Schön zu hören, dass dem Theater und der Oper eine friedensstiftende Wirkung zugeschrieben wird. Jedenfalls war das der Aufhänger für den informativen Vortrag von Andrea Zedler im Augsburger Stadtarchiv. Die promovierte Musikwissenschaftlerin (Universität Bayreuth) hat jahrelang zur Verbreitung der Opera buffa in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Europa geforscht. Auch in Augsburg spielte die komödiantische Oper eine Rolle, vor allem die herumziehenden Theatertruppen verbreiteten die in Neapel entstandene und schnell beliebte Gattung.
Auf dem für 1761 geplanten großen Friedenskongress in Augsburg sollten viele der neuen Opern gespielt werden. 1761 tobte der – später der „Siebenjährige“ genannte - Krieg zwischen den Großmächten schon seit fünf Jahren. Unterhändler, Diplomaten und Politiker hatten für den geplanten Friedenskongress die Freie Reichsstadt Augsburg ausgewählt, hier sollten ab Juli des Jahres die vermutlich monatelangen Verhandlungen zwischen den damaligen Weltmächten stattfinden. Da aber die Politiker sich schon über die Vorfragen nicht einigen konnten, kam der weitgehend bereits vorbereitete Kongress nicht zustande und der Krieg ging weiter.
Opern als Zerstreuung für die feine Gesellschaft
Die Gesandten – darunter Giacomo Casanova als Unterhändler des portugiesischen Königs - hatten schon Wohnungen in Augsburg gemietet. Für diese Elite plante man abendliche Zerstreuungen, darunter Theater- und Opernaufführungen. In Casanovas Lebenserinnerungen wird eine 14-köpfige italienische Theatertruppe genannt, die hier vor Ort spielte, aber fast bankrott war. Und auch der Münchner Hofmusik- und Hoftheaterintendant Joseph Anton Graf Seeau hatte sich schon im Frühjahr an die Stadt Augsburg mit dem Vorschlag gewandt, die neuesten Opere buffe aufzuführen, so wie er es aus München kannte. Geeignete Räume waren damals vorhanden. Doch das 1739 für das Jesuitenkolleg St. Salvator errichtete Schauspielhaus in der Jesuitengasse wurde als nicht geeignet abgelehnt. Der Theaterstadel in der etwas anrüchigen Jakobervorstadt schien auch nicht würdig genug für die feine höfische Gesellschaft.
Seeau baute also ein eigenes Haus, das belegen Archivalien. Doch leider ist nicht bekannt, wo. Hier „hätte er mit Sicherheit das aktuelle Repertoire aus der Feder Baldassare Galuppis und Domenico Fischiettis in prächtigster möglicher Form“ spielen lassen, da ist sich die Referentin Andrea Zedler sicher. Doch für Opere buffe wurde es erst mal nicht genutzt. Denn nach Absage des Kongresses wurden Seeau nur noch geistliche Stücke genehmigt, die er aber nicht aufführen wollte.
Der Theaterunternehmer spielte auf eigenes Risiko
Die seinerzeit noch junge italienische Gattung der musikalischen Komödie war schon im Jahrzehnt zuvor in Augsburg populär geworden. Belegt ist der Besuch einer Kompanie durch die Korrespondenzen ihres Impresarios Giovanni Francesco Crosa, der mit seiner Truppe ab 1748 durch Europa zog und den „italienischen Exportschlager“ verbreitete. Der Theaterunternehmer spielte auf eigenes finanzielles Risiko, was manchmal auch hohe Schulden und damit verbundene Gefängnisstrafen bedeutete.
1755 bat Crosa um Spielerlaubnis in Augsburg, was zuerst vom Rat abgelehnt wurde. Crosa bewarb sich erneut um eine „concession“, im Herren-Stadel Opern aufführen zu dürfen. Sein schlagendes Argument: Eigentlich habe er abreisen wollen, aber „der hiesige Adel habe ihm ausdrücklich befohlen, zu spielen“, zitierte Zedler das im Archiv vorliegende Schreiben. Die Konzession wurde dann am 14. August 1755 tatsächlich gewährt und am 26. August für sechs Wochen verlängert. Musikalischer Leiter der Truppe war damals Pietro Pompeo Sales, der nach dem Gastspiel in ein festes Engagement als Kapellmeister des Augsburger Fürstbischofs Joseph Ignaz Philipp von Hessen-Darmstadt wechselte. Hier komponierte er neben Oratorien auch Opern.
Ein Dauerbrenner war die Oper „Orazio“
Anhand der Besetzungen und der Programmzettel verschiedener Orte konnte Andrea Zedler zeigen, dass Crosas Truppe etwa elf Opere buffe im Repertoire hatte, darunter den komödiantischen Dauerbrenner „Orazio“ von Pietro Auletta. Wie kreativ die Kompanie von Crosa mit dieser Vorlage umging, kann man an den zweisprachigen Libretti, die zu den Aufführungen fürs Publikum gedruckt wurden, sehen. Urheber- oder Aufführungsrechte gab es damals noch nicht. Und so wurden die Charaktere und Handlungen dem jeweils vorhandenen Personal, vor allem deren Stimmlagen, angepasst. Und auch die Musik entstammte nicht unbedingt der Feder nur eines Komponisten.
Mit Hörbeispielen und einfachen Grafiken, die die shakespeareartig verworrenen Liebeshändel des „Orazio“-Librettos aufzeigten, wusste die Musikwissenschaftlerin ihre Zuhörer zu fesseln. Dass sie leider aufgrund der Überlieferungslage nicht allzu viele konkrete Belege für die Augsburger Theatergeschichte mitbringen konnte, wurde durch die Einordnung in die europäische Aufführungspraxis in der Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als wett gemacht.
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