Auf was für ein Jahr schaut Marius Herb da zurück? Der junge Organist, der im Januar 20 Jahre alt wird, ist an der Hochschule für Kirchenmusik in Regensburg in sein siebtes und vorletztes Semester gekommen. Er hat sein Studium nicht mehr vor sich, sondern bald absolviert. Gedanklich beschäftigt er sich mit den Abschlussprüfungen und damit, wie es im Anschluss weitergeht. „Ich möchte unbedingt einen Master machen“, sagt er. Dazu möchte er an einer anderen Universität studieren und neue Anregungen als angehender Organist sammeln.
Vor viereinhalb Jahren, im Sommer 2015, als an dieser Stelle zum ersten Mal von Marius Herb zu lesen war, war Regensburg und das Studium dort noch ein Traumziel. Marius Herb war gerade dabei, seinen Realschulabschluss zu machen und bewarb sich parallel dazu an der Kirchenhochschule. Weil er dort im Anschluss tatsächlich einen Platz bekommen hatte, war er fortan einer der jüngsten Studenten. Mit Ende 16 wohnte Marius Herb unter der Woche allein im Studentenwohnheim, Erwachsenwerden im Schnelldurchgang. Als Gleichaltrige Parties am Wochenende im Kopf hatten, saß Marius Herb stundenlang an seinem Instrument zu Hause bei den Eltern und übte. Denn: Unter der Woche gab es dazu gar nicht so viel Zeit, weil der Stundenplan immer prall gefüllt war.
Marius Herb landete zuerst auf der Warteliste
In diesem Jahr hatte Marius’ Orgel-Professor Franz Josef Stoiber eine besondere Aufgabe bereit. Er überzeugte seinen talentierten Studenten, am internationalen Orgelwettbewerb in Wuppertal teilzunehmen. Erst einmal sah es so aus, als ob dieses Abenteuer nach einer kleinen Anerkennung ein schnelles Ende finden würde.
Nur zehn Organisten wurden aufgrund ihrer Bewerbungen zum Wettbewerb eingeladen. Marius Herb bekam die Nachricht, als Nachrücker auf Platz Nummer elf zu rangieren, beinahe gut genug für das Hauptfeld. Dann sagte tatsächlich jemand ab und Marius rutschte ins Hauptfeld hinein. Er musste nun tatsächlich sein Wettkampf-Programm einstudieren, nun trat auch dieser Ernst- und Ausnahmefall von Auftritt ein, den Marius Herb kennenlernen sollte.
Eine mehr oder weniger schlaflose Nacht vor dem Finale
Diese Wettbewerbstage in Wuppertal waren eine Mischung aus Anspannung und Müdigkeit. Gemeinsam mit einem Kommilitonen, der ihm assistierte, fuhr Marius Herb nach Wuppertal. Im ersten Durchgang überzeugte er die Jury zum ersten Mal und schaffte es ins Finale. Es folgte eine Nachtschicht an der Orgel, um sich auf das letzte Spiel vorzubereiten und die Final-Stücke zu orchestrieren. Nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht klappte am Finaltag erst einmal gar nichts mehr. „Beim Üben habe ich schlecht gespielt“, sagt er.
Nicht die besten Voraussetzungen für einen guten Auftritt – oder aber, genau die Erfahrung, die Marius Herb machen sollte. Denn abends beim Vorspiel ging es doch, und wie. Zwei Kaffee und einen Müsliriegel als Energiespritzen brachten ihn in Schwung. Das Reger-Stück, das nachmittags noch hakte, lief einwandfrei – und Marius Herb spielte nicht nur Noten, er war da selbst drin in der Musik. Der Rest hört sich märchenhaft an. Der jüngste Teilnehmer des Felds, der es als Nachrücker gerade so ins Hauptfeld geschafft hatte, bekam am Ende den mit 8000 Euro dotierten ersten Preis zugesprochen. In der Jury war auch der Kölner Domorganist Professor Winfried Böning, mit dem sich Marius Herb dort gleich auf Anhieb verstand. Seitdem überlegt er, ob nicht Köln eine Möglichkeit für sein Masters-Studium werden könne.
Marius Herb fängt als Organist an zu arbeiten
Kurz vor dem Jahresende traf Marius Herb eine Entscheidung, die seinem Professor in Regensburg nicht ganz so recht war: Er entschied sich, parallel zu seinen beiden Prüfungssemestern an der Musikhochschule eine feste Stelle als Organist anzunehmen. Bislang war Marius Herb Organist in seinem Heimatort Hirblingen, das hieß für ihn, dass er dort meistens an den Sonntagen die Messe an der Orgel spielte.
Nun fängt Marius Herb im Januar als Organist in St. Elisabeth in Augsburg an, eine hauptamtliche B-Stelle, wie er erzählt. „Ich sehe dort unendlich viel Potenzial für die Kirchenmusik“, sagt er. Das liege vor allem auch an der 2008 eingeweihten neuen Orgel, die zum Beispiel auch dem Kölner Domorganisten bekannt ist. Das Instrument hat einen außergewöhnlichen Prospekt, den der Künstler Andreas d’Orfey gestaltet hat – und sie klingt gut.
Für Marius Herb heißt das jetzt, dass sein ohnehin ziemlich durchgetaktetes Leben noch ein wenig intensiver wird. Er fährt künftig zwei Mal die Woche nach Regensburg und wieder zurück, weil er am dienstagabends und mittwochmorgens jeweils zur Messe spielen wird sowie am Freitag, Samstag und Sonntag. „Es ist doch gut, das, was ich im Studium lerne, gleich praktisch anwenden zu können“, sagt er.
Um die schöne Orgel von St. Elisabeth im Stadtteil und in der Stadt bekannter zu machen, möchte Marius Herb dort öfter Konzerte veranstalten. Sein Professor aus Regensburg habe ihm schon zugesagt, einmal in diesem Rahmen aufzutreten. Ein weiteres Anliegen ist es ihm, wieder mehr Sänger und Sängerinnen für den Kirchenchor zu gewinnen. Die Ideen sprudeln, wenn Marius Herb von der neuen Aufgabe berichtet.
Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass die Abschlussprüfungen anstehen. Um dort möglichst konzentriert lernen zu können, will er gleich am Jahresanfang die Liedpläne in St. Elisabeth für das nächste halbe Jahr schreiben. Und dann wird er sich bald wieder um seine Bachelor-Arbeit kümmern müssen, die er über ein noch nicht verlegtes und noch nicht gespieltes Werk des ehemaligen Augsburger Domorganisten Karl Kraft schreibt. Marius Herb wird es dann im Februar im Augsburger Dom uraufführen.
Serie
In einer Langzeitreportage begleiten wir seit 2015 drei viel versprechende Jugendliche aus der Region auf ihrem Weg zu den Künsten. Marius Herb, Luca Opic und Lukas Mayer haben damals gesagt, Organist, Schriftstellerin und Musical-Darsteller werden zu wollen. Luca Opic schreibt gerade nicht mehr an Büchern, deshalb setzen wir unsere Berichterstattung aus. Von Marius Herb und Lukas Mayer erzählen wir Ihnen jetzt wieder.