Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Staatstheater Augsburg: Brechtbühne im Gaswerkareal: Nur blasse Romangespenster in der Bovary-Premiere

Staatstheater Augsburg

Brechtbühne im Gaswerkareal: Nur blasse Romangespenster in der Bovary-Premiere

    • |
    Ute Fiedler, Karoline Stegemann und Jeanne Devos in "Bovary, ein Fall von Schwärmerei".
    Ute Fiedler, Karoline Stegemann und Jeanne Devos in "Bovary, ein Fall von Schwärmerei". Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Sechs Schauspieler in Weiß, sechs unbeschriebene Blätter, die etwas von Madame Bovary erzählen wollen. Gleich zu Beginn hört das Publikum einen Satz, der im Grund eine unverhohlene Warnung ist. "Der Stoff ist bekannt." Was ja zu Ende gedacht bedeutet, dass sich das Publikum selbst aus allem einen Reim machen soll. In dieser Konsequenz geht es in der deutschsprachigen Erstaufführung von Ivana Sajkos "Bovary, ein Fall von Schwärmerei" in der Brechtbühne des Staatstheaters Augsburg weiter.

    In der Einführung hat die kroatische Dramatikerin noch erklärt, dass ihr Kniff für ihre Flaubert-Überschreibung darin liege, dass sie Madame Bovary in die Gegenwart hole, dass ihre überzogene Vorstellung der Liebe nicht durch Romane, sondern die Popmusik zustande komme. Madame Bovary sei auch deshalb eine moderne Gestalt, weil sie sich so langweile. Rund 75 Minunten später hat das Publikum erstaunlich wenig Popmusik gehört, dafür allerdings einen Eindruck bekommen, dass Langeweile in Zeiten – in denen sich alle nach Entschleunigung sehnen – tatsächlich möglich ist. Dass die Schauspieler beim Schlussapplaus noch so weiß wie zu Beginn sind, verrät auch, wie wenig Spuren die Zeit dazwischen hinterlassen hat.

    Sie schluckt Gift, er stirbt an Kummer

    Zu Flauberts Zeiten Mitte des 19. Jahrhunderts war der Roman ein Skandal, weil dort öffentlich erzählt wurde, was meistens nur im Geheimen geschah: Monsieur Bovary liebt seine Frau, Madame liebt andere Männer. Im Buch endet das in einer Katastrophe, sie schluckt Gift, er stirbt an Kummer. Mehr als 150 Jahre später führen solche Plots nur noch vor das Familiengericht. Alles nicht mehr so schlimm.

    Was hat Flauberts "Bovary" der Gegenwart also zu sagen? Die Antwort bleibt Sajko in der Inszenierung durch Nicole Schneiderbauer schuldig. Die allermeiste Zeit spielen die Schauspieler nicht die Figuren des Romans, sondern erzählen von ihnen – und das mit einer Distanz, die alle Emotionalität abwürgt. Hier Bovary und der Marquis, dort Bovary und Leon, immer wieder Bovary und ihr Tod, dazwischen der Landarzt Charles Bovary, der einen Klumpfuß völlig falsch behandelt. Allerdings beschwört diese Bovary-Adaption nur blasse Romangespenster.

    Dieses Erzähltheater, das viel wert auf genau abgezirkelte Bewegungen legt, das manches Mal wie ein Schachspiel anmutet, kommt nie richtig in die Gänge und lässt das meiste als bloße Behauptung stehen. Man spürt nichts von einer schwärmenden Frau, es wird nur behauptet, dass die Liebe ihr etwas bedeute. Natürlich kommt man so auch nicht ins Schwärmen. Das gelingt an diesem Abend nur der Bühnen- und Kostümbildnerin Miriam Busch, die einen zauberhaften Rahmen für diese Nicht-Begegnung schafft – unten Parkett, darüber ein verwunschener Baldachin aus Blauregen. Der Rest ist bekannt, den Reim bleibt man schuldig.

    Weitere Aufführungen am 17., 19. und 24. Januar, 7.und 21. Februar, 3. März, 4. April, 11. April und 5. Juni auf der Brechtbühne im Gaswerksareal.

    Zum Vorbericht der Premiere "Bovary, ein Fall von Schwärmerei" kommen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden