Fernsehapparat an, es ist Sonntag, 20.15 Uhr, und der Mord ist vollbracht. Dieses heimelig-unheimliche Gefühl kennt jeder, der in seine Couch sinkt und die Chipstüte öffnet, sobald der „Tatort“ in der ARD beginnt. Sitzen, staunen, sich begruseln lassen – aber am Ende doch verschnarchen, wer der Täter war? Eine andere, direkte Art von Nervenkitzel will da der „Tatort“ bieten, den das Staatstheater Augsburg inszeniert. Das Publikum darf live vor Ort mit ermitteln und dabei Plätze in Augsburg entdecken, die man sonst kaum betreten würde. In der JVA Hochfeld hat der Krimi schon gespielt, oder auch im Innovationspark. Folge sieben führt nun in das Verbrechen von schmutzigen Immobilien-Deals und hinein in den Schatten der Vergangenheit.
Der Augsburger Tatort führt in das Sheridancasino
Unmöblierte, menschenverlassene, endlose Säle. Haushohe Vorhänge vor staubtrüben Fenstern. Räume parfümiert vom muffigen Duft eines lang verlassenen Hauses. Ein Schlachtengemälde, ein wahrer Schinken hängt da immer noch an einer Wand – und über den Teppichboden lässt sich leise, lautlos durch alle Räume schleichen. „Die Auslegeware haben hier damals die Amerikaner verlegt“, weiß David Ortmann, der Regisseur des „Tatorts“. Denn dieses Haus, das alte Sheridancasino, war von Beginn an ein Ort des Militärs. Zuletzt ging hier noch die US-Army ein und aus, bis 1998. Doch zuerst war dieser Bau im Sheridanpark, Pfersee, ein Offizierscasino der Wehrmacht. Die Nationalsozialisten hatten es 1934 erbauen lassen. „Deshalb müssen wir diesen Ort mit all seiner Geschichte bespielen“, sagt Ortmann.
Auf der Suche nach Schauplätzen ist der Regisseur im Sheridanpark fündig geworden. Die Wohnbaugruppe Augsburg verwaltet treuhänderisch das leer stehende, alte Haus. Und die Wohnbaugesellschaft habe nichts dagegen gehabt, dass der Ort jetzt zur Theaterkulisse wird – im Gegenteil.
"Kasino Kriminal" heißt die neue Folge der Staatstheater-Krimireihe
„Kriminal Tango“? Nein „Kasino Kriminal“ heißt die Folge. Was von der Handlung des Stücks verraten werden darf: Das Publikum stolpert hier in ein Stelldichein der Superreichen. Eigentlich sollte dieses Treffen eine Hausbesichtigung für potenzielle Käufer werden – eine, an der nur jene teilnehmen dürfen, die mehr als 20 Millionen Euro auf ihre Konten geschaufelt haben. Doch jetzt herrscht Durcheinander, Verwirrung – und eine neugierige Journalistin stellt zudem fiese Fragen an die Verkäufer. Was führt die Firma Schwaben-Invest wirklich im Sinn, wenn sie den Bau verkauft? „Und die moralische Frage lautet: Wie viele können an einer Tat beteiligt sein, ohne die Pistole selbst in der Hand gehabt zu haben?“, erklärt Ortmann.
„Der Tatort ist immer eine Mischung aus Stadtführung, Krimi-Dinner und Schauspiel“, so beschreibt der Regisseur sein Konzept. Und zu den Schauspielern dieser Folge zählen Gerald Fiedler, Ute Fiedler, Patrick Rupar und Jenny Langner aus dem Staatstheater-Ensemble. Der Regisseur lotst dabei nicht nur die Darsteller, sondern auch das Publikum durch sein Werk. Und in diesem Fall: durch den Bau. Ortmann musste sich im Vorfeld fragen: Passen 80 Menschen in das kleine Kaminzimmer? Wird die Atmosphäre knistern, wenn der Weg in die Tiefe, in dunkle Gänge führt?
Wer Mut hat, kann sich als Darsteller für den Augsburg-Tatort bewerben
Das Mitmach-Prinzip will er dabei noch einen Schritt weiter treiben – wer den Mut hat, kann sich auch als Laie um eine „Tatort“-Rolle bewerben. So wie Maria-Anna Meißner. Sie streift sich für das Stück eine Kappe und eine dicke Jacke mit Aufschrift „Security“ über. „Die Tatort-Idee fand ich von Anfang an Spitze“, sagt die Statistin. „Nein, ich habe gar keine Schauspielerfahrung“, verrät sie und lacht. „Nicht einmal als Security.“ Aber warum auch? Denn wie im Fernseh-Tatort gilt beim Augsburger Krimi: alles nur Schauspiel.
Info: Premiere des neue „Tatorts“: Freitag, 31. März, um 19.30 Uhr. Infos unter www.staatstheater-augsburg.de.