Der Andrang in der Pause ist immens. Eine Zuschauertraube bildet sich um Pianist Peter Michael Hamel und sein Instrument und hängt dem Meister an den Lippen, wie er über seine Klavierpräparierung und seine Kompositionskonzepte philosophiert. In der Tat beeindruckt das intelligente und zugleich alternative Herangehen ans Musizieren, welches der 72-Jährige an den Tag legt. Wer sich so intensiv mit der Musik verschiedenster fremder Kulturen beschäftigt und außerdem so stark von Freejazz und Neuer Musik beeinflusst ist, der ist von musikalischer Neugier und Unbefangenheit getrieben. Hamel zählt zu den wichtigsten deutschen Vertretern der Gattung World Music, arbeitete eng mit der berühmten Band Embryo zusammen und gab außerdem als Professor für Komposition in Hamburg sein Können an den Nachwuchs weiter.
Ein echter Top Act also im familiären Eukitea Theater in Diedorf, auch weil neben dem Altmeister noch Hamels Sohn Johnny und mit Njamy Sitson Augsburgs wohl bekanntester Weltmusiker und zugleich alter Freund des Theaters mitwirken.
Die Rhythmen überlagern sich meditativ
Sitson beginnt den Konzertabend solo mit einladend wirkenden afrikanischen Gesängen plus Trommeln, dann gesellt sich Johnny Hamel dazu. Eine noch etwas angespannt wirkende freie Improvisation der beiden Perkussionisten mit einzelnen das Stück umrahmenden Strukturelementen lockt nach 20 Minuten dann auch noch den väterlichen Pianisten auf die Bühne. Endlich entfaltet sich die Musik vollends, die so von ihren ewig stringenten Pattern lebt. Beinahe meditativ überlagern sich die Rhythmen, wechseln sich Gesangsfragmente mit Radiergummiklaviertönen ab, alles untermalt von Becken- und Gongklängen von Johnny Hamel, der allerdings immer noch mehr durch seine beachtliche Auswahl an Schlägeln beeindruckt als durch seine spielerische Raffinesse. Bei dieser Art Musik merkt man sofort, wer etwas zu erzählen hat, wer die Improvisation im entscheidenden Moment in eine andere Richtung führen kann, wer ein vollkommen angstfreies Selbstverständnis am Instrument besitzt. Noch dazu Ausstrahlung, Gestenreichtum, Bühnenpräsenz, das macht den wahren Meister eines Fachs aus, Sitson und Hamel senior haben das definitiv und junior wird das sicherlich auch noch lernen.
Nach der Pause kann dieser dann aber an der Darbuka im 7/8-Takt glänzen, welcher einer indisch inspirierten Komposition Peter Michael Hamels voller europäischer Melodiezitate als Basis dient. Sonst hat die Musik des Abends immer hörbar afrikanischen Einfluss, auch wegen Sitsons authentischem Instrumentarium, etwa Kalimba (Daumenklavier) und Ngoni (westafrikanische Laute), obwohl die Betitelung des Abends „Zwischen den Welten“ irgendwie eher nach einem Science-Fiction-Thriller klingt.
Es ist ein schönes Konzert, es gibt viel zu entdecken, einiges Unvorhersehbares überrascht positiv. Dennoch bleibt letztlich ein leicht provinzieller Beigeschmack – nicht uncharmant, aber auch nicht komplett befriedigend. Etwas überraschend deswegen die nicht enden wollende Euphorie des Publikums. Es bejubelt die Musiker im Schlussapplaus und nach der Zugabe und will sie am liebsten gar nicht ziehen lassen, obwohl Peter Michael Hamel schon mit dem Abbau der Instrumente beginnt.
Eine schöne Sache, das Eukitea Theater hat sein Publikum sehr gut erzogen und Diedorf wird seinem Ruf als sehr kunstaffiner Vorort Augsburgs wieder einmal gerecht.