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Mittelalter: Gesang aus dem Verborgenen

Mittelalter

Gesang aus dem Verborgenen

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    Ein Klang aus ferner Zeit: Sabine Lutzenberger widmet sich mit ihrem Ensemble Per-Sonat der Musik in den Klöstern der Zisterzienserinnen.
    Ein Klang aus ferner Zeit: Sabine Lutzenberger widmet sich mit ihrem Ensemble Per-Sonat der Musik in den Klöstern der Zisterzienserinnen. Foto: Ulrich Wagner

    Die Glaubensgemeinschaft der Zisterzienser entstand Ende des 11. Jahrhunderts im Zuge der klösterlichen Reformbewegung. Neben dem männlichen Ordenszweig gab es auch einen weiblichen, die Zisterzienserinnen. In ihren Klöstern lebten die Frauen in strikter Klausur, blieben für die Mitwelt unsichtbar – eben darauf spielt das neue Album des von der Augsburger Alte-Musik-Spezialistin Sabine Lutzenberger geführten Ensembles Per-Sonat mit seinem Titel „Invisible“ an. Zugleich impliziert der englische Begriff, dass die verborgenen Nonnen in den Chorräumen ihrer Kirchen doch zu hören waren.

    Wie ihr ganz auf den Glauben ausgerichtetes Leben war auch die Musik der Zisterzienserinnen dem Ideal der Einfachheit verpflichtet. Bernhard von Clairveaux höchstselbst hatte sich um das Regelwerk für die klösterliche Musikpraxis gekümmert, und diese sah unter anderem Einstimmigkeit und Verzicht auf Instrumentalbegleitung vor. Überliefert sind die Gesänge in Codices, die sich heute zu Teilen in Bibliotheken, andererseits in nach wie vor bestehenden Zisterzienserinnen-Klöstern befinden.

    Schlichte, ganz dem Leitbild der „puritas“ folgende Gesänge sind etwa in zwei Codices des Klosters Marienthal in Ostritz an der Neiße enthalten, von denen einige vom Ensemble Per-Sonat eingesungen wurden. In choralhaft gemessener Bewegung entfalten sich die Melismen, um sich in charakteristischen Momenten jubilierend aufzuschwingen, etwa wenn es gilt, das Lob Marias zu besingen. Hier wie auf der gesamten Aufnahme verschmelzen die Stimmen der Sängerinnen Sabine Lutzenberger, Tobie Miller und Christine Mothes wunderbar ineinander, auch Atembewegung und Phrasenbildung sind von größter Homogenität. Zudem gelingt es den Sängerinnen durchweg, die innige Mystik der tief religiösen Texte und der sie tragenden Melodien zu transportieren.

    Zeitgleich mit dem Aufkommen der Zisterzienser erlebte die abendländische musikalische Mehrstimmigkeit ihren ersten Höhepunkt – eine Entwicklung, die trotz aller Weltabgeschiedenheit doch auch nicht an den Toren der Zisterzienser-Konvente haltmachte, zumindest nicht an allen. Zu ihnen gehörte das Zisterzienserinnen-Kloster Las Huelgas bei Burgos in Spanien. Aus dem hier verfassten Codex gibt PerSonat ebenfalls Kostproben auf seiner CD, was ebenso zur Abwechslung wie zur Abrundung des musikalischen Bildes von den Zisterzienserinnen beiträgt. Umso mehr, als in Las Huelgas nicht nur mehrstimmiger Gesang praktiziert wurde, sondern auch Instrumentalbegleitung hinzutrat. Per-Sonat geht hier jedoch in einer Weise vor, die ganz dem Geist der Zisterzienser entspricht – es ist allein die von Baptiste Romain gespielte Fidel, die begleitet, partiell sogar rein solistisch erklingt. Insgesamt ist dieses musikalische Panorama einer aus Prinzip kargen musikalischen Welt sehr abwechslungsreich geraten – und auch ohne unmittelbaren Weihnachtsbezug ein lohnenswerter Musikbegleiter für die stade Zeit. HHHHI

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