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Foto: Frank Jungmann
Foto: Frank Jungmann

Italopop-Götter aus Augsburg: Roy Bianco die Abbrunzati Boys.

Albumkritik
31.05.2024

Auf dem Sonnendeck des Lebens: Neues von Roy Bianco und den Abbrunzati Boys

Von Sebastian Kraus

2023 flutschten Roy Bianco & die Abbrunzati Boys mit süßem Italo-Pop-Schmalz an die Chartspitze. Kann auch ihr neues Album "Kult" so sehr entzücken?

Mit ihrem letzten Album "Mille Grazie" haben sich Roy Bianco & die Abbrunzati Boys schon prophetisch im Voraus dafür bedankt, was 2023 für ein rauschendes Jahr für das Augsburger Italo-Schlager-Phänomen werden sollte. Die Stadt war schon infiziert, spätestens mit der Nummer-1-Platte "Mille Grazie" dann das ganze Land, mit allen Konsequenzen: ausverkaufte Clubtour, große Festivals, TV-Silvestergala am Brandenburger Tor und als Ritterschlag die Aufnahmesessions im legendären Studio 2 der Abbey Road Studios. Dort schlummert der Geist der ganz Großen unter jeder Pianotaste. Allein für die Orchesterouvertüre zum letzten Song "Weiße Rosen" hat sich die Reise nach London gelohnt, angemessener kann die Eröffnung des großen Finales kaum klingen. Des Albumfinales, aber ebenso des Finales eines Konzerts, mit Lichtermeer, Feuerwerk und Konfettikanonen. 

Denn die Zeiten der Auftritte auf schief genagelten Palettenbühnen sind vorbei, aus der Nische machten sich die Abbrunzatis auf in die glitzernde Welt der Massenunterhaltung. Unübersehbar wie ein Koloss von einem Kreuzfahrtschiff vor den geduckten Häusern einer mediterranen Hafenstadt. Und so stechen sie mit der "MS Abbrunzatissima", beladen mit unzähligen Fans und haufenweise weißer Anzüge in See, um ihnen auf dem Sonnendeck des Lebens das neue Album zu kredenzen. Mit Trompetenfanfaren und Rockgitarren, die Kitschsoli spielen. Mit Midtempo-Stampfrhythmus und Zeilen wie "wenn mein Herz an deinem Felsen havariert". Mit so viel Ironie, dass man merkt, sie meinen es ernst. 

Die Abbrunzatis feiern sich als Kultband auf dem Album "Kult"

"Kult" (Electrola/Universal Music) heißt das Album, und das ist konsequent, denn mit weniger braucht man dem sonnenbebrillten Sextett nicht mehr kommen. Die Band baut auf das Image der Italo-Pop-Paten, die stets galant und ein wenig unseriös grinsend vor einem toskanischen Dorf stehen. Oder auf dem Markusplatz in Venedig. Das Image bestimmt die Texte, und die bestimmen den Sound. Es geht um eine Disko in Rimini, den Fahrtwind, der einem beim Vespa-Fahren um den Schnauzbart weht, um Jukeboxen, Santorin und - selbstverständlich - die schöne, weil glückliche oder schlimme, weil unerwiderte Liebe.

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys - Sophia Loren

Musikalisch fällt das immer wieder in die bekannte Kategorie "Schlechte Schlager gut gespielt", dazu gibt es aber wie bei "Bardolino" Zitate aus dem Pop von heute oder wie bei "Goodbye, Arriverderci" Anleihen vom großmäuligen Britpop der hedonistischen 90er-Jahre. Jene, die Roy Bianco und den Abbrunzati Boys wegen ihrer Roy-Biancohaftigkeit verfallen sind, werden sich "Kult" also freudestrahlend neben die zwei Vorgänger-LPs stellen. Aber ob da wieder die ganze Nation so mitgehen wird? Denn selbst der beste Witz ist irgendwann auserzählt und es lauert schon der nächste Kult an einer anderen Ecke, der dann durch die Festivals und über die Showbühnen rauscht. 

Roy Bianco und die Abbrunzatis huldigen auch Modern Talking

Aber vielleicht macht das auch gar nichts. Denn wenn sich der Wirbel mal gelegt hat, sich die Fans in Flensburg oder Halle nicht mehr so rasend für das nächste Album der Abbrunzatis interessieren sollten, dann gibt es hier immer noch genügend Menschen, die kleine Besonderheiten wie den flockigen Tango "Ich liebte die Musik", die aberwitzige Modern Talking-Hommage "Rimini Disco" oder die extrem coole Alleinunterhalter-Orgel von "Unter Palmen" zu schätzen wissen. Bis es soweit ist, denken die sechs Ragazzi aber groß.

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