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Buchhändler Kurt Idrizovic plant seinen Ruhestand

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Buchhändler Kurt Idrizovic will aufhören

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    Mit Margit Miller arbeitet Kurt Idrizovic in der Buchhandlung am Obstmarkt seit 30 Jahren zusammen. Jetzt denkt Idrizovic über das Aufhören laut nach, Miller glaubt es aber nicht wirklich.
    Mit Margit Miller arbeitet Kurt Idrizovic in der Buchhandlung am Obstmarkt seit 30 Jahren zusammen. Jetzt denkt Idrizovic über das Aufhören laut nach, Miller glaubt es aber nicht wirklich. Foto: Michael Hochgemuth

    Er macht es, er macht es nicht. Er will aufhören, nein, er kann gar nicht aufhören. Was soll er denn sonst machen? Das ist doch sein Leben. Alle, die von Kurt Idrizovics Entscheidung gehört haben, nun, mit 71 Jahren, einmal langsam an den eigenen Ruhestand zu denken, können und wollen es nicht wirklich glauben. Ob nun Menschen, die regelmäßig bei ihm einkaufen, ob nun die vielen anderen, die ihn von den Veranstaltungen her kennen, oder auch Margit Miller, mit der Idrizovic seit 30 Jahren in der Buchhandlung am Obstmarkt zusammenarbeitet. "Was macht er denn dann mit seiner Zeit?", fragt Miller. "Das ist doch sein Leben."

    Vielleicht haben sie alle nicht unrecht. Als Kurt Idrizovic das erste Mal davon gesprochen hat, seine Buchhandlung am Obstmarkt in fremde Hände zu geben, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu suchen, war das am Anfang des Jahres. Und er wollte damals bis zum Ende des Jahres den Wechsel vollzogen haben. Dann starb mit Siegfried Zagler ein Freund, Idrizovic half dessen Sohn. Es vergingen ein paar Wochen – und die selbst gesetzte Frist wackelte schon. "Es ist ja gar nicht mehr so viel Zeit, um jemanden einzuarbeiten", meinte Idrizovic Wochen später. Und jetzt? Drängen andere Sache heran. "Ich bin auch gerade viel mit Veranstaltungen beschäftigt", schreibt Idrizovic – und führt nur in Stichpunkten aus: "Kahnfahrt/Petkovic/Seligmann/Wolfzahnau". Dahinter setzt er einen lachenden Smiley. Es ist nicht so, dass ihn das stört. Das Gegenteil ist der Fall, genauso macht dieses Buchhändlerleben Kurt Idrizovic ja erst Spaß.

    Kurt Idrizovic gründete das Dreigroschenheft

    Er war über viele Jahre hinweg ja so etwas wie die öffentliche Anlaufstelle in Sachen Bertolt Brecht. Als die Wende die DDR hinwegraffte, verlor die Brecht-Pflege im Osten ihre staatliche Unterstützung. Die Chance ergriff Idrizovic. Er gründete 1994 das Dreigroschenheft, das Magazin, in dem fortan auch Brechtforscher publizieren konnten. Mittlerweile hat Idrizovic das Magazin abgegeben, Brecht ist er allerdings immer noch verbunden. Also veranstaltet er auch in diesem Jahr die "Kahnfahrt-Festspiele", bei denen nun Brechts Balladen im Mittelpunkt stehen. Das Publikum kommt, es müssen jetzt schon Zusatztermine aufgenommen werden, weil die ursprünglichen ausverkauft sind.

    Aber wie auf den Büchertischen in der Buchhandlung ist das Spektrum auch bei den Veranstaltungen weit. Es gibt am Sonntag, 26. Mai, einen literarisch-naturkundlichen Streifzug durch den Augsburger "Stadt-Urwald" unter dem Titel "Brecht sucht Wildkräuter in der Wolfzahnau". Einen Tag später, am Montag, 27. Mai, verwandelt Idrizovic das Café der Stadtbücherei für einen Abend in das Café Europa. Dort sollen Roman Deininger, seines Zeichens Chefreporter der Süddeutschen Zeitung, und der schwäbische SPD-Europawahl-Kandidat Jörn Seinsch über Europa und die anstehenden Wahlen sprechen. Eine Woche später veranstaltet Idrizovic eine Buchpräsentation mit Rafael Seligmann in der Stadtbücherei (4. Juni, Beginn um 19.30 Uhr). Das Gespräch führt dann Peter Müller, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen

    Schon immer hat Idrizovic Menschen zusammengebracht

    Noch lange bevor das neudeutsche Wort "Netzwerken" in den Sprachgebrauch eingesickert ist, hat Idrizovic genau das gemacht: Menschen zusammengebracht. Ob nun bei der legendären "Literatur im Biergarten", bei seinen Führungen oder im Literarischen Salon. Und die Buchhandlung ist der Dreh- und Angelpunkt. Dort gehen die verschiedensten Menschen ein und aus. Passionierte Leserinnen und Leser, Chefredakteure, Fußballtrainer, Gewerkschafter. Mit allen spricht Kurt Idrizovic, alle sprechen mit ihm. Und manchmal funkt es dort so, dass Veranstaltungen daraus entstehen. Den Ort, an den er mittlerweile oft dafür geht, die Stadtbücherei, hat Idrizovic maßgeblich mitgeschaffen, den hätte es ohne sein Engagement wahrscheinlich nicht in dieser Form gegeben.

    Wenn Idrizovic allerdings selbst zurückblickt und erzählt, kommt das Wort "Ich" kaum vor, erzählt er vor allem von anderen, die wichtig waren für all das. Zum Beispiel seine Mitarbeiterin Margit Miller, die sich immer um die Zahlen gekümmert hat, die aber auch ihre Ideen einbringen konnte. "Als ich ihm vorschlug, die Bücher anders zu präsentieren, uns von den Ikea-Regalen zu verabschieden, hat er mich einfach machen lassen", erzählt diese. Seit mehr als 20 Jahren gibt es nun die Büchertische, werden nicht Buchrücken, sondern die ganzen Cover gezeigt. "Eine Boutique für Bücher" hat Idrizovic das genannt.

    Ein Weltreisender wollte Kurt Idrizovic nie sein

    Wichtig für den Erfolg waren aber auch die Freunde, betont Idrizovic. Freunde, die ihn ermuntert haben, in die Öffentlichkeit zu gehen. Freunde, die ihm geholfen haben, die Filiale zu führen. Freunde, die ihn beraten haben, wie er als Selbstständiger für den Ruhestand vorsorgen muss und wie viele Jahre er sich das dann leisten kann. "Es wird so viel sein, dass ich mir meinen Kaffee im Kaffeehaus leisten kann", sagt Idrizovic mit einem Lächeln.

    Zum großen Weltreisenden hätte Idrizovic in seinem Ruhestand sowieso nie werden wollen. Verreisen in einem Buch? Gerne und immer und jederzeit. Tatsächlich aber die Koffer packen? "Ich habe pro Jahr vielleicht drei bis vier Tage Urlaub gemacht", erzählt er – und erinnert sich, wie er als Kind mit dem Bus nach Montenegro fahren musste zur väterlichen Verwandtschaft. "Die Reise war furchtbar, die Umstände eine einzige Zumutung", erzählt er. Das hat sich eingebrannt, ist ihm geblieben.

    Und doch denkt Idrizovic ans Aufhören, es arbeitet in ihm. "Ich möchte das machen, wenn ich das noch selbst bestimmen kann", sagt er. Das Geschäft sei gut aufgestellt, er würde seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger gerne noch einarbeiten. Aber groß Zeit zum Suchen hat er gerade nicht. Es steht gerade viel Organisationsarbeit für diesen Veranstaltungsreigen an in den nächsten Wochen. 

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