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Moritzkirche: Die Gezeiten der Ewigkeit in der Moritzkirche

Moritzkirche

Die Gezeiten der Ewigkeit in der Moritzkirche

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    Mit Installationen und Interventionen haben sich in der Moritzkirche ganz unterschiedliche Künstler auseinandergesetzt. Nun hat Karen Irmer eine besondere Multimedia-Installation geschaffen. 	<b>Fotos: Karen Irmer</b>
    Mit Installationen und Interventionen haben sich in der Moritzkirche ganz unterschiedliche Künstler auseinandergesetzt. Nun hat Karen Irmer eine besondere Multimedia-Installation geschaffen. <b>Fotos: Karen Irmer</b>

    Die vom Londoner Architekten John Pawson neu gestaltete Moritzkirche mit ihrem überwältigend klaren, lichten und minimalistischen Innenraum gehört zweifellos zu Augsburgs schönsten Kunsträumen. Seit Jahren laden die City-Kirche und ihr Kurator Michael Grau Kreative ein, auf den sakralen Raum einzugehen. Mit Installationen und Interventionen haben sich seit 2014 ganz unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler mit der Moritzkirche auseinandergesetzt – figurativ wie Sara Opic, mit Steinplastiken wie Norbert Schessl oder fein gesponnenen Fäden im Kirchenschiff wie zuletzt Elke Maier.

    In diesem Herbst realisiert die Fotografin und Multimediakünstlerin Karen Irmer ein Projekt in der Kirche. Unter dem Titel „Wandeln“ zeigt die 44-Jährige eine dreiteilige Arbeit – zwei Filmprojektionen und eine Fotografie. In allen drei Arbeiten geht es um Freiräume und natürliche Bewegungen zwischen Himmel und Erde. Das Element Wasser spielt eine entscheidende Rolle in Irmers Installation, die auf stille, meditative Art von Verwandlung, Wahrnehmung, Ewigkeit und Wiederholung erzählt und die Schwingungen des sakralen Raumes aufnimmt.

    Karen Irmer schafft eine fast mythische Gegenwelt

    Wer die Moritzkirche betritt und sich nach vorne zur Kreuzkapelle im linken Seitenschiff bewegt, hat den Eindruck, die Kirche durch ein großes Tor in eine fast mystische Gegenwelt verlassen zu können. Auf die gesamte Stirnwand der Kapelle wird eine sanft bewegte Wasserfläche projiziert, über die Nebelschleier wabern. Morgensonne fällt auf die sanften Wellen, das Wasser ist hell, weiß, grau, bläulich, der Hintergrund unscharf. Die Gleichmäßigkeit der Wasserbewegung im stillen Morgendunst changiert zwischen abstrakt und konkret.

    Nichts passiert in diesem ortlosen Zwischenreich des Lichts – und doch geschieht so viel. Stille. Der Rhythmus der Wiederholung, der einem ewigen Gesetz zu folgen scheint, beruhigt und hebt die Zeit auf. Das Video, das Karen Irmer am Starnberger See aufgenommen hat (was man nicht erkennt und was auch keine Rolle spielt), läuft zwölf Minuten und wiederholt sich in Endlosschleife und ist wie eine Einladung, die Gedanken treiben zu lassen wie Wolken und sich von aller Geschäftigkeit und „Vorbildern“ des Alltags zu befreien.

    Das Verschwinden an einem Überallort

    In der Apsis, hoch über Georg Petels Christus Salvator-Figur im Altarraum, auf die alles in diesem Kirchenraum ausgerichtet ist, sind mit Einbruch der Dämmerung auf dunklem Grund kleine weiße Vögel in Bewegung zu sehen. Es sind Schwalben, die Karen Irmer in Amerika aufgenommen hat. Auch hier ist das Sichtbare reduziert auf dieses Auftauchen und Verschwinden an einem Überallort, dem Himmel. Auch dieses Video läuft als Endlos-Loop.

    Die Projektion in die Kirchenkuppel des Ostchors ist an jener Stelle zu sehen, die durch Zerstörung im Zweiten Weltkrieg tatsächlich den Blick in den Himmel freigab. Außenraum und Innenraum gehen ineinander über. Karen Irmer, die an der Münchner Akademie der Künste bei Sean Scully und Dieter Rehm studierte, nimmt mit ihrer Arbeit auch Bezug auf die Himmelsvorstellungen, die in Kirchenkuppeln oft dargestellt sind. Sie hat Hell und Dunkel gekontert, sodass der Himmel dunkel und die Vögel hell erscheinen.

    Neben den beiden Projektion von Bewegtbildern komplettiert eine über drei Meter hohe, in eine ovale Wandvertiefung eingepasste Fotografie im rechten Seitenschiff das Triptychon „Wandeln“. Das Foto, aufgenommen an einer Steilküste in Irland, zeigt die Gischt einer gewaltigen Welle vor Wolken und Meer. Der eingefrorene Kippmoment einer Bewegung von enormer Kraft und Wucht hat große malerische Qualität. Wasser, Luft, Wolken zerfließen miteinander – ein eigentümlicher Schwebezustand. Tatsächlich wirkt die Fotografie, als habe sie schon immer zum Kirchenraum gehört. Karen Irmer sagt, die Arbeit für diesen großen, hohen Kirchenraum sei eine Herausforderung gewesen. In ihrem Atelier stand ein Gipsmodell der Kirche.

    Die Künstlerin arbeitet mit Stille und unmerklichen Verwandlungen Ihre Arbeit in der Moritzkirche lässt etwas von den Gezeiten der Ewigkeit spüren.

    Laufzeit bis 4. November.

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