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Augsburg: Unter Freunden: So war die Lesung von T.C.Boyle in Augsburg

Augsburg

Unter Freunden: So war die Lesung von T.C.Boyle in Augsburg

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    Autogrammstunde mit dem Autor: T. C. Boyle bei Bücher Pustet.
    Autogrammstunde mit dem Autor: T. C. Boyle bei Bücher Pustet. Foto: Michael Hochgemuth

    Wenn alte Freunde sich treffen, gibt es viel zu erzählen. Weißt du noch, damals … Damals zum Beispiel, 1992, als wir in dieser Buchhandlung in Heidelberg waren. Dein erster Besuch in Deutschland. Proppenvoll sei es gewesen, auch wenn der Freund als Autor damals noch gar nicht so bekannt war, erzählt Anna, das Gesicht fein umrahmt von kinnlangem mittlerweile grauem Haar. Und Tom, ihr alter Freund, der ihr gegenüber sitzt, das wuschelige Haar lichter, aber immer noch rotbraun, Sakko, T-Shirt, Jeans und rote Chucks, erinnert sich natürlich auch, macht einen kleinen Scherz. Weil kein Schauspieler da war, habe

    T.C.Boyle in Augsburg: 350 "Freunde" kommen zur Lesung

    Nun aber: Februar 2019, das Augsburger Mephisto-Kino, und da sitzen die alten Freunde nun also auf Einladung der Buchhandlung Pustet wieder zusammen auf der Bühne: Anna Leube, lange Jahre die zuständige Lektorin beim Hanser-Verlag, „ein treuer Groupie“, wie sie sich nennt, und Tom Coraghessan Boyle, der amerikanische Schriftsteller: Sie an diesem Abend die Moderatorin, er der mittlerweile x-fach ausgezeichnete internationale Literaturstar. Der Kultautor. Und mit ihnen: etwa 350 Freunde mehr ….

    So kann man die Leser von T.C.Boyle vermutlich schon nennen. Derart innig nämlich liebt ihn hier seine Fangemeinde, dass der neue Roman „Das Licht“ noch vor der englischen Originalausgabe auf Deutsch erschien. Ein Dankeschön auch an den Hanser-Verlag, wie T.C.Boyle sagt, weil er nicht wollte, dass seine deutschen Leser womöglich gleich die englische Ausgabe kaufen... Nach knapp zwei Wochen Lesetour durch Österreich, Schweiz und quer durch Deutschland, ausverkauften Abenden und langen Signierschlangen wie auch in Augsburg erst am Nachmittag in der Buchhandlung, dann noch abends im Kino, lässt sich der Dank in Zahlen ausdrücken: „I´m number one on the Spiegel-List“, sagt Boyle, spitzbübisch grinsend, freut sich im Übrigen auch sehr, dass Anna Leube ihn an diesem letzten Abend seiner Lesereise so wunderbar übersetzt: „Da lachen alle über meine Scherze zweimal.“ Erst in der englischen Version, dann in der deutschen.

    Ein Text, zwei Tonlagen, zwei Interpretationen

    Aber nun, zum Roman. „Es geht auch um Sex, ohne ihn macht er es nicht“, sagt Anna Leube … und T.C.Boyle lächelt breit. That what friends are for! Wovon das neueste Buch aber natürlich vor allem handelt: dem LSD-Guru Timothy Leary, der als Harvard-Professor Anfang der 60er Jahre einen Kreis Jünger um sich scharrte und Erleuchtung mit Pillen versprach! In sechs Stunden mit der Droge habe er mehr über Psychologie gelernt als in 15 Jahren als Professor, erklärt Leary seinen Studenten. Darunter auch ein Doktorand, der samt Familie dem Heilsversprecher erst nach Mexiko, dann ins feudale Kommunendomizil nach Milbrook im State New York folgt und auf der Suche nach Erkenntnis, nach Gott bzw. dem Licht die Kontrolle über sein Leben verliert. T.C. Boyle liest erst auf Englisch, spielerisch, fein modulierend, die Stimme viel jünger als 70 Jahre, dann führt der Schauspieler Matthias Klösel auf Deutsch mit deutlich mehr Wucht fort... bevor wieder T.C.Boyle übernimmt. Ein Text, zwei Tonlagen, zwei Interpretationen.

    Was ihn an Figuren wie Leary so fasziniere, möchte Leube wissen, charismatische Führer, wie er sie beispielsweise auch schon in seinem Roman über den Sexualforscher Alfred Charles Kinsey beschrieben hat? Ihm seien solche Menschen schon immer verdächtig gewesen, die anderen erklären, wie man leben soll, sagt T.C.Boyle, er schätze seine Unabhängigkeit. Wie gefährlich solche Typen denn auch werden können, sehe man gerade in Amerika: Applaus, als er, ohne den Namen Trump überhaupt genannt zu haben, vom Monster spricht, das nun die US-Demokratie übernommen habe...

    Gleichwohl: Mentoren, also gute „Gurus“, hätten ihn seinem Leben eine entscheidende Rolle gespielt. Angefangen vom Geschichtslehrer bis hin zu seinen Professoren beim Iowas Writers’ Workshop. Er selber habe seinen Lehrtätigkeit als Literaturprofessor an der University of Southern California mittlerweile aufgegeben, weil er keine Lust mehr habe, von Santa Barbara nach Los Angeles zu pendeln: „Aber wenn ich ein Guru für meine Studenten war, dann war ich hoffentlich ein guter Guru.“

    T.C.Boyle über Hermann Hesse

    Nun aber zu etwas ganz anderem, sagt Anna Leube, was sie ihn schon immer mal habe fragen wollen. Seine Meinung zu Hermann Hesse … „Der Steppenwolf“, faszinierend, auch heute noch, sagt T.C.Boyle, schwärmt dann auch von Günter Grass und seiner Blechtrommel und überhaupt von Autoren mit einer größeren Vision der Welt, die mit Humor und mit Ironie schreiben… woraufhin Anna Leube einhakt: Ironie und Hesse, das nun nicht! Was ihn und Hesse aber verbinde, der habe im Alter sehr gerne mit seinen Lesern korrespondiert, er mache das ja auch: per Twitter. Breites Lächeln wieder. „Ja, das macht Spaß, aber ich weiß, wo der Ausknopf ist.“ Wenn er nicht arbeite oder im Wald spazieren gehe und Selbstgespräche führe, müsse er schließlich Frau Boyle dienen! So geht es weiter, ernste Worte, Scherze, Lacher und Applaus, bis Anna Leube erklärt, nun sei der Abend zu Ende. „Aber ich dachte, wir machen noch sechs, sieben Stunden so weiter...“, sagt T.C.Boyle. Wie es eben ist, wenn alte Freunde sich treffen. Eigentlich will keiner gehen.

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