Eine Pause? Gibt es nicht. Nach der letzten Vorführung ist vor dem Auszug. Die Scheinwerfer in der Brechtbühne sind schon abgehängt, die Tische in den Umkleiden bereits weggeräumt. Doch überall finden sich auch noch Spuren, dass hier bis zum Sonntag noch Theater gespielt wurde: die Perücke auf einem Tisch in der Maske, der Ablaufplan für das Ballett „Rock it“ oben bei der Technik, die Mahnung auf der Tür zur Bühne: „Bitte leise“. Fieberhaft wird auch jetzt, wenige Tage nach dem letzten Vorhang, in der Brechtbühne gearbeitet. Das Theater bereitet die Spielstätte für den Abriss vor. Alles, was in der neuen Brechtbühne im Gaswerksareal verwendet werden kann, wird mitgenommen.
Die Interimsspielstätte, so heißt es innen auf einem Hinweisschild für die Züge über der Bühne, die Interimsspielstätte ist tatsächlich ein Interim geblieben: eine Übergangs- und Zwischenlösung. Das hätten bei der Eröffnung der Bühne vor sechs Jahren wahrscheinlich niemand gedacht. Damals sah es so aus, als ob das Theater Augsburg in dieser Zwischenlösung bedeutend länger als die avisierten zehn oder fünfzehn Jahre spielen würde. Damals hat man vermutet, dass das Theater Augsburg so lange in der neuen Brechtbühne spielen würde, bis das Haus ähnlich marode wie das Intendanzgebäude oder das Große Haus dastehen würde. Also 20, 30 oder noch mehr Jahre.
Man musste sich arrangieren
Genau deshalb ist man immer mit gemischten Gefühlen in die neue kleine Spielstätte gegangen. Die Brechtbühne war ein Kompromiss – und nicht für die Ewigkeit geplant. Das Gewackel der Nebenleute in den Sitzreihen, die Kirchturmglocken, vor allem die Enge im Foyer, wenn die Brechtbühne ausverkauft war, damit musste man sich arrangieren. Für ein paar Jahre – okay. Aber für so lange, wie man anfangs vermutete?
Dagegen hatte die Brechtbühne auch Vorteile. Zugute halten musste man ihr, dass sich die Sichtverhältnisse im Vergleich zur Komödie vor allem in den hinteren Reihen deutlich verbessert hatte, dass die Stühle mehr Komfort boten, dass die Sommerhitze nicht mehr so drückend zu spüren war.
Die vollkommene Verwandlung
Und nun, sechs Jahre später, kommt schon auch etwas Wehmut auf, wenn diese Schauspiel-Bühne schließt. Die kleine Spielstätte hatte ihr eigenes Flair. Die Freitreppe etwa, diese Stufen hinauf ins Foyer – als eine Bühne, auf der die Zuschauer die Darsteller waren. Oder die vollkommene Verwandlung des Hauses am Ende der letzten Spielzeit von Juliana Votteler, als die Tribüne abgebaut war. Plötzlich war zu sehen, was für ein großer länglicher Saal das war. Man hätte solche Verwandlungen gerne öfter gesehen, doch für den normalen Repertoire-Betrieb wären diese umfangreichen Umbaumaßnahmen nicht zu stemmen gewesen, weil der Spielbetrieb immer über Tage hinweg unterbrochen gewesen wäre.
Natürlich stellt sich hinterher auch die Frage, an welche Theatermomente man sich erinnert. An den Auftakt ganz bestimmt. Denn gleich zur Eröffnung erlebte die Bühne ihre schönste Zeit, ein Theaterfest, wie es Augsburg Jahrzehnte nicht gesehen hatte. Die Bayerischen Theatertagen gastierten in der Stadt. Besser hätte künstlerisch eine neue Bühne nicht starten können. So viel Abwechslung, so viel Schauspiel in solch einer geballter Form – da war der Mai 2012 ein einziges Schauspielfest, das das Publikum in Bann zog.
Ein Publikumsrenner: der Brandner Kaspar
Natürlich gab es auch Inszenierungen des Theaters, die Eindruck hinterließen. Zum Beispiel die Erzkomödie „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“, mit der Schauspieldirektor Markus Trabusch seinen größten Publikumserfolg in Augsburg feierte. Diese Inszenierung aus dem Oktober 2013 ist übrigens noch ein Mal zu sehen – wahrscheinlich zum letzten Mal. Denn Trabusch hat diese immer ausverkaufte Produktion aus Augsburg mit nach Würzburg genommen, wo er jetzt Intendant des Mainfrankentheaters ist. Am 29. Juni ist die Inszenierung dort noch einmal zu sehen.
Ständig ausverkauft war auch Christian Weises „Faust“. An die Karten war kaum zu gelangen. Die Darsteller spielten mit dem berühmten Gründgens-Faust-Film, der auf mehreren Leinwänden parallel eingeblendet wurde.
Eine Oase des Wohlgeruchs
Große klassische Schauspiel-Stoffe wie Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht“ waren auf der Brechtbühne zu sehen, Gegenwartstheater in vielen Variationen, vom Dokumentartheaterstück „Operation Bigweek“ bis zur Theater-Performance „Mein Freund der Baum“. In dieser Spielzeit brachte Peer Rippberger in seinem „1968“-Abend neue Geruchswelten ins Haus: erst beizenden Tabakqualm, nach der Pause eine Oase des Wohlgeruchs.
In der Brechtbühne, die hauptsächlich von der Schauspielsparte genutzt wurde, war auch ein paar Mal Musiktheater geboten: Besonders augenfällig mit Hartmanns „Simplicius Simplicissimus“, für den das ganze Haus umgebaut wurde. Und das Ballett brachte ein Mal pro Saison eine Produktion in der Brechtbühne heraus: In dieser Spielzeit den rekordverdächtigen Abend „Rock it“, der noch vor der ersten Vorstellung komplett ausverkauft war.