Österreichs Kanzler Sebastian Kurz ist ein alter weißer Mann. US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders, 78, ist keiner. Verwirrt? Sophie Passmann – Radiomoderatorin, Kolumnistin, Autorin und nicht zuletzt Feministin – erklärt: „Der alte weiße Mann wohnt bereits in einem Säugling.“ Das Wissen um den Nutzen von Macht und die Angst, diese zu verlieren, prägen ihn. Das zu Beginn der Lesung der 25-Jährigen im Moritzsaal. „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“ heißt ihr Buch, lesen wird sie an diesem Abend aus Begegnungen mit Robert Habeck, Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt – und ihrem Vater.
Sophie Passmann hat auch Talent als Stand-up-Komödiantin
Die Veranstaltung findet im Rahmen der Reihe „DenkRaum“ statt und ist Passmanns zweiter Versuch, in Augsburg zu lesen. Das „Witzemädchen aus dem Internet“, als solches bezeichnet sich Passmann selbst, sollte ursprünglich bereits Ende September auftreten. Dann kam Sturm „Mortimer“ dazwischen. Ausführlich erklärt Passmann zum Auftakt, wie das Unwetter diesen Auftritt vermasselte, und erntet die ersten Lacher der rund 200 Gäste, darunter viele Männer.
Im Laufe des Abends folgen viele weitere. Die Autorin flechtet immer wieder bissige Bemerkungen in ihre Buchpassagen ein, unterlegt manche Aussagen ihrer Gesprächspartner mit starker Mimik und Gestik. Etwa, wenn Habeck vom Alter-weißer-Mann-Dasein als der „Metaphysik des Westens“ spricht. Unverständnis bei Passmann, Unverständnis beim Publikum, gemeinsames Lachen. Zwischen den Auszügen aus ihrem Buch gelingt es der 25-Jährigen, die Gäste mit Kostproben ihres Talents als Stand-up-Komödiantin zu unterhalten. Das gelingt dank ihrer starken Bühnenpräsenz. Sie ist eine erfahrene Künstlerin und gewann bereits 2011 einen Titel im Poetry Slam.
So erzählt sie von einem Lesungstermin in München – der Stadt, in der „alle Männer so aussehen, als würden sie doll viel Geld erben – und einer Begegnung mit einem Mann eben jener Gattung. Dabei ist der Humor der 25-Jährigen mal fein, mal derb, aber immer hintersinnig. Hintergrund der besagten Szene sind Drohanrufe, die sie erhält, weil sie Feministin ist.
Sophie Passmann begeistert nicht nur mit „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“
Auch wenn man nicht mit allen Facetten des modernen Feminismus einverstanden ist, schlägt man sich durch Witz und Inhalt, sowohl ihres Buches als auch ihrer begleitenden Erzählungen, auf die Seite der Autorin. Sei es, weil sie während der Lesung Kaffee und Riesling wild durcheinandertrinkt und den Genuss dieses Cocktails wort- und gestenreich empfiehlt.
Oder, weil Passmann herrlich selbstironisch davon erzählt, wie sie sich mit dem Kabarettisten der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ Claus von Wagner traf. Sie, bekennende Veganerin („haben Sie jemals einen Veganer getroffen, der 45 Minuten braucht, um ihnen das zu erzählen?“), wird von Wagner auf ein veganes Picknick eingeladen. „In diesem Augenblick stellte ich mir vor, wie schön der Name Sophie von Wagner klingt.“
Und mit diesem Spagat sei sie als Feministin der 90er Jahre nicht alleine: die Ansprüche der Frau auf gleiche gesellschaftliche Teilhabe durchzusetzen und dennoch immer wieder in die alten Muster zurückzufallen.
Sophie Passmann hält eine kluge Lesung
Als die 25-Jährige aus der Begegnung mit ihrem Vater vorliest – er, gelbe Fliege, hoch dotierter Job, Tweedsakko und bekennender Vielfleischesser – fühlt sich wohl ein Teil des eher jungen Publikums an die eigenen familiären Konflikte erinnert. Zumindest lassen das Applaus und Lacher vermuten, die hier besonders heftig ausfallen. In den Auszügen aus zwei Gesprächen mit Poschardt verdeutlicht sie die Konfliktlinien zwischen jung und alt, Frau und Mann.
Der Chefredakteur argumentiert gegen die Frauenquote. Passmann zerlegt das Argument süffisant in der Lesung. Der Chefredakteur erklärt der jungen Autorin, dass Verantwortung und Macht ihren Preis hätten. Passmann erklärt dem Publikum, „oh, wenn das so ist, bleibe ich doch lieber bei Hack-Lauch-Rezepten.“ Was schade wäre, ginge so doch eine ebenso witzige wie kluge Stimme verloren.