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Augsburg: Stierkampf-Atmosphäre in Heilig Kreuz

Augsburg

Stierkampf-Atmosphäre in Heilig Kreuz

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    Jiyhun Cecilia Lee war einer der Solistinnen der Operngala.
    Jiyhun Cecilia Lee war einer der Solistinnen der Operngala. Foto: Michael Hochgemuth

    Es hat schon seinen Vorteil, wenn ein Konzert-Festival kein sogenanntes Massen-Event ist. Während Münchens „Klassik am Odeonsplatz“ mit seinen Tausenden an Besuchern bei widriger Wetterlage nicht schnell mal in die angrenzende Theatinerkirche umziehen kann, haben Augsburgs Konzerte im Fronhof eine Ausweichstätte: evangelisch Heilig Kreuz. Und so kam beim Abschlussabend 2024, bei der Operngala, zur interkontinentalen (Zeit-)Reise zwischen diversen Opern-Spielorten und zwei musikgeschichtlichen Epochen noch der Umzug vom Fronhof ins Gotteshaus hinzu: Reise eines langen Konzerts in gewittrige Nacht. Das Auditorium weilte in der musikalischen Klassik und der Romantik, mondän besuchte es streunend auch Kreta, Rom, Neapel, Florenz, die türkische Küste, ja Sri Lanka, sogar Peking – bei Zwischenstopps immer wieder in Sevilla. Der Japaner schafft Europa in zehn Tagen, Augsburger schaffen die halbe Welt in dreieinhalb Stunden.

    Dass die Sprünge im Großen und Kleinen Akklimatisierungs-Aufgaben und Anforderungen an die Beweglichkeit nach sich zogen, versteht sich. Aber mit den Solisten, teils vom Staatstheater Augsburg, teils angereiste Gäste, waren auch Sänger vertreten, die hohe Rollen- und Fachflexibilität ihr Eigen nennen können. Natalya Boeva sang den Sextus aus Mozarts „Titus“ ebenso wie Bizets Carmen, Jason Kim den Idomeneo ebenso wie den „Turandot“-Kalaf. Und zur Zugabe in Heilig Kreuz, nun war das Publikum in Mitklatsch-Partylaune angekommen, sangen quasi alle alles, auch den Chor.

    Die Operngala der Fronhof-Konzerte beginnt unter freiem Himmel

    Übermütig endete dort ein von Jacques Malan leicht süffisant moderierter Abend, der im Freien musikalisch wohltemperiert, durchaus mit Etikette bei Handlungskonflikten, begonnen hatte. Sauber war dort mit der SUK-Symphony Prag unter Wilhelm F. Walz auch die Ouvertüre zu Mozarts „Figaro“ erklungen, blitzsauber das Vorspiel zu seiner „Entführung“ und zur „Cosi“. Etikette bei Handlungskonflikten? Nun, einer fiel raus: der „Entführungs“-Osmin von Young Kwon, der sich mit geläufiger Gurgel bei angedeuteter Bass-Extremlage in aparten Gewaltfantasien erging. Hoffentlich überlebt sein Freudenliedchen, seine Begeisterung fürs Aufknüpfen von Haremsmäusen alle Tendenzen der political correctness.

    Erfreulich der Idomeneo des Jason Kim („Fuor del Mar“) und der Sextus von Natalya Boeva („Parto, ma tu ben mio“), wenngleich Respekt vor Höhenlage hier, Final-Koloraturen dort zu vernehmen waren. Sehr erfreulich dann Modestas Sedlevecius Graf Almaviva („Figaro“): tragend wohltönend sein Bariton, präsent sein Auftritt, rollengerecht impulsiv seine Mimik und Gestik. Da hätte Jihyun Cecilia Lee als Gräfin anfänglich etwas mehr Resignation in ihr schön gesungenes „Dove sono“ legen können. Mit dem Sextett „Alla bella Despinetta“ endete Teil 1.

    In Heilig Kreuz dann ging es akustisch handfester, orchestral ziemlich massiv zu – abgesehen davon, dass nun vor dem Altar Stierkampf-Atmosphäre einzog und ganz böse endende Liebestragödien ihren Lauf nahmen. Natalya Boeva hat das Ungezügelte, Laszive der Carmen vokal drauf, doch noch nicht ganz in der Körpersprache, auch wenn Wilhelm F. Walz heftigst und dirigierend mit ihr flirtete. Jihyun Cecilia Lee empfahl sich im französischen Repertoire durchaus raffiniert glitzernd mit der Leila aus Bizets „Perlenfischer“ und dem Gretchen aus Gounods Faust-Oper, während Modestas Sedlevecius noch einmal viril und im Plapperparlando glänzte als Rossini-Figaro. Puccini zum fast schon volksfestartigen Finale: Lee sang hinreißend unschuldig die Lauretta, Jason Kim mit Feuereifer „Nessun dorma“.

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