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Augsburg: Kostbare Momente im Fronhof

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Kostbare Momente im Fronhof

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    Wilhelm Walz (rechts) dirigiert die SUK Symphony Prag, während Pablo Barragan als Solist an der Klarinette mit Mozart glänzt.
    Wilhelm Walz (rechts) dirigiert die SUK Symphony Prag, während Pablo Barragan als Solist an der Klarinette mit Mozart glänzt. Foto: Anna Kondratenko

    Ist doch interessant, welche Überlegungen mit welcher Konsequenz geführt werden, um im Bereich von Klassik-Konzerten der regelmäßig befürchteten Verkrustung, der regelmäßig diagnostizierten Publikumsüberalterung zu begegnen! Hier bricht das Mozartfest Augsburg – auch ohne Musical-, Film- und Game-Musik – originell die Erwartungen an ein Festival im Namen von Amadeus; dort wird dieser Star als verlässlicher Magnet gehegt, beispielsweise heuer bei den Konzerten im Fronhof. Mozart geht – zumal in Augsburg – immer, lautet die Devise, setzend auch darauf, dass Altersnachwuchs grundsätzlich nicht ausbleiben wird. Schon mancher hat – im Leben fortgeschritten – Dinge entdeckt, die ihm in der Jugend schnurz waren.

    Mozart also als Fixstern der Fronhof-Konzerte 2024 – und drumherum? Werke ebenbürtiger Zeitgenossen: Beethoven, Haydn. Auch sie Größen, denen sich geschichtlich – und musikalisch – zu stellen ist. Die einen tun es löhnend vor der Bühne in den Sitzreihen, die anderen hinter den Absperrgittern des Fronhofs auf Parkbänken, mitgebrachten Klappstühlchen, Picknick-Decken. Hier wie dort wird mit einem rosaroten, perlenden Getränk genossen. Dass die Oberbürgermeisterin als bekennende Schirmherrin das Eröffnungskonzert besucht, darf in Zeiten erneut aufgeflammter Theaterdebatten auch als ein Zeichen gewertet werden. Eine Stadt hat Funktionen über Einkauf, Krankenhaus, Finanzamt hinaus. Zudem gibt es lohnende Dinge auch neben Fußball, Dax und Sex.

    Die ersten kostbaren Momente traten im Fronhof in Erscheinung

    Also Mozart, in seinen späten Sinfonien – sowie konzertant. Wilhelm F. Walz, Festivalleiter und Dirigent, wandelte zum Festival-Auftakt die geschätzte Dreierpack-Kombination der drei letzten Sinfonien KV 543, 540, 551 ab, indem er Mozarts ebenfalls spätes Klarinettenkonzert anstelle der großen g-Moll-Sinfonie setzte. Damit traten die ersten kostbaren Momente in Erscheinung: Während die Es-Dur-Sinfonie und die Jupiter-Sinfonie zugunsten eines filigranen, sorgfältigen Ausformulierens des Notentextes auf pointierende Klangrede und ausreizende Tempi weitgehend verzichteten, geriet das Klarinettenkonzert mit dem Solisten Pablo Barragan zu einer Kristallisation von Farben, Stimmungen, Seele. Alles, was die Klarinette einst zu einem Lieblingsinstrument Mozarts machte, erklang in musikalischer wie technischer Hinsicht finessenreich: der aus dem Nichts kommende und ins Nichts verschwindende weiche Ton, delikateste dynamische Abstufungen, die reizvoll blubbernden Klappengeräusche, virtuos ausgeführte Intervallsprünge, das Volkstümliche wie die schwingenden, ja swingenden Möglichkeiten des Instruments. Leonard Bernstein sprach diesbezüglich einst parallel zum „Schubert-Jazz“ vom „Mozart-Jazz“. Und als dann Barragan im Adagio das Thema wiederholte, da war eben der kostbarste der kostbaren Momente erreicht: Er sang, er flog mit dem Orchester, der SUK-Symphony Prag. Piazzolla zur Zugabe.

    Unerwartetes bot das Samstagabendkonzert im Fronhof

    Auch im Mittelpunkt des zweiten, nun samstäglichen Sinfoniekonzerts, standen mit dem frisch gegründeten Ensemble „Lions European Chamber Players“ Instrumental-Solisten: die regional gebundene Nathalie Schmalhofer, die Mozarts Adagio für Violine und Orchester KV 261 behutsam, vor- und zurücktretend, hochmusikalisch interpretierte; der junge Jon Vielhaber, der Haydns Trompetenkonzert hochelegant blies und es dabei nicht an persönlicher Verzierung mangeln ließ, vor allem in der langen, romantisierenden Kadenz des ersten Satzes.

    Unerwartetes, Starkes dann im samstäglichen Abendkonzert: das Männerensemble der Augsburger Domsingknaben unter Stefan Steinemann – sowie eine mitreißende Aufführung von Beethovens achter Sinfonie. Nicht, dass der Männerchor an sich nicht immer mal wieder in Erscheinung träte, aber als ein kultiviertes Konzertformat auf großer Bühne in der Augsburger Qualität ist er nahezu perdu. Man muss nicht ins Detail gehen, um ins Schwärmen über die „Domsingmänner“ zu kommen: In Chorsätzen von Zöllner, Silcher, Mendelssohn, Reger, dazu in Schlager-Schmonzetten, war unerhörte Männersensibilität zu vernehmen, dazu eine hochdifferenzierte Piano-Kultur, glockenhelle Tenöre, schwarze Bässe – kurz das in Vollendung, was vielen Männerchören einst den Namen gab: Harmonie. Schloss sich Beethovens Achte an als exemplarische-adäquate Wiedergabe der Musik eines durchaus kauzigen Originals. Walz befeuerte, oft geduckt, die SUK Symphony Prag und erzielte mit ihr eine Aufführung von geschärftem Charakterzug: wunderlich schroffe, wunderlich liebende Musik aufgrund einer wunderlich schroffen, wunderlich liebenden Partitur. 

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