Der österreichische Autor Robert Seethaler gehört längst zu den festen Größen unserer zeitgenössischen Literaturlandschaft. Zu seinen größten Erfolgen zählt sein Text „Der Trafikant“. Ursprünglich als Roman konzipiert, später mit Bruno Ganz verfilmt und schließlich als beklemmendes Stationendrama von Seethaler selbst dramatisiert. Diese Bühnenfassung präsentierte die Landesbühne Rheinland-Pfalz nun in der Stadthalle Neusäß. Die szenische Einrichtung wie die Thematik sorgten für einen erlebnisreichen Theaterabend.
"Der Trafikant": Ein Stück österreichische Geschichte
„Der Trafikant“ erzählt ein Stück österreichische Geschichte und zugleich setzt er mehreren Erscheinungsformen unserer Kulturgeschichte ein Denkmal. Zuvorderst steht die Geschichte des Franz Huchel, der zur Zeit des Anschlusses von Österreich an das Deutsche Reich aus dem ländlichen Salzkammergut in das mondäne Wien kommt. Dort wird er in einer Trafik arbeiten.
Diese Lehre wird für Franz zur Initiation. Die Weltereignisse mit Judenverfolgung und Naziparolen öffnen ihm ebenso die Augen wie seine Gespräche mit Sigmund Freud, der in der Trafik täglich seine Zigarren kauft. Zudem begegnet ihm mit der leicht geschürzten Anezka die Liebe. Robert Seethaler bietet jedoch keine Hoffnung auf ein Happy End. Der Chef wird ermordet, Freud muss fliehen und Franz wird verhaftet.
Ein Denkmal für die Trafik
Als Struktur des Dramas dient das Medium der Postkarte. Die schreiben sich Franz und seine Mama jede Woche. Die Postkartenansichten prangen auch als Bühnenbild im Hintergrund. Damit wird „Der Trafikant“ zugleich zum Zeugnis einer Kulturgeschichte, die es im Zeitalter der Social Media so nicht mehr gibt. Doch trotz all dieser idyllischen Postkarten kann sich kein Postkartenidyll einstellen; die historischen Ereignisse stehen dagegen. Ein ähnliches Denkmal hat Seethaler mit seiner Geschichte bereits titelgebend gesetzt. Die Trafiken, jene Kioske für Tabak und Zeitschriften, sind längst zum Kulturzeugnis vergangener Tage geworden und werden wohl schon bald ganz verschwunden sein.
Wirkte die Inszenierung von Martin Pfaff zunächst ein wenig unterkühlt und holprig, so wurde der rasche Szenenwechsel auf der karg ausgestatteten Bühne bald zum Konzept, das mehr und mehr an Atmosphäre gewann. Dies galt auch für das fünfköpfige Schauspielensemble, das mit Ausnahme des Protagonisten Franz Huchel (glaubhaft naiv: Enrico Riethmüller) in raschen Wechseln in mehr als ein Dutzend Rollen schlüpfte. Mit viel Wiener Schmäh gefiel hier besonders Torsten Peter Schnick als Trafikant Otto Trsnjek. Stella Withenius erzielte durch ihre kokett, naiv anmutende Spielart als böhmisches Mädel Anezka jene Tragik, die Biografien wie der ihren innewohnen. Das Publikum war vom Bühnengeschehen spürbar angetan und bedankte sich mit großem Applaus für einen packenden Theaterabend.