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Peutinger-Gymnasiasten: Familienessen mit hochpolitischem Menü

Peutinger-Gymnasiasten

Familienessen mit hochpolitischem Menü

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    Szenen einer Familie: „Hase“ (jüngstes Kind, Roya Rafiee Tary), Vater (Samuel Brandl), Jeannot (Hakan Derinalp), Bébert (Enes Er) und Mutter (Lena Diete) beim gemeinsamen Essen.
    Szenen einer Familie: „Hase“ (jüngstes Kind, Roya Rafiee Tary), Vater (Samuel Brandl), Jeannot (Hakan Derinalp), Bébert (Enes Er) und Mutter (Lena Diete) beim gemeinsamen Essen. Foto: Annette Zoepf

    Mit Erfolg drückte das 18-köpfige Team des Oberstufentheaters in diesem Jahr der Komödie von Coline Serreau seinen ganz eigenen, hochpolitischen Stempel auf.

    Wieder einmal legte die Oberstufe des Peutinger-Gymnasiums kurz vor den Abiturprüfungen einen temporeichen, leidenschaftlichen Theaterabend hin. Nach dem Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ im vergangenen Jahr plädierten die fünf Darstellerinnen und ihre sieben Kollegen bei Lehrerin Barbara Luff in diesem Schuljahr für ein modernes Stück. Aktuell sollte es sein, mehr heutige Lebenswirklichkeiten zeigen. Und Luff wurde fündig: „Hase Hase“, jenes Stück von Coline Serreau, das in der Neubearbeitung erst seit Januar zum Spiel freigegeben ist. Aktueller geht’s also nicht. Die Peutinger setzen noch einen drauf: Als Kontrapunkt zum Schillertheater am Berliner Kurfürstendamm, wo das überarbeitete Stück vor wenigen Wochen als Komödie uraufgeführt wurde, nehmen die Augsburger Schüler die Verwicklungen um Familie Hase ernst. „Wir denken, dass viele gesellschaftliche Themen im Stoff stecken, deswegen haben wir es weniger lustig umgesetzt“, erklärt Theater-AG-Leiterin Luff.

    Familie Hase besteht vor allem aus Mama (Lena Diete). Die hält zusammen, was nicht mehr zu halten ist. Zum Beispiel die Söhne Bébert (Enes Er) und Jeannot (Hakan Derinalp). Der eine ist offiziell Medizinstudent und Lichtgestalt der notorisch klammen Hases. Auch Jeannot, der angeblich als Übersetzer in Brüssel arbeitet, soll die Hoffnungen der Familie auf Erfolg und Geld erfüllen. In Wahrheit hat Bébert das Studium aber längst geschmissen und ist inzwischen heimlich als Hacker gegen korrupte Regime und Banker unterwegs. Und Jeannot wird von der Polizei gesucht. Er, der bei Mama eigentlich schon ausgezogen war, stürmt mit zwei Koffern schreiend über die Bühne: „Die Bullen kommen!“ Also rein in die Badewanne, Laken und Betttücher drüber. Mit Getöse durchkämmt die Polizei (Mehmet Özgül, Alican Yilmaz) die Wohnung. Jeannot soll Illegalen und Terroristen aus Kriegsgebieten Papiere besorgt haben.

    Die nächsten Katastrophen lassen nicht lange auf sich warten: Tochter Marie (Anna-Lena Schießler) hat sich leichtfertig scheiden lassen und zieht ebenfalls wieder ein. Tochter Lucie – gerade noch auf Weg zum Standesamt – hat es sich anders überlegt. Noch im Hochzeitskleid fegt sie zur Tür herein und macht die aufgebrachte Hase-Tischrunde komplett. Was keiner (vor allem die Mutter nicht) ahnt: Vater (Samuel Brandl) wird nicht nur keine Gehaltserhöhung bekommen, er hat sogar seinen Job verloren. Und dann ist da noch der Jüngste, Hase (Roya Rafiee Tary), der ein Mathegenie ist und Straßenmusikanten beklaut, um sich Bücher kaufen zu können.

    Und so galoppiert das Stück zwischen den Konflikten und der inneren Zerrissenheit der Figuren auf den bedrückenden Höhepunkt zu –die Errichtung der Diktatur infolge eines Hackerangriffs und das Durchgreifen der „neuen Ordnung“.

    Stark sind die Monologe von Hase, Mama und Bébert. Auch die Szenen, in denen die Charaktere von Hakan Derinalp und Enes Er explodieren, im politischen Streit sogar handgreiflich werden, gehen unter die Haut. Und Roya Rafiee Tary überzeugt in ihrer hochemotionalen Auseinandersetzung mit den Außerirdischen, die doch bitte die Erde trotz allem retten sollen. Die Bühnenrequisiten sind sparsam, bestehen im Wesentlichen aus Haushaltsgegenständen. Geschickt allerdings nutzen die Schüler die Absperrung der Mensatheke im hinteren Bühnenteil des Kellers. Dem Denunziationsbüro samt Unteroffizier und dem sichtlich gefolterten Bébert verleiht dieses graue Gitter jene beklemmende Stimmung, die auch nach dem Schlussapplaus der etwa 80 Zuschauer noch anhält.

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