Als herbstlicher Jour fix für Fans zeitgenössischen Tanzens im „Miniaturformat“ gilt seit über 25 Jahren die Gala-Tournee der Preisträger und Preisträgerinnen, die im Rahmen des Solo-Tanz-Theater-Festivals Stuttgart erfolgreich performten. In Augsburg präsentierten sich nun vier Tänzer und zwei Tänzerinnen im Kulturhaus Abraxas. Es ist der Ort, an dem Marcelo Santos seinen internationalen Tanzwettbewerb startete, den er bis heute künstlerisch leitet.
Hoffnung und Staunen verbreitete in der Tat der Beitrag des Rumänen Adrian Popa, der seine komplett schwerelos wirkende Tanzsprache flüssig mit Breakdance-Moves und Artistik kombinierte. Mit Gespür für Poesie und Musik, die eine melancholische Atmosphäre herbeizauberte, spürte er in „Hope4us“ dem emotionalen Zustand nach, der sich dort einstellt, wo Zukunftsträume plötzlich zerplatzen, wo Loslassen zur Tugend wird. Nicht nur dieses, sehr zurecht mit dem diesjährigen Publikumspreis ausgezeichnete Solo thematisierte erneut die emotionalen Auswirkungen und Wunden der Pandemie.
Erste Preise der Sparten Tanz und Choreografie
Dezent humorvoll choreografiert von Valeria Marangelli verkörperte der auch mimisch präsente italienische Tänzer Flavio Quisisana das absurde Einerlei immer gleicher Kreisläufe in einer erzwungenen Isolation – für diese ans Finale gesetzte „Quarantella“ erhielt er den 1. Preis Tanz. Dass Übergänge in eine neue Lebensphase auch ohne „offizielle“ Krise enorme Herausforderungen bedeuten sowie exaktes Timing, diverse Bewegungs-Skills und wiederholt angesagt auch „Attention“ erfordern, brachte das tänzerisch präzise umgesetzte „Layers“ zum Ausdruck. Zsófia Safranka-Peti wurde dafür der 1. Preis Choreografie zugesprochen. Und auch das Solo der Finalistin Anette Toiviainen aus Finnland zirkelte um früh erlernte Bewegungs- und Verhaltensmuster, die unser Erwachsenwerden formen und begrenzen. Das Wagnis, daraus auszubrechen, gelang, und so setzte sie sich am Ende siegreich die Krone der Erleuchtung auf.
Auf einen tänzerisch bemerkenswert intensiven, überaus persönlichen Weg der Selbstfindung begab sich auch der niederländische Tänzer Noah Oost. Lange blieb er auf dem Rücken liegen, um mit dem linken Fuß an die rechte Wade klatschend den Rhythmus seiner leisen, bald raumgreifenden Rebellion anzustimmen. Sein „Last Archive“ benanntes Stück deutet womöglich unser Erinnerungsvermögen an, das Erfahrungen in den körpereigenen Zellen und Muskelfasern verwahrt, um den lebenslangen Prozess sozialer Identifikation und Orientierung in Gang zu setzen. Das war reif, schnörkellos, berührend und mit dem 3. Platz Choreografie eigentlich nicht richtig gewürdigt.
Tanz-Theater im Abraxas in Augsburg: In psychischer Extremsituation
Weiter vorne sah die Jury Isaiah Wilsons radikal konzipiertes Solo „Février“. In kalt-graues Licht getaucht, vermittelte er in dieser nicht unmittelbar zu „lesenden“ Performance eine existenzielle Notlage, eine physische und psychische Extremsituation, aber auch die Erkenntnis, dass sich dieser Wettlauf gegen die Zeit nur schwer gewinnen lässt. Leichter hatten es an diesem Abend alle Performer – die sich im Lauf der vielen Jahre mit dem eher karg-düsteren Rahmen dieses hartnäckig als "Gala" (mit 72 Minuten Dauer) definierten Tanz-Events arrangiert haben –, was die begeisterte Zustimmung des Publikums betraf.