Diese Stadtbücherei verkörperte 2009 die Zukunft: Als Augsburg seine neue Bücherei am Ernst-Reuter-Platz bekam, waren die neuen Erkenntnisse und die neuen Anforderungen an öffentliche Bibliotheken Gebäude geworden. Architekt Stefan Schrammel hat eine öffentliche Bibliothek entworfen, in der es nicht mehr hauptsächlich darum ging, möglichst viel Regal, möglichst viel Stellfläche unterzubekommen. Vielmehr hat sich darin die Idee manifestiert, einen dritten Ort zu schaffen: ein öffentliches Gebäude, das als Begegnungsstätte dient, ohne dass dafür Geld ausgegeben werden muss.
Und heute, gut 15 Jahre später, hat sich dieses Konzept mehr als bewährt. Die Bücherei definiert sich nicht mehr nur darüber, wie viele Medien sie jährlich ausgeliehen hat, sondern gleichzeitig auch damit, wie viele Menschen sie aufgesucht haben. Und das sind viele. In Augsburgs Stadtbücherei finden jährlich mehr als tausend Veranstaltungen statt. Sie ist als Lernort gefragt, aber auch als Treffpunkt. Und Medien gibt es nicht mehr nur in haptischer Form, sondern auch digital zu beziehen.
Mit der neuen Stadtbücherei in Augsburg fing es für Schrammel Architekten erst an
Für Schrammel Architekten schloss sich 2009 mit der Fertigstellung der neuen Stadtbücherei aber nicht das Kapitel Bibliotheksbau, vielmehr ging es danach erst richtig los. Für viele andere Städte war der Neubau in Augsburg ein Muster, das in abgewandelter und angepasster Form auch anderswo verwirklicht werden sollte. Zu nennen sind da zum Beispiel Hanau, Düsseldorf, Mönchengladbach. Im Hirmer Verlag ist ein 340 Seiten starker Bildband erschienen, der in Text und mit vielen Fotos, Skizzen und Plänen die weiteren Bibliotheksbauten von Schrammel Architekten versammelt.
Jede Bücherei hatte dabei ihre Besonderheiten: In Hanau bestand die Aufgabe zum Beispiel darin, die öffentliche Bibliothek im zweiten Stock eines Einkaufszentrums unterzubringen. Zum einen war es wichtig, eine Grenze zum kommerziellen Raum zu ziehen, zum anderen allerdings auch, als öffentlicher Raum präsent zu sein und wahrgenommen zu werden. Deshalb bestand eine wichtige Aufgabe darin, einen ansprechenden Zugang zum Erdgeschoss sicherzustellen, was Verhandlungen mit dem Betreiber des Einkaufszentrums nach sich zog. Entstanden ist ein großzügiges Treppenhaus, das hinauf und hinunterführt. Man fühlt sich bei der Gestaltung sofort an Augsburg erinnert. Die kräftigen Farben, die wuchtige, offene Form, ist architektonische Handschrift geworden.
Wobei viel wichtiger als die ästhetischen Ähnlichkeiten die inhaltlichen Ideen sind: Büchereien heute dürfen nicht als starre Orte gedacht werden. Vielmehr müssen die Gebäude so offen konzipiert werden, dass sie sich auch neuen Anforderungen anpassen können. Dazu eignen sich große, zusammenhängende Flächen besser. Büchereien sollen einen dritten Ort im Stadtraum darstellen, nicht privat, aber auch nicht kommerziell genutzt. Zugänglich, ohne dass dafür Geld ausgegeben werden muss. Die Bücherei als sozialer Raum, als Ort, an dem sich die Stadtgesellschaft niederschwellig treffen kann.
Und Schrammel Architekten planen weitere neue Büchereien
Dies war zum Beispiel auch für die Planung in Düsseldorf wichtig, wo Schrammel-Architekten am zentralen Platz gegenüber dem Hauptbahnhof in einem bestehenden Gebäude eine großzügige Bücherei entworfen haben. Die Flächen dafür waren schon vorbereitet, das Augsburger Büro war gefragt, mit dem Düsseldorfer Stadtbücherei-Team ein Konzept zu entwickeln: Und man sieht, wie wichtig es heute für Architekturbüros ist, sich hineinzuarbeiten in die Materie, in diesem Fall das Büchereiwesen, moderne Stadtgesellschaften und die digitale Zukunft, und das alles neu für das 21. Jahrhundert zu denken.
In Zahlen liest sich das in Düsseldorf so: 7750 Quadratmeter, 260.000 Medien und 600 Sitzplätze. Letztere Zahl ist für viele Büchereien immer wichtiger geworden, viele Plätze anbieten zu können. Sie sind gefragt. "Als ich einmal an Weihnachten in der Düsseldorfer Stadtbücherei war, waren alle Plätze belegt", sagt Architekt Stefan Schrammel.
Das neue Buch im Hirmer Verlag stellt nur einen Zwischenstand dar. Denn die Arbeit des Büros an neuen Bibliotheken geht weiter: In Fürth und in Bremerhaven sollen neue gebaut werden, in Fürth ein dreigeschossiger, frei stehender Neubau auf einem ehemaligen Kasernengelände. Und in Bremerhaven ist das Konzept gerade ausgearbeitet, wird aber noch ein Standort gesucht. Dort wird der Industriehafen aber eingehen in die Gestaltung. Und: Es sollen echte Pflanzen in die Bibliothek hineingeholt werden. Das Architekturbüro hat in der Stadt zuvor recherchiert, was den Bürgerinnen und Bürgern an Bremerhaven besonders wichtig ist.
Schrammel Architekten: Bibliotheken; Hirmer Verlag, 340 Seiten, 45 Euro.