Um nur kurz hineinzulesen, dazu eignen sich die Prosa-Gedichte des in Augsburg wohnenden Lyrikers Knut Schaflinger, 1951 in Graz geboren, nicht. Dennoch geschieht es in Augenblicken, dass sich zu den Versen des Gedichtbands „Die Unentbehrlichkeit der Farben – Acht Übermalungen“ eigene Gedanken einfinden, so als male die Sprache Gedanken-Bilder. Ein Beispiel:
Mona Lisa spielt Harfe mit gepuderten Fingern. Ein Oratorium.
Das Gedicht gehört ins erste Kapitel „Weiß“, jener Farbe, die wie „Grau“ und „Schwarz“ nicht zu den Spektralfarben zählt, sondern eine unbunte Mischung aus Einzelfarben ist. Schaflingers Sätze gleichen diesem Mix, weshalb es gilt, beim Lesen dieser Form fein gesetzter Worte nachzuspüren und sie bei sich selbst zu verorten, etwa bei
Trägt der Baum Abendkleider steht er da in blühendem Weiß. Färbt ihm
Wind in die Röcke schüttelt sich ab. Laub im Herbst schon gefallen…
An überraschenden Zeilensprüngen darf man sich dazu nicht reiben:
…Von Raben besetzte Girlanden aus denen Ab
Schiede winken…
Wie bei „Weiß“ bleibt es für den Leser im Kapitel „Schwarz“ spannend, mit welch bunten Worten Gedichte wie „Der stille See ist ein schwarzer Rücken vom Vieh. Ein Nachtbild“ übermalt wurden, bevor die Blau-, Grün-, Gelb- und Rot-Kapitel tatsächlich farbige Gedanken auslösen. In „Ein Jahrhundertsommer“ klingt ab dem ersten Vers etwas im inneren Ohr:
Das Schilf. Seine singenden Stimmbänder am Ufer des Sees. Der hohe Ton
Den zwei Libellen später wie im Schubverband übers Wasser tragen werden.
Und im letzten, im Kapitel „Rot“, sehen, hören und lesen wir:
Munter erst geradeaus schauen und jemand sein der sagt die Wolken haben
ihren Stammplatz verloren. Auf dem Nachttisch muss ein Blatt Papier liegen
darauf seit Mitternacht ein buntes Horchen steht. Jetzt höre ich Vögel singen.
"Knut Schaflinger: Die Unentbehrlichkeit der Farben – 8 Übermalungen. Verlag Ralf Liebe, 82 Seiten 20 Euro