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Staatstheater Augsburg: Sein Deutsch klingt nach Wagner

Staatstheater Augsburg

Sein Deutsch klingt nach Wagner

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    Sein Deutsch klingt nach Wagner
    Sein Deutsch klingt nach Wagner

    Ein bisschen Zeit muss sein, auch wenn dieser Liederabend für den Bariton Wiard Witholt mit viel Vorbereitungsarbeit verbunden ist. Der 40-jährige Sänger, der in Holland geboren ist, überzeugt in Augsburg gerade als Papageno in der Zauberflöte-Inszenierung des Staatstheaters. Dort auf der Bühne ist er ein Suchender. So weit ist er damit von seinem Liederabend-Programm gar nicht entfernt, erzählt Witholt, wiewohl es Unterschiede gebe. In der „Zauberflöte“ singt er auf Deutsch, im Liederabend ausschließlich auf Französisch. „Es sind Lieder, die von der Suche des Menschen handeln“, sagt Witholt. Der Mensch als das Wesen, das sich erst finden muss, das sich auch neu erfinden kann. Und wenn Witholt dann von sich erzählt, ist auch zu hören, dass das natürlich auch für ihn gilt, etwa in dem Moment, als sich ihm eine unglaubliche Aussicht auf einen großen Karrieresprung bot, der sich von einem Moment auf den anderen aber wieder zerschlagen hat.

    Das war zu der Zeit, als Witholt in Paris im Opernstudio war. Er ein junger Sänger in Ausbildung, der dort alles aufsog, was das Haus ihm bot. So gerne Witholt selbst singt, so sehr liebt er auch als Zuhörer die Musik. Die Oper in Paris bot ihm dafür beste Voraussetzungen, eine Zeit, die unglaublich intensiv, wichtig und prägend für Witholt war, wie er erzählt.

    Witholt und das antiquierte Deutsch

    Damals zum Beispiel lernte er seinen Lebensgefährten Alejandro Marco-Buhrmester kennen, der ebenfalls am Staatstheater Augsburg engagiert ist. Getroffen haben sich beide auch deshalb, weil Witholt ein passionierter Wagner-Liebhaber war und ist. Früher in seinen Jugendtagen zum Beispiel hatte er Zeitungen ausgetragen und die hundert Gulden im Monat immer sofort in neuen Schallplatten angelegt, zum Beispiel Wagner-Aufnahmen.

    Als nun an der Pariser Oper „Parsifal“ gegeben wurde, musste sich Witholt das selbstverständlich ansehen. „Alex sang darin Amfortas“, erzählt Witholt. Alex, das ist Alejandro Marco-Buhrmester, der wiederum ein Faible für Barock-Opern hat, und sich deshalb in Paris Purcells „Dido und Aeneas“ ansah, die Oper, in der damals Witholt als Hexe zu sehen war. Wenig später setzte die gemeinsame Geschichte von Witholt und Marco-Buhrmester ein. Und Marco-Buhrmester fiel sofort dieses komische, antiquierte Deutsch auf, das Witholt sprach: „Du sprichst wie Wagner“, bekam er zu hören. Womit wiederum deutlich wurde, wie groß der Einfluss war, den die großen Wagner-Werke auf Witholt hatten.

    Der Bariton Wiard Witholt gehört seit 2017 zum Augsburger Opernensemble. Er ist zurzeit in „Dalibor“ (links oben) und „Die Zauberflöte“ (rechts oben) zu sehen, vergangene Spielzeit sang er u. a. in „Solaris“ (rechts unten).
    Der Bariton Wiard Witholt gehört seit 2017 zum Augsburger Opernensemble. Er ist zurzeit in „Dalibor“ (links oben) und „Die Zauberflöte“ (rechts oben) zu sehen, vergangene Spielzeit sang er u. a. in „Solaris“ (rechts unten).

    Opernintendant war damals Gerard Mortier, von dem Witholt auch heute noch sofort ins Schwärmen kommt. Irgendwann sei dem Intendanten aufgefallen, dass Witholt jede freie Minute im Pariser Opernhaus verbrachte, sich dort alles ansah, solange er nicht selbst üben und auftreten musste. Das führte zu einer spontanen Einladung zum Essen. Dort wollte der Intendant von dem angehenden Sänger wissen, was er über die Oper in Paris dachte, welche Ideen er hatte, wie er Kollegen einschätzte. Mortier hörte dem angehenden Sänger zu. 

    Mortier sollte damals die Oper in New York übernehmen. Zwei Jahre lang bereitete dieser sich akribisch darauf vor. Er fragte Witholt, ob er sich vorstellen könne, dort zum Ensemble zu gehören. Was für eine Aussicht! „Aber dann kam die Finanzkrise“, erzählt Witholt. Mortier verzichtete auf die Stelle, weil dort stark gespart werden musste. Er ging stattdessen nach Madrid, hatte dort aber kein festes Ensemble mehr. „Für eine Aufführung verpflichtete Mortier Alex und mich in Madrid.“ Aber der New-York-Plan hatte sich zerschlagen und Witholt musste wieder suchen.

    Sein Weg hat ihn nicht in den Westen über den Ozean in die USA, sondern in den Osten geführt, er wurde von André Bücker als Ensemblemitglied für das Anhaltische Theater in Dessau verpflichtet. Daneben führten ihn Gast-Engagements nach Lüttich, Straßburg und nach München an die Staatsoper. 

    Das Yin-und-Yang-Prinzip

    Und jetzt, also seit mehr als einem Jahr, Augsburg. „Es trieb uns beide in den Süden“, sagt Witholt. „Augsburg war eine gute Entscheidung.“ An Umziehen möchte Witholt überhaupt nicht mehr denken. Er ist heilfroh, dass jetzt für alles ein Platz gefunden ist, etwa die umfangreiche CD-Sammlung. 

    Die Zeit in Paris hat Witholt aber nicht vergessen. Auch deshalb gibt Witholt am Freitag, 11. Januar, einen französischen Liederabend, auf den er sich akribisch vorbereitet hat. „Ich möchte da nicht einen Zyklus wie die Winterreise singen, ich möchte etwas Persönliches vortragen.“ Stücke, die ihn schon lange beschäftigen, und Werke, die er in einen raffinierten Bezugsrahmen setzt. Denn in diesem Liederabend hat er nicht nur Lieder zusammengestellt, die ihm gut gefallen, sondern die gleichzeitig in einem eigenen Bezugsrahmen zueinanderstehen. Im ersten Teil – Witholt nennt es den „Nachtteil“ – steht das Verlaine-Gedicht „Claire de Lune“ in Fauré-, Diepenbrock- und Debussy-Vertonungen im Mittelpunkt, im zweiten Teil, dem „Tagteil“, bekommt der Mensch einen tierischen Spiegel vorgehalten. Witholt hat traurige und komödiantische Musik ausgewählt, Gegensätzliches, das für ihn eine Einheit gibt: „Das Yin- und-Yang-Prinzip“, sagt er. Damit das Publikum alles versteht, hat er eine Übersetzung aller Lieder in Auftrag gegeben, die im Programmheft zu finden sein wird. Der Pianist Ted Ganger wird vor den Stücken kurze Einführungen geben. Witholt möchte die Barrieren für das Publikum so niedrig wie möglich halten.

    Was er sich wünscht für diesen Abend? – „Publikum!“

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