Ein zweites Mal hatte die königlich bayerische Regierung keine Geduld mehr mit den Schwaben. Bereits im Jahr 1830 hatte sie alle Bezirke, die damals „Kreise“ hießen, aufgefordert, historische Vereine zu gründen mit dem jeweiligen Regierungspräsidenten an der Spitze. Die Schwaben widersetzten sich. Johann Nepomuk von Raiser legte auf 14 Seiten dar, was er seit 1819 schon alles diesbezüglich im Oberdonaukreis bewerkstelligt hatte: eine lose Arbeitsgemeinschaft, eine Zeitschrift, ab 1822 das Antiquarium Romanum in Augsburg und ab 1828 das Historische Altertums-Bureau als Unterbehörde der Kreisregierung.
Allein, es half nichts: König Ludwig I. war entschlossen, im zusammengewürfelten neuen Staatsgebilde ein gesamtbayerisches Nationalgefühl zu stiften, indem seine Untertanen mit der glorreichen Landesgeschichte vertraut werden sollten. 1833 kam aus München die unerbittliche Anweisung nach Augsburg, endlich den Historischen Verein für Schwaben zu gründen, was am 11. September 1834 erfolgte.
Einer der ältesten Geschichtsvereine in ganz Deutschland
Angesichts dieser Vorgeschichte wagt es der junge Historiker Gregor Jakob, von einem der ältesten Geschichtsvereine in ganz Deutschland zu sprechen. Im Stadtarchiv gab der Doktorand eine Zwischenbilanz seiner Forschungen, wozu er erstmals die Depotbestände des Vereins auswertet, die im Stadtarchiv auf stolzen 50 Regalmetern bisher unentdeckt ruhten. Was war nun der Historische Verein für Schwaben: eine inoffizielle Staatsbehörde oder eine freie bürgerlicher Vereinigung? Beides zusammen, urteilt Jakob. Denn im Laufe des 19. Jahrhunderts zog sich der Staat mehr und mehr zurück und der Verein verlegte sich vom Sammeln und Dokumentieren von „Altertümern“ mehr auf Historiografie und gesellige Vermittlung der Geschichte.
Zunächst genoss der Verein jahrzehntelang einen enormen politischen Stellenwert. 42 Prozent seiner anfangs 1119 Mitglieder waren Beamte. Der Verein erfüllte die Aufgaben eines Denkmalamts, systematisch erfasste er die schützenswerten Objekte, leitete Erhaltungsmaßnahmen in die Wege, baute ganze Ruinen wieder auf und veranlasste archäologische Untersuchungen. Alle diese Erträge wurden in der Zeitschrift beschrieben und wenn sie nur alt genug erschienen, oft als römische Relikte gedeutet.
Die Beamten hatten sich aus dem Verein auf 17 Prozent der Mitglieder zurückgezogen
Das Augsburger Maximilianmuseum verdankt seine Gründung 1855 dem Verein und seinen Sammlungen, die aus Ankäufen („mit großen Summen“), von privaten Gönnern und aus eigenen Grabungen stammten – mit denen schon 1846 Seine Majestät Ludwig I. bei einer Visite „sehr zufrieden“ war. Das didaktische Konzept des Museums erregte laut Gregor Jakob Aufsehen in ganz Deutschland. Als 1909 das Maxmuseum mit neuer Aufstellung wiedereröffnete, stand es in städtischer Verwaltung und der Historische Verein war nurmehr Leihgeber.
Die Beamten hatten sich bis auf 17 Prozent der Mitglieder zurückgezogen. Schon 1887 hielt es Regierungspräsident Wilhelm von Pechmann für überlebt, Vereinsvorstand qua Satzung zu sein. Im Deutschen Kaiserreich wurde ein anderes Nationalgefühl als ein bayerisches erweckt. Der Verein entwickelte sich zum Volksbildner und zog mit historischen Vorträgen und kleineren Ausstellungen durch den Bezirk, abgefallen war alles Behördliche. In seinen Publikationen zeigten sich vermehrt lokalpatriotische Züge vor allem mit Augsburger Prägung: die goldene Zeit der Reichstage und die römische Vergangenheit als Ausweis lang zurückreichender Zivilisation.
In einigen Vitrinen zeigt das Stadtarchiv im Textilviertel bis auf weiteres Dokumente des Vereins.