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Augsburg: Im Kino-Film "Keine Eier im Winter" erzählt eine Augsburgerin vom Krieg

Augsburg

Im Kino-Film "Keine Eier im Winter" erzählt eine Augsburgerin vom Krieg

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    Berta Zanker im Jahr 2018. Filmstill aus "Keine Eier im Winter".
    Berta Zanker im Jahr 2018. Filmstill aus "Keine Eier im Winter". Foto: Martin Pfeil

    "Augsburg war eine kleine Großstadt, mit sehr vielen Leuten im praktischen Arbeitsleben im Gegensatz zu München", so lautet die Liebeserklärung der gebürtigen BR-Filmemacher Martin Pfeil, ihre Erlebnisse aus der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Daraus entstanden ist ein einstündiger Dokumentarfilm, der im voll besetzten Thalia-Kino Premiere feierte. Im Publikum mit dabei auch eine Kollegin und eine Schülerin von Berta Zanker. 

    Denn Zanker hat nach dem Krieg "ganze Klassen von Weberinnen und Stepperinnen" unterrichtet. Die Stepperinnen waren für die Schuhfabrik Wessels am Oberhauser Bahnhof tätig. "Augsburg war ja eine Textilstadt", berichtet Zeitzeugin Zanker. Filmemacher Pfeil, bekannt durch die BR-Dokureihe "Lebenslinien", hat in Textblenden den Niedergang der Augsburger Industrie beleuchtet.

    Kino-Film "Keine Eier im Winter": Die Angst der zwölfjährigen Berta

    Zunächst stimmte die Cellistin Ayze Deniz Birdal auf den Film ein. Sie entlockte ihrem Cello dunkle Klangfolgen, die mit ihrer hellen Stimme kontrastierten. In Intervallen trommelt sie mit den Fingern auf den Korpus ihres Cellos. Und genau wie die Spannung in der Musik Birdals ist auch Zankers Leben verlaufen: 

    Die unbeschreibliche Angst als Zwölfjährige, wenn der Vater mit Decke um den Kopf heimlich ausländische Sender wie Radio Beromünster hörte. Gleichzeitig die Freude über die neuen Kleider zu Weihnachten 1940/41. Die hatte der couragierte Vater im Geschäft der Mindelheimer jüdischen Familie Liebschütz gekauft, der man "Haus und Geschäft genommen hatte". Nur der jüngste Sohn überlebte. In Pfeils Filmdoku folgt ein Bild vom großen jüdischen Augsburger Kaufhaus Landauer mit Hakenkreuzfahnen davor während des Aprilboykotts 1933. Die Besitzer mussten ihr Geschäft später notverkaufen. 

    Berta Zanker spricht über Arbeit in der Rüstungsfabrik

    Zanker selbst musste wider Willen als Studentin für die Rüstungsfabrik Messerschmitt in der Kantine arbeiten. Verschenktes Talent, denn Berta Zanker beherrschte die Zubereitung so exquisiter Genüsse wie "Henne aus Biskuitteig, hergestellt in einer alten Blechform. Die Qualität unübertrefflich". Bei Messerschmitt erlebte Zanker die Bombenangriffe auf Augsburg 1944 mit: "Blindlings sind die Leute aus Augsburg hinaus". 

    Fotos erinnern an die großen Luftschutzbunker unter dem Wittelsbacher Park und an den Nazibunker im Riedingerhaus, wo nur die NS-Kommandantur Schutz suchen durfte. Eine Schmalspurbahn ist zu sehen und das erste Fußballstadion, erbaut aus abtransportiertem Bombenschutt. Eine Textblende klärt über die Ausmaße der Zerstörung auf: 1499 Menschen kamen bei den Luftangriffen ums Leben, 90 Prozent der Altstadt war betroffen, 85.000 Menschen auf einen Schlag obdachlos. Gerade auch die politisch Gefangenen erwischte es schlimm, "die hatten keinen Unterschlupf außer Gräben", so Zanker. 

    Doch die "allerschlimmste Zeit war die Nachkriegszeit", sagt Berta Zanker im Film. Denn "es gab keine Eier im Winter", und so mussten Hunderte von Eiern auf einmal eingelegt werden. Das "war kalt und glitschig", schaudert es Zanker noch Jahrzehnte später beim Interview mit Martin Pfeil. Im April 2020 ist Berta Zanker im Alter von 96 Jahren gestorben.

    Am 4. Juni läuft der Film nochmals im Thalia.

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