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Theater Augsburg: "Endstation Sehnsucht": Eine Frau angelt sich einen Mann

Theater Augsburg

"Endstation Sehnsucht": Eine Frau angelt sich einen Mann

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    Ute Fiedler und Sebastían Arranz in „Endstation Sehnsucht“ im Theater Augsburg.
    Ute Fiedler und Sebastían Arranz in „Endstation Sehnsucht“ im Theater Augsburg. Foto: Kai Wido Meyer

    Ihr Heim, wo sie mehr hausen als wohnen, wirkt wie ein Spiegelbild ihrer inneren Verfassung: verfallen (dem Alkohol), demoliert respektive verletzt, angekokelt respektive entzündet. In dieses Heim regnet’s quasi dauernd rein. Wolfgang Menardi hat es mit tierischen, also animalischen Verweisen – und auch mit Hingabe ans Detail – auf die Brechtbühne Augsburgs bauen lassen, und zwar als „Endstation Sehnsucht“, mithin für Tennessee Williams drastisches Familiendrama.

    Die Musik macht's: So wirkt alles echt

    Es wirkt 100-prozentig, allein schon durch das, was sich die tragisch glückssuchenden Gestalten gegenseitig an den Kopf werfen oder zuflüstern. Ein Mangel an Unmittelbarkeit, Temperament, übersteigerten Hoffnungen existiert nicht – in Maria Viktoria Linkes Augsburger Inszenierung noch untermalt von einer Band, die die Hormon- und Gefühlshaushalte in Hardrock-Agitation, Blues-Trauer, finale Paranoia-Entrückung transformieren. Am Mikro stimmig: Lea Sophie Salfeld.

    Aber in erster Linie ist dieser Abend, der zweieinhalb Stunden einnimmt, trefflich mit Schauspielern im nahezu passgenauen Alter besetzt. Ute Fiedler gar läuft zu Hochform auf. Eben noch hat sie nicht passgenau die Big Mama in Williams „Katze auf dem heißen Blechdach“ gegeben, da ist sie mit viel Abendkleid- und Perückenwechsel die Blanche im gerade noch heiratsüblichen Alter. Allerdings wird nicht die Verzweiflungsbeichte zum Höhepunkt ihres Auftritts, da überzieht sie, sondern jene einstudierte wunderbare Theatralik, mit der sie sich einen Mann – den gutgläubigen Mitch – angelt. Da weiß der Zuschauer nicht, ob er lachen oder nicht doch trefflicher weinen soll. Perfekt.

    Erbarmen für diesen Mitch!

    Und einen so beeindruckend rüden, rüpeligen, obszönen, aber auch realitätsbewussten Schwager Stanley zeigt Sebastián Arranz, dass er fast schon festgezurrt scheint für die Zukunft auf Bösewicht-Rollen. Ihm gegenüber ist der gehemmte, grundredliche Mitch ein Warmduscher. Nur der Poker verbindet die beiden. Ferdinand Dörfler spielt diesen Mitch, dass sich das Publikum erbarmen darf über so viel Schüchternheit eines Prackls von Mann.

    Dagegen ist die unterdrückte Stella, diese geduldige, diese tolerante Schwester Blanches, geradezu die Selbstsicherheit in Person. Jessica Higgins verleiht ihr – bei aller sexuellen Hörigkeit – so viele ausgleichende Kräfte, wie in diesem Stück überhaupt noch möglich sind. Der Abend endet fürs Publikum mit Gewinn – und mit der Psychiatrie-Einlieferung von Blanche.

    Nächste Aufführungen: 26. und 27. Februar, 11. März. AZ

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