Natürlich ist das ein Heimspiel. Die Augsburgerin Sina Trinkwalder ist zwar nur eine der drei Hauptfiguren im Dokumentarfilm „Fair Traders“. Aber als der italienisch-schweizerische Regisseur Nino Jacusso sein Projekt auf seiner Reise mit Vorpremieren an diesem Montagabend in einem sehr gut besuchten Mephisto-Kino vorstellt, liegt am Eingang auch das neue Trinkwalder-Buch auf: „Die Zukunft ist ein guter Ort.“ Denn sie ist hier der örtliche Promi mit Fans und Followern, die heimische Marke, die zieht. Und komprimiert auf ein Drittel der 90 Minuten, für den Unkundigen noch mal insgesamt aufbereitet, macht ihre nun zehn Jahre währende Geschichte mit dem ökosozialen Textil-Unternehmen „Manomama“ doch wieder staunen.
Aber darum geht es hier nur zur Hälfte: Der am 28. März in den Kinos startende Film nämlich zeigt und ehrt drei mutige Menschen, die die Welt, die Gesellschaft, ihr Dorf zu einem besseren Ort machen wollen. In dieser Reihenfolge: den Schweizer Patrick Hohmann, der bereits seit über 20 Jahren versucht, mit dem Anbau und Ankauf von Bio-Baumwolle Regionen in Indien und Tansania auf die Beine zu helfen. Eben Sina Trinkwalder, die noch als erfolgreiche Inhaberin einer Werbeagentur 2009 eine prägende Begegnung hatte, als ein verarmter Mann die von ihr weggeworfenen Lifestyle-Magazine aus dem Müll klaubte, um aus den Glitzerbildern den Weihnachtsschmuck für sich und seine Frau zu basteln – und kurz darauf gründete die Augsburgerin mit allem Geld, das sie und ihr Partner hatten, „insgesamt rund zwei Millionen Euro“, das Label, das Hohmanns Bio-Baumwolle mithilfe am Arbeitsmarkt sonst schwer vermittelbarer Kräfte zu Textilien verarbeitet und in Deutschland vertreibt. Und ganz lokal im Örtchen Küttigkofen schließlich versucht die Schweizerin Claudia Zimmermann im Film seit einem Jahr einen Bioladen zu betreiben, der die Bauern fair bezahlt und für den Ort zudem wieder eine Begegnungsstätte bietet.
Konventionelle Schilderung unkonventioneller Unternehmer
Aber was als andere Hälfte Regisseur Nino Jacussi mit seiner sehr konventionellen Schilderung dieser ziemlich unkonventionellen Unternehmer auch noch will: „Ich habe bei meinem letzten Film, der von Indianern in Kanada erzählte, erlebt, dass mich 16-Jährige immer wieder fragten, ob diese Menschen nicht mehr Chancen auf ein Überleben in der Zukunft hätten als sie. Und für diese wollte ich dann erzählen von Menschen in ihrer Nähe, die eine guten Zukunft schon leben“, sagte Jacussi, 63, in Augsburg. Und das sei nötig, weil „die Medien“ viel zu wenig über sie berichteten, sondern lieber über Katastrophen und Morde, zur Ablenkung, weil das andere das System infrage stellen würde, zu dem sie selbst gehörten …
Und damit zur zweiten Hälfte dieses Abends. Denn sie wurde in Jacussis Statement ebenso offenkundig wie in den Antworten der beiden an diesem Abend anwesenden Unternehmer, Sina Trinkwalder und Patrick Hohmann, im anschließenden Publikumsgespräch. Bloß aus entgegengesetzten Richtungen. Hohmann und Trinkwalder nämlich berichten bereits im Film ja nicht nur von reinen Erfolgsgeschichten – sie weisen auch auf all die damit verbundenen Schwierigkeiten hin und versichern sich bei ihrem mitgefilmten ersten Treffen überhaupt, sie wüssten wohl, wie schwer es der andere habe. Hohmann etwa mit den Bedingungen vor Ort in Indien, aber auch damit, dass er den Bauern die Abnahme der Ware zu fairen, marktunabhängigen Festpreisen garantiere, dann aber aufgrund zu wenig Nachfrage auf der Hälfte sitzen bleibe. Trinkwalder etwa, dass auch die von ihr geförderten „Ladys“ sich vor der Arbeit drücken und sich Abnehmer der Ware plötzlich aus ihren versprochenen Langzeit-Partnerschaften zurückzögen. Im Publikumsgespräch aber müssen sie sich Fragen stellen wie diesen: Ob mit Hohmanns Projekt denn auch wirklich genügend bei den ja noch immer armen Menschen in Tansania ankäme; ob Trinkwalder denn nicht auch Menschen in Arbeit bringen könne, die sich nicht nach festen Verträgen und festen Zeiten richten wollten.
Zusammen die Welt retten
Antwort: Sie tun, was sie können – können aber bloß, so Hohmann, Raum zur Entwicklung bieten, und, so Trinkwalder, Anstoß für andere sein, wenn sie zeigten, dass es gehe. Effekte bislang allerdings: begrenzt bis bescheiden. „Die Welt retten“, sagt die Augsburgerin, „das müssen wir aber schon alle zusammen.“
Das führt zurück zu Jacusso, der ja offenbar denkt, die Menschen handelten noch nicht, nur weil sie eben nicht entsprechend informiert würden. Als könnte nicht längst jeder Bescheid wissen, wenn er wollte, – und in der Vernetzung mit Gleichgesinnten leichter seine Lebensgewohnheiten ändern als je zuvor, wenn er wollte. Wer nicht wirklich will, lässt sich Trostgeschichten von mutigen Menschen wie Hohmann, Trinkwalder, Zimmermann erzählen, die es wagen, und kann dann auch noch mäkeln, wenn diese nicht Helden genug sind.