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Mozartfest: Im Familienkonzert mit den Mozarts

Mozartfest

Im Familienkonzert mit den Mozarts

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    Applaus für diese Musik: Sopranistin Christina Landshamer und Konzertmeister Bernhard Forck mit der Akademie für Alte Musik Berlin.
    Applaus für diese Musik: Sopranistin Christina Landshamer und Konzertmeister Bernhard Forck mit der Akademie für Alte Musik Berlin. Foto: Christian Menkel

    So muss es zu Mozarts Zeiten gewesen sein: Während die Herrschaften erst mal Wichtiges zu verhandeln hatten, war die Musik gehalten, hinter der Tür zu warten, bis sie gerufen wurde. Auch beim Eröffnungskonzert des Deutschen Mozartfests verging eine geschlagene halbe Stunde mit Begrüßungsreden, bevor der Akademie für Alte Musik Berlin das Podium gehörte. Gewiss, dass sich eine Delegation aus Augsburgs japanischen Partnerstädten im Kleinen Goldenen Saal befand, darunter Nagahamas und Amagasakis Stadtoberhäupter – das Augsburger fehlte –, das durfte Kulturreferent Thomas Weitzel nicht unerwähnt lassen, und natürlich war der japanischen Übersetzung Platz einzuräumen. Dass aber Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth im Europa-Reisenden Leopold Mozart flammend einen Kronzeugen kontinentalen Zusammenhalts entdecken musste, gipfelnd im Appell, in zwei Wochen unbedingt vom Europawahlrecht Gebrauch zu machen, das brachte Unwucht in die für ein Konzert gebotene word/music balance hinein.

    Die Musik selbst, das ist eine ihrer vielen schönen Seiten, nimmt das nicht übel. Gleich beim ersten Stück war man versöhnt, denn was kann es für ein Festival, das Leopold ehren und Wolfgang darüber nicht vergessen will, was kann es für ein programmatisch besser gewähltes Stück geben als die mit der Köchel-Nummer 81 gelistete D-Dur-Sinfonie, von der man nicht weiß, ob sie vom Vater stammt oder vom Sohn?

    Ein schönes Stück aus Leopolds Komponierwerkstatt

    Egal, Hauptsache Mozart, dachte sich auch die auf Originalinstrumenten musizierende Berliner Akademie und gab unter Führung ihres phänomenal engagierten Konzertmeisters Bernhard Forck eine Probe ihrer so typischen Mischung aus Frische und Spannkraft. Beim Konzert für zwei Hörner in Es-Dur wurde es eindeutig: Leopold war hier am Werk. Ein schönes Stück aus seiner Komponierwerkstatt, virtuos und voller einprägsamer Themen. Nur hatten die Solisten Erwin Wieringa und Miroslav Rovensky nicht ihren besten Tag. Mag sein, dass das Raumklima im Kleinen Goldenen Saal alles andere als ideal war – die beiden hatten jedenfalls einige Probleme mit der Tonbildung auf ihren heiklen Naturinstrumenten.

    Da erging es Wolfgang besser mit seiner Solistin, der Sängerin Christina Landshamer. Die vier von ihr vorgetragenen Konzertarien spannten einen weiten Bogen, von zwei Nummern des gerade zehnjährigen Komponisten, auf dessen sprühendes Schaffen noch der Vater ein prüfend-korrigierendes Auge hatte, bis zur großen Szene „Bella mia fiamma … Resta, oh cara“ aus dem Vorfeld der letzten Sinfonien. Herrlich zu hören in der Arie „Sol nascente“, welche Antennen schon Jung Wolfgang für den Ausdruck eines bewegten Frauenherzens hatte, herrlich die nur wenig später hinzukommende Fähigkeit zum sprechenden Orchestersatz, wenn er in „Voi avete un cor fedele“ die Geigen sticheln lässt bei den Männertreue-Zweifeln eines weiblichen Ichs. Landshamer sang das alles mit Engagement, schlank geführter Stimme und flüssiger Koloratur – wobei ihr die Zugabe am Schluss des Konzerts, weil ideal für ihren Stimmtyp, am schönsten geriet: „Nehmt meinen Dank“.

    Aufklärerisches Licht bei einer Mozart-Sinfonie

    Wer bei Wolfgangs großer g-Moll-Sinfonie erwartet hatte, dass zu den mit fünf ersten Violinen musizierenden Berlinern noch weitere Kräfte hinzutreten würden, sah sich eines Anderen belehrt, die Kammerbesetzung blieb bestehen. Gewählt wurde jene der beiden autografen Fassungen, die auf Klarinetten verzichtet, dafür durfte das Fortepiano als Quasi-Continuo mitmischen. Von vornherein war von der Akademie alles andere als ein kulinarischer, mollig-weicher Zugang zu dieser Sinfonie und gerade deren erstem Satz zu erwarten, den die romantisierende Traditionslinie gern ins Dunkel-Mystische entrückt.

    Aufklärerisches Licht dagegen bei den Berlinern, nicht nur wegen der transparenten Besetzung, sondern auch im musikalischen Verständnis, das die g-Moll-Sinfonie als Ausdruck einer Krise deutet: Über der Unruhe der Begleitfiguren werden die Zeichen einer Ungewissheit herausgearbeitet, etwa in der Melodieführung mit ihren fragenden Vorhalten. Auch der Aufbruch aus der Formtradition in den Ecksätzen und das metrisch Querstehende im Menuett war kontrastreich herausgestellt, wie die gesamte Aufführung geprägt war von unmittelbarem Zugriff und stets geschickt wechselnder Schürzung und Lockerung des Spannungsknotens. Diese g-Moll-Sinfonie, das machte diese gescheite, stark applaudierte Interpretation klar, zählt zu den kapitalsten Werken Mozarts, des Sohns.

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