Wer die Orchestermusik des Barocks, der Klassik, Romantik und Klassischen Moderne liebt, der befasst sich natürlicherweise auch mit den Zelebritäten, die diese Musik beleben, vermitteln, dank Handwerk und Genialität hier mitreißend, dort tief fühlend zu gestalten wissen. Aus dem Blickwinkel geraten dabei schnell jene Dirigenten, die anderes im Sinne tragen, die andere Funktionen und Aufgaben erfüllen – aber dennoch hingebungsvoll im Moment und beharrlich auf Dauer der Sache Musik dienen – und dabei auch Bedeutendes, ja Großes außerhalb des Kegels medialer Scheinwerfer vollführen. Mancher Kapellmeister, der aus Überzeugung die sogenannte Provinz mit Seele versorgt, ist dafür ein Beispiel – und mancher Barockspezialist auf den unterschätzten Seitenpfaden der Musikgeschichte. Und ein Beispiel – auf pädagogischer Ebene – ist Bernd-Georg Mettke, der seit 43 Jahren das Orchester der Universität Augsburg dirigiert – stets auf Gratwanderung zwischen dem musikalisch gerade noch Machbaren und der Erwartung an eine künstlerisch gültige Realisation.
An die 200 Studenten- und Alumnikonzerte hat er in diesen 43 Jahren geleitet, gut 1000 Studierende – darunter natürlich viele mit dem Fach Lehramt Musik – gingen dabei durch seine Hände. Mettke: "Ich hätte niemals tauschen wollen mit einem Kapellmeister an der Oper. Ein Grund dafür ist, dass ich hier in Augsburg Leidenschaft und Beruf vereinigte. An der Oper wäre es nur Beruf gewesen."
Bernd-Georg Mettke dirigierte Schwergewichte der Orchesterliteratur ebenso wie Uraufführungen
Auch mittlerweile angesehene Solisten konnte Mettke in seiner Position früh fördern: den Cellisten Maximilian Hornung etwa, die Geigerin Sarah Christian, dazu die Pianistin Evgenia Rubinova und den Pianisten Evgeny Konnov. Und auf dem Pult vor ihm lagen nicht selten die Schwergewichte der Orchesterliteratur wie Beethoven, Brahms, Dvořák, Liszt, Mussorgski, Rachmaninow, Schumann, Tschaikowsky – oder auch Heikles, Raffiniertes wie Ravels Klavierkonzert in G und Strawinskys "Pulcinella-Suite". Dazu noch Uraufführungen, etwa von Meinrad Schmitt.
Ob es auch mal ein Konzert gegeben habe, das er im Nachhinein lieber ungeschehen machen würde? – lautet die Frage an ihn. Nein, das nicht, sagt Mettke, aber Verzweiflung habe ihn im Lauf der Jahre durchaus mehrfach ergriffen – immer dann, wenn Orchestermusiker mit wichtigen Solopassagen kurz vor dem Konzert erkrankten und schnell Ersatz herbeigeschafft werden musste.
Die Aufführung der "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz war für Bernd-Georg Mettke ein Höhepunkt
Ob es dann, auf der anderen Seite, aber auch mal ein Konzert gegeben habe, bei dem Orchester und Dirigent gemeinsam abhoben und zum Fliegen kamen? Ja, das habe es, erklärt leuchtenden Auges Bernd-Georg Mettke – und verweist auf ein Programm mit Hector Berlioz' "Symphonie fantastique" im Jahr 2018. Mettke: "Das Orchester war äußerst engagiert; ich war davon tief beeindruckt – und selbst auch nicht ganz schlecht drauf."
Aber ganz abgesehen von diesem Höhepunkt: Es ist ein Segen für Augsburg und seine Universität, dass dieses Universitätsorchester mit derzeit rund 85 Orchestermitgliedern existiert. Hier üben Studierende des Lehramts Musik praktisch ein, was sie dann später – leitend – selbst erwarten von einem Schulorchester und/oder Schulchor; hier kommen – nach Probespiel! – auch Studierende anderer Fachrichtungen zum Zuge, derzeit etwa etliche begabte Medizinstudenten. Und hier, jetzt wird es ernst, ganz ernst, können auch jene Studenten des Leopold-Mozart-Zentrums (LMZ), die praktizierende Musiker werden möchten, erste Orchestererfahrung sammeln. Denn trotz gewichtiger Mahnungen gibt es nach wie vor am LMZ kein Sinfonieorchester für angehende Profis. Ein weiteres Unding in Fortsetzung des Skandals um die politische Abwicklung der Musikhochschule Augsburg vor Jahren.
Auch für solch ein Orchester wäre Mettke, der an der Uni zugleich Ensemble-Leitung, Grundlagen der Schlagtechnik sowie Tonsatz unterrichtete, infrage gekommen – rein der Leistung nach. Sein pädagogischer Eros, seine freundliche Motivationskraft, seine deutlichen Worte, sollten die Blechbläser in den hinteren Reihen mal kichern, seine künstlerisch-fachliche Autorität, seine Überzeugung, das Singen und das instrumentale Musizieren ebenso zu verknüpfen wie für sich selbst die Verbindung der jeweiligen Vorteile des chorischen und orchestralen Dirigierens, dazu sein Wille, sich stetig zu verbessern, all das sorgt für ein außergewöhnlich hohes künstlerisches Niveau – unterstützt übrigens einst durch den Mäzen Kurt Viermetz persönlich.
Doch nun wird der 1949 in Hessen geborene Mettke "sein" Orchester übergeben. Zuletzt, seit 2014, nach gut drei Jahrzehnten als hauptamtlicher Dozent am Lehrstuhl für Musikpädagogik, hatte er es noch als Lehrbeauftragter geleitet. Was ihm aber bleibt, das ist das (private) Augsburger Kammerorchester sowie das Collegium Vocale Friedberg. Da wird er weiterwirken als geschätzter Dirigent.
Mit einem Konzert verabschiedet sich Bernd-Georg Mettke als Dirigent des Universitätsorchesters
Seinen Abschied nimmt Bernd-Georg Mettke, der seine Arbeit 1979 im Konzertsaal an der Schillstraße aufnahm, am Mittwoch/Donnerstag, 18./19. Januar (20 Uhr) im Uni-Auditorium des Zentrums für Kunst und Musik – und zwar mit der neunten Sinfonie Antonín Dvořáks, die "Aus der neuen Welt", und mit dem Klavierkonzert in F-Dur von George Gershwin. Am Klavier: Evgeny Konnov, der auch schon Artist in Residence der Augsburger Philharmoniker war.
Sehr gut möglich, dass Mettkes Nachfolger an diesen beiden Abenden dann offiziell bekannt gegeben wird.