Weit entfernte Blitze widerscheinen im wolkenverhangenen Gewitterhimmel, der Donner ist nur ein zu erahnendes Grollen: Wetterleuchten ist ein beeindruckendes Naturschauspiel. Und vielleicht der Grund, warum Nick Herrmann sein Leben der Musik verschrieben hat. Als er vor vielen Jahren mit seiner damaligen Schulband Tuesday’s Memory vor 500 Mitschülern spielte, leuchtete der Himmel zu ihren progressiven Rocksongs und schuf eine Atmosphäre, der sich der junge Schlagzeuger nicht mehr entziehen konnte. Wobei, Herrmanns Weg zum Multiinstrumentalisten, Komponisten und Produzenten mit einem einzigen Gewitterabend zu erklären, wäre doch zu kurz gegriffen.
Von Anfang an war er in seinem Elternhaus von Musik umgeben und wurde schon mit sechs Jahren von seinem Vater am Schlagzeug „ohne viel Notenlesen zum Groove gebracht“, während sich Altersgenossen noch mit der Blockflöte herumschlagen mussten. Am väterlichen Flügel ging die musikalische Entdeckungsreise weiter. Beim Herumprobieren stieß er auf einen zarten, melancholischen Klang, der ihn berührte. Herrmanns Vater konnte ihm erklären, dass hinter diesem Akkord eine Subdominante in Moll steckte. Und Nick Herrmann dachte sich nicht „Aha, Subdomiwas? Na, egal...“, sondern bildete den Wunsch aus, „die Struktur hinter der Musik zu verstehen“.
Das Autodidaktische zieht sich wie ein roter Faden durch Nick Herrmanns Entwicklung
Lehrer wie der Komponist und Pianist Peter Gampl prägten ihn fortan und gaben ihm Halt und Richtung, aber das Autodidaktische zieht sich wie ein roter Faden durch Herrmanns Entwicklung: „Ursprünglich komme ich vom Hinhören, vom Ausprobieren und der Frage, wie viel ich meinem Ohr zutrauen kann.“
Eine Herangehensweise, die auch seinen Einstieg in die elektronische Musik sowie die Produktion prägte. Eigentlich wollte er auf dem alten Atari nur eine Runde des Kanonenspiels „Ballerburg“ zocken, öffnete stattdessen versehentlich die Musiksoftware Cubase und damit eine weitere Tür zu einer völlig neuen Klangwelt. Doch was ist Musik schon, wenn man alleine vor dem Rechner oder an den Kesseln sitzt? Nicht viel, daher befolgte er einen Ratschlag, den er heute selbst gerne an Nachwuchsmusiker weitergibt: „Es ist cool, mit sehr vielen Menschen Musik zu machen, fruchtbar zu sein und die Musik zu teilen.“
Den Studiokomplex „Frequenzgarten“ in Augsburg-Oberhausen teilt er sich mit seinem Vater und Freunden wie Vincent Semlinger oder den Kollegen von John Garner, für die er auch auf der Bühne am Schlagzeug sitzt. Seine gefühlt 1000 Projekte betreibt er mit langjährigen Wegbegleitern wie Gitarrist Silvan Lackerschmid und vielen anderen aus der hiesigen Szene.
Nick Herrmanns Mitgefühl gilt den Veranstaltern und Roadies
Der 30-Jährige „formt gerne im Team gemeinsam den schönsten Sound“, er hört und spielt adaptiv und banddienlich. Nick Herrmann sagt, dass er nicht im Rampenlicht stehen muss, und er zeigt, dass ihm bewusst ist, wie viele Menschen dazu beitragen, dass eine Band erfolgreich ist und live spielen kann. So gilt sein Mitgefühl in der aktuellen Situation vor allem den Veranstaltern, Roadies und Mischern, „Leuten, die noch stundenlang arbeiten müssen, wenn ich schon längst aufgetreten bin“. Er selbst ist froh, dass er im Moment im Studio arbeiten, seine Klangästhetik weiterentwickeln und neue Musik schreiben kann.
Und davon gibt es jede Menge, zum Beispiel von dem Lofi/JazzHop-Projekt mit Semlinger unter dem Namen Nick Mosh/Half Empty. Verschleppte, entspannte Beats mit viel Raum, Hall und Atmosphäre untermalen zurückhaltende Klavierfiguren, Musik wie gemacht für diese unfreiwillig ruhige Zeit. Er produziert das kommende Album von Lienne und arbeitet mit Lilla Blue, der Band von Julia Kratzer, an einer neuen EP. In den nächsten zwei Wochen allein gibt es vier neue Veröffentlichungen, an denen er entscheidend beteiligt ist, darunter die neue Single des Augsburger Rap-Königs Errdeka und eine EP des Projekts Lownas.
Die Hingabe an seine Kunst und das Prinzip, „Musik, die man schreibt, ohne zu zögern schnell rauszuhauen“, werden sich nicht ändern, solange Nick Herrmann Tasten, Saiten und Regler bedienen kann. Und jeder neue Song wird den Himmel über der Stadt wie ein Wetterleuchten erhellen, zuerst die dunklen Pandemiewolken und dann, hoffentlich sehr bald, den Nachthimmel über irgendeiner Festivalbühne.
Unsere Serie "Junge Künstler" erscheint einmal die Woche. Weitere Folgen finden Sie hier:
- Augsburger Jazzpianist Lukas Langguth macht von sich hören
- Musik für die Augen: Filmemacher Michael Gamböck reizt Sinnesgrenzen aus
- Die Augsburger Sängerin Lienne packt mit ihrer Stimme
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