„Sie gingen fort … und kamen nicht wieder.“ Leuchtend huscht der Satz über die Hauswand. Wie eine wehmütige Erinnerung an eine glücklichere Zeit. Oder eine Anklage, dass es auch hier passiert ist. Hier in der Ulmer Straße, hier in Kriegshaber sind jüdische Mitbürger verschwunden. Die Wiener Aktionskünstlerin Julia Starsky bringt die Erinnerung für eine Nacht wieder zurück.
Einen lichtstarken Projektor hat sie auf die Pritsche eines Lastwagens montiert. Sie kann den Lichtstrahl in alle Richtungen lenken: links und rechts, auf und ab. Ihren Textbotschaften entgeht niemand in dieser Nacht. Es sind Zitate aus den Erinnerungen ehemaliger Bewohner von hier. Aber auch aktuelle Fragen an das Selbstverständnis der Besucher („Wer sind wir?“, „Wer wollen wir sein?“, „Wie wollen wir zusammenleben?“) der Ausstellungseröffnung, die neben dem Lastwagen herlaufen auf dem langen Weg von Kriegshaber bis zum Rathausplatz.
Die Aktion mit Starsky gehört zum Konzept der Leiterin des Jüdischen Museums, Barbara Staudinger, in die Stadt hinaus zu wirken. „Kunst ist für alle da“, sagt sie. „Die jüdischen Kinder sind nicht mehr da – aber die Flucht von Kindern hält an.“ Beeindruckende Momente von suggestiver Kraft ergeben sich auf dem Weg. In unzähligen Wiederholungen steigt das Wort „Flucht“ den Kirchturm von St. Thaddäus hinauf und das Wort „Untergang“ leuchtet über der Oberhauser Bahnunterführung auf. Anwohner werden durch die Projektionen aufmerksam, neugierig lugen sie aus den Fenstern, von den Balkonen oder stehen an der Türe. Mit der Empathie, für die Starsky wirbt, ist es allerdings nicht immer weit her. Kneipengäste am Helmut-Haller-Platz spotten: „Seid ihr alle auf der Flucht?“ Nein, aber bei den Geflüchteten.