Nicht einmal eine Schulstunde dauert dieser Film: Lediglich 37 Minuten benötigt er, um ein weites Feld abzuschreiten. Hier der Blick darauf, wie in Augsburg Erinnerungsarbeit im öffentlichen Raum gelebt wird, also ein Blick auf Stolpersteine, Erinnerungsbänder und die Menschen, die hinter diesen Initiativen stehen. Dort die Geschichten von einigen ausgewählten Opfern des NS-Regimes aus der Region, die zeigen, wer alles im Zeichen von Rassenwahn, Rassenhygiene und politischer Gesinnung verfolgt, deportiert und ermordet worden ist.
Drei Jahren haben Josef Pröll, Franz Schwarzbäcker und Inge Kroll am Film gearbeitet
„Zeichen setzen“ lautet der Filmtitel schlicht und einfach. So kurz und knapp das bei der Premiere im Thalia Kino gewirkt hat, der Kinosaal war übrigens gerammelt voll, so lange hat sich die Arbeit am Film hingezogen. Drei Jahre hat der Filmemacher Josef Pröll in das Projekt investiert, an dem er gemeinsam mit Fritz Schwarzbäcker und Inge Kroll von der Erinnerungswerkstatt Augsburg gearbeitet hat. Ein Film sei eine teure Angelegenheit, habe Pröll zu Beginn gesagt. Weil es die Sache wert war, weil ihnen das Anliegen dermaßen am Herzen lag, entstand der Film dann komplett in ehrenamtlicher Tätigkeit – ohne Fördermittel.
Weil das mit der Idee verbunden war, möglichst viele Menschen zu erreichen, gibt es diesen Film nun auch gratis im Netz zu sehen. Im Internet kann er jederzeit und kostenlos angeschaut werden. Natürlich würden die Macher am liebsten sehen, dass Lehrerinnen und Lehrer den Film mit ihren Klassen schauen. Denn – auch das wurde bei der Premiere von Schwarzbäcker gesagt: „Jeder sechste Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren in Deutschland weiß nicht, was die Shoah ist.“
Der Film „Zeichen setzen“ zeigt, wie Erinnerungsarbeit in Augsburg aussieht
Es gibt immer weniger Zeitzeugen, immer weniger Menschen, die von der Willkür, dem Unrecht und der Gewalt der NS-Zeit aus eigener, schmerzhafter Erfahrung berichten können. Gleichzeitig behauptet Alice Weidel von der AfD, dass Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei. Erinnerungsarbeit tut Not. Wie die konrekt aussieht, zeigt „Zeichen setzen“. Es geht um Menschen, die sich erinnern, eine Patenschaft für einen Stolperstein oder ein Erinnerungsband übernehmen - und um die Menschen, an die erinnert wird. Man sieht gleich zu Beginn den Künstler Gunter Demnig, wie er in Augsburg Stolpersteine anbringt.
Beim Filmemacher Josef Pröll ist es Familiengeschichte, seine beiden Eltern waren politische Verfolgte des NS-Regimes in Gefängnissen und Konzentrationslagern, drei Familienmitglieder wurden ermordet. Oder das Schicksal von Clemens Högg, der Gründer der Arbeiterwohlfahrt in Augsburg, der in Pfersee mit seiner Familie wohnte. Heinz Münzenrieder hat die Geschichte der Arbeiterwohlfahrt, aber auch das Schicksal von Högg erforscht. Er berichtet im Film, dass die SS auf Högg ein Attentat verübt und durch seine Wohnungstür geschossen habe. Als der Mordanschlag nach 1945 vor einem Gericht in Augsburg verhandelt wurde, konnten die Täter nicht mehr ermittelt werden. Högg kam 1933 als einer der ersten Häftlinge ins KZ Dachau, nach einem Jahr wurde er entlassen. Bis 1939 stand er in Verbindung mit der Widerstandsgruppe „Revolutionäre Sozialisten“ um Beppo Wager. Er wurde wieder interniert, im KZ Oranienburg gefoltert und im März 1945 ins KZ Bergen-Belsen gebracht, wo sich seine Spur verliert.
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Es gab auch NS-Opfer wie Liberat Hotz, das Kind einer Augsburger Arbeiterfamilie, der ein Gelegenheitsdieb war, in Kirchen Opferstöcke aufgebrach. Herbert Veh, der ehemalige Präsident des Landgerichts Augsburg spricht im Film über diesen Fall. „Es ist richtig, ein Erinnerungsband für einen wie Liberat Hotz anzubringen“, sagt er. Das Landgericht Augsburg, das Hotz zur Sicherheitsverwahrung verurteilt habe, trage Mitschuld an seinem Tod, sagt Veh.
Der Film präsentiert ausgewählte Schicksale, beleuchtet verschiedene Opfergruppen und stellt das Unrecht, das in Augsburg begangen wurde in den Gesamtzusammenhang der nationalsozialistischen Gewalt- und Ausrottungs-Ideologie - und das auf nur 37 Minuten Länge. Das ist nicht nur ideales Unterrichtsmaterial, sondern auch für alle anderen Interessierten eine Möglichkeit, der Erinnerungswerkstatt und der Stolperstein-Initiative über die Schulter zu schauen - ohne aus dem Haus zu gehen.
Die Dokumentation „Zeichen setzen“ ist über die Internetseite https://sites.google.com/view/zeichen-setzen-augsburg/start jederzeit zu sehen.
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