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Friedensfest: Picknicks statt Friedenstafel: Neue Rituale beim Friedensfest

Friedensfest

Picknicks statt Friedenstafel: Neue Rituale beim Friedensfest

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    Das Harrycane Orchestra wird im Rahmen des Festivals der Kulturen mit Arabic-Jazz in Augsburg auftreten.
    Das Harrycane Orchestra wird im Rahmen des Festivals der Kulturen mit Arabic-Jazz in Augsburg auftreten. Foto: Max Saufler

    Passender hätte das Rahmenthema „Rituale“ für das Friedensfest-Programm 2020 nicht ausfallen können. Denn gerade die Corona-Pandemie stellte lieb gewonnene, alltägliche Rituale infrage: den Handschlag, die Umarmung, den Wangenkuss. Rituale zur Bestattung wurden beschnitten, Hochzeiten mussten aufgeschoben werden. Warum all dies uns abgeht, kann Christiane Lembert-Dobler, die Leiterin des Augsburger Friedensbüros erklären: „Rituale sind wichtiger Bestandteil der menschlichen Kommunikation und damit ein tragendes Element des Zusammenlebens.“

    Was es mit ihnen auf sich hat und wie sich Rituale wandeln spürt das Programm an mehreren Orten nach – drinnen und vor allem draußen, etwa auf der Sommerbühne im Annahof, in Kirchen, Gärten, Innenhöfen und im Internet. Die Planungen zum Friedensfest erforderten dieses Jahr Improvisation und Kreativität, um sie den aktuellen Hygienevorgaben anzupassen. Im ersten Schreck des Lockdowns befürchtete Christiane Lembert-Dobler schon, alles absagen zu müssen oder nur im Livestream anzubieten. Inzwischen sagt sie: „Für ein Notprogramm ist es ganz schön viel geworden. Wir waren verblüfft.“ Doch ohne Anmeldung geht gar nichts. Es braucht ein vorher besorgtes Ticket, selbst bei kostenlosen Veranstaltungen. Es gibt keine Abendkasse.

    Freie Theaterszene beteiligt sich am Augsburger Friedensfest

    Einige kostbare Fundstücke hat die Leiterin des Friedensbüros eingebracht. Zur Eröffnung am Dienstag, 30. Juni, zeigt das Tanztheater von Baba Murah und Camdomblé Berlin auf der Annahof-Bühne ein Reinigungs- und Heilungsritual der afro-brasilianischen Religion in Gestalt eines Banketts. Erstmals ist im „DenkRaum“ am 6. Juli die Historikerin Prof. Barbara Stollberg-Rillinger zum Thema „Die Kraft der Rituale“ zu Gast. Die Rektorin am Berliner Wissenschaftskolleg lehrt an der Uni Münster. Kurios klingt der Ablauf des Online-Dinners „Welcome home in (y)our kitchen“ am 28. Juli: Alle kochen nach dem gleichen Rezept, verbinden sich über Stream und erproben miteinander ihre Rituale der Gastlichkeit. Lembert-Dobler geht davon aus, dass sich die Community über Augsburg hinaus erstreckt.

    Direkt zu den Bewohnern kommt indes die freie Theaterszene mit ihrem „zeitfenster“. Auf Einladung performen vier Gruppen im Wohnhof am 4./5. Juli ihre Szenen. „Vier Orte stehen schon fest, man kann noch weitere Auftritte buchen“, informiert die Friedensbüroleiterin (friedensstadt@augsburg.de).

    Das Festival der Kulturen findet am 24./25. Juli in einer gekürzten Version statt. Es gibt Livekonzerte des Harrycane Orchestras mit Arabic-Jazz und des chinesischen Maultrommelspielers Wang Li sowie Video-Vorführungen, etwa von den Proben der spanischen Sängerin Mercedes Peon und dem Streicherensemble der Augsburger Philharmoniker für das Festival der Kulturen 2021, wo galizischer Folk auf Pop, Punk, Jazz und Klassik trifft. Die Konzerte ergänzen am 4. Juli Mesk mit alevitischer Folklore aus Augsburg und am 15. August Gankino Circus.

    Mitmach-Projekte beim Augsburger Friedensfest

    Rituale eines zukünftigen Miteinanders untersucht die Autorin Silke Helfrich in der Reihe „In Common“ im Grandhotel Cosmopolis (1. bis 3.8.). Ein Livestream vom Fanprojekt des Stadtjugendrings befasst sich mit Ritualen in Fußballstadien, vor allem den aufwendigen Choreografien der Ultras (5.8.). Welchen Ritualen Musiker folgen vermittelt im Livestream „Fräulein Tönchens Musikkoffer“ am 26. Juli. Darüber hinaus gibt es eine Reihe digitaler Mitmach-Projekte, etwa die interreligiöse Schnitzeljagd (21.7.), die „Collage des Friedens“ (21.-24.7.), die Reise durch die Wohnzimmer dieser Welt (21.7.-8.8.).

    Live im Hofgarten zeigen am 23. Juli die Frauen der Religions for Peace Wasserrituale der Weltreligionen und Wolfgang Krauß von der Mennoniten-Gemeinde unter dem Titel „Die weiße Fahne“ Rituale des Friedens. Einen deutsch-afrikanischen Religionsdialog über kirchliche Rituale führen Bischof Bertram Meier und Abbé Felix Quédraogo aus Burkina Faso (4.8.). Aufmüpfig („Ich will an den Altar!“) äußert sich die junge Schweizer Katholikin Jaqueline Straub im Frauendialog (6.8.) im Annahof.

    Statt der Friedenstafel soll es Friedenspicknicks in Augsburg geben

    Am Friedensfest (8.8.) selbst werden die Festgottesdienste wie gewohnt stattfinden. Ein multireligiöses Friedensgebet findet am Vorabend statt. Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz fällt Corona zum Opfer, stattdessen regt das Friedensbüro an, sich auf viele kleine Friedenspicknicks in der Stadt zu verteilen. Live aus dem Rathaus gestreamt wird die Bekanntgabe des diesjährigen Augsburger Friedenspreisträgers. Die Verleihung findet dann erst im Oktober statt.

    Augsburg, Reformation und Hohes Friedensfest

    Immer am 8. August feiert Augsburg das Hohe Friedensfest - ein bundesweit einmaliger Feiertag, der die große Bedeutung der Stadt für Kirche und Reformation in Deutschland herausstellt.

    Beim hohen Friedensfest wird dem Westfälischen Frieden von 1648 und damit verbunden dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555 gedacht.

    Damals war auf dem Reichstag zu Augsburg das Gesetz des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation beschlossen worden.

    Dieses Gesetz gestand den Anhängern der lutherischen Confessio Augustana nach vielen Jahren der Unterdrückung und Verfolgung dauerhaft ihre Besitzstände und freie Religionsausübung zu.

    Augsburg war damit eine Keimzelle der Reformation, die die Welt veränderte.

    1518 wohnte Martin Luther in Augsburg. Anlass war seine Begegnung mit Kardinal Cajetan im Augsburger Karmelitenkloster, als er seine kirchenkritischen Thesen erstmals verteidigte.

    Das Augsburger Hohe Friedensfest wurde erstmals im Jahr 1650 begangen.

    Ein paar Herzensprojekte musste Christiane Lembert-Dobler allerdings drangeben. Ein französischer Künstler sollte mit über 200 Kindern ein Denkmal der Augsburger Wasserkunst nachbauen. Und feierlich wie bei sonst einer Einweihung sollten friedensbewegte Platz-Umbenennungen stattfinden. Vielleicht klappt es damit ja im Jahr 2021.

    Tickets nur im Vorverkauf unter www.sommerbuehne-annahof.reservix.de/events oder telefonisch über 0180-6700733 sowie jeweils bei den Veranstaltern. Mehr zum Programm auf www.friedensstadt-augsburg.de

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