihre Ansprüche schon zurückgeschraubt, die von Helmut Dietl in Kir Royal so betitelte „lichtdurchflutete Altbauscheiße“ ist in weite Ferne gerückt. Zeit für neue, gar nicht so utopische Ideen: tiny houses, zu deutsch kleine Häuser.
Wobei, so neu ist die Idee auch wieder nicht, auch nicht in Augsburg. Bereits 2022 zeigte das Maximilianmuseum in „tiny houses by brenner“, wie Architekt Friedrich Brenner Wohnen neu entwirft. Nun wurde das Ausstellungskonzept mit neuen Modellen zur „2.0“-Version recycelt, was ganz im Geist der Kleinstbauweise ist. In verschiedenen Holzmodellen konstruiert er versuchsweise mehrere Versionen kleiner Wohneinheiten, zweistöckig, mit Küchenzeile, Nasszelle, Veranda und ähnlichem auf gerade Mal 20 m2 Grundfläche – eine normale Zimmergröße. Und doch, die Modelle wirken selbst im Maßstab 1:50 schon wohnlich, nach einer Vision für die Generation Wohnungsnot.
Friedrich Brenner entwirft tiny houses inspiriert von Japan und den alten Römern
Dabei ist auch Brenner maßgeblich von alt hergebrachten Bautraditionen inspiriert, vor allem der japanischen. Dort wohnt man mit 20 m2 – in der einschlägigen Maßeinheit knapp über zwölf Reisstrohmatten – schon auf großem Fuß. Wer sich daran orientiert, haust nicht nur günstig, sondern auch ressourcenschonend. Im Verhältnis dazu werden hierzulande weitläufige Hallen neu betoniert, verputzt und mit allerlei High-Tech durchzogen. Das belastet nicht nur beim Bau die Umwelt, sondern ist auch noch die absolute Recyclinghölle. Und beheizen oder kühlen muss man die Paläste auch noch. Auf kleinem Raum geht das viel schneller und günstiger.
Dazu hat die Idee etwas subversives, ein wenig spießbürgerliche Aufmüpfigkeit, denn unter 75m3 Wohnraum braucht man hierzulande keine Baugenehmigung. Abseits von Mindestabständen etc. hat man also ein wenig Narrenfreiheit, die Brenner nach Herzenslust ausnutzt.. So schafft er mehr Wohneinheiten, mehr Wohnfläche und zugleich mehr Grünfläche, als der schwäbische Häuslebauer sich in seinen kühnsten Träumen ausmalen könnte. Der Augsburger Architekt kann aber auch größer: Eines seiner Modelle bietet Wohn- und Arbeitsfläche in zwei separaten Gebäuden mitsamt Innenhof, die ein sogenanntes Atrium bilden – ein Stückchen Augusta Vindelicum im 21. Jahrhundert. Im Vergleich zum klassischen Einfamilienhaus ist das aber immer noch knapp bemessen und soll sogar für zwei Familien Platz bieten.
Natürliche Materialien und kleine Bauweise – Brenner war schon in den 70ern visionär
Tausendsassa Brenner – er ist eigentlich gelernter Bildhauer und Medaillieur – hat sich schon als Student an Entwürfen des späteren Eigenheims versucht. Bis ins Detail durchgeplant und immer auf der Suche nach dem richtigen Material zum richtigen Preis, kam es 1974, vor genau 50 Jahren, zum Baubeginn. „Holzbalkendecke statt Stahlbeton, Fichtenbretter als Bodenbelag, alle Holzteile unbehandelt, kleine Fenster, durchgängige Wendeltreppe vom Keller bis ins Dachgeschoss“, damit war er seiner Zeit voraus und stieß in der Nachbarschaft wohl vor allem auf Unverständnis. Mal sehen, ob er mit seinen heutigen Entwürfen den richtigen Nerv trifft.
Info: Die Ausstellung „tiny houses 2.0 by brenner“ ist noch bis 3. November 2024 im Maximilianmuseum in Augsburg zu sehen. Am Sonntag den 15. September und Sonntag den 13. Oktober jeweils 11 Uhr bietet das Museum Kuratorenführungen gemeinsam mit Friedrich Brenner an. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Museums unter kunstsammlungen-museen.augsburg.de/tiny-houses-2.
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