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Kunstsammlungen: 500 Jahre Fuggerei, 500 Jahre Stiftungen in Augsburg

Kunstsammlungen

500 Jahre Fuggerei, 500 Jahre Stiftungen in Augsburg

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    Solche Typen dürften im Jahr 1521 die Reichsstadt Augsburg bevölkert haben. Charakterstudien des Zeichners Paul Rietzl für eine Graphic Novel zum Alltagsleben im 16. Jahrhundert.
    Solche Typen dürften im Jahr 1521 die Reichsstadt Augsburg bevölkert haben. Charakterstudien des Zeichners Paul Rietzl für eine Graphic Novel zum Alltagsleben im 16. Jahrhundert. Foto: Kunstsammlungen, Monika Harrer

    500 Jahre Fugger’sche Stiftungen – das ist eine Ausstellung wert! Doch die Reichsstadt Augsburg war zu dieser Zeit reich mit Stiftungen beschenkt, also greifen die städtischen Kunstsammlungen weit aus, wenn es dann ab 28. August im Maximilianmuseum heißt: „Stiften gehen! Wie man aus der Not eine Tugend macht.“ Und weil eine Ausstellung nicht vom Himmel fällt, lässt Kuratorin Heidrun Lange-Krach bereits jetzt alle Interessierten an ihren Vorbereitungen teilhaben.

    Schon habe die heiße Phase begonnen. Sie sagt: „Fünf Monate vor Eröffnung ist nicht mehr viel Zeit.“ Dabei sind noch so viele Fragen offen. Denn die Schau stellt zugleich ein umfassendes Forschungsprojekt zum Augsburger Stifterwesen dar. Ja richtig: Über viele historische Gegebenheiten der Stadt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit weiß man nicht genau Bescheid. So existiert von Gilg Schneiders Seelhaus nur noch ein Gedenkstein, das Gebäude selbst ging im Zweiten Weltkrieg verloren. „Man weiß bisher nur, dass er eine größere Stiftung errichtet hat für Augsburger Einwohner, die Kleidung, Salz und Brot erhielten“, so Lange-Krach. Hat sie Familien unterstützt? „Wir stehen am Anfang der Erforschung…“

    Im Keller der Kunstsammlungen finden sich einzelne Steine des ehemaligen Armenhauses

    Auch vom Zobel’schen Armenhaus für die Kranken sind nur Skizzen überliefert, wie das Haus ausgesehen hat. Und einzelne Steine, die im Lapidarium im Keller des Maximilianmuseums ruhen. Die Rechnungsbücher der Hirn’schen Stiftung aus dem Stadtarchiv hat seit über hundert Jahren niemand mehr aufgeschlagen, obwohl sie anschaulich vermitteln, wie sich Armut und Not in Augsburg früher anfühlten.

    Restaurator Klaus Wiedenbauer reinigte die Hungersemmeln von 1817.
    Restaurator Klaus Wiedenbauer reinigte die Hungersemmeln von 1817. Foto: Kunstsammlungen, Monika Harrer

    Aus dem Depot der Kunstsammlungen brachten die Recherchen der Ausstellungsmacher die „Hungersemmeln“ von 1817 ans Licht. Insekten haben die körnigen Brocken im Lauf der Zeit mit ihren Fraßgängen durchlöchert, aber Restaurator Klaus Wiedenbauer konnte die Zeugen einer Hungersnot vor 200 Jahren wieder stabilisieren. Warum die Semmeln ausgerechnet im Museum gelandet sind? „Sie entspringen dem Bedürfnis der Menschen, auch Krisenzeiten im Gedächtnis festzuhalten“, weiß der leitende Museumsdirektor Christof Trepesch.

    Ein langes Gedicht, entstanden in der Hungersnot 1570

    Dies hatte sich auch der Augsburger Maler Barnabas Holzmann vorgenommen, als er im globalen Krisenjahr 1570 über Monate hinweg die Ereignisse in einem Gedicht festgehalten hat – immer in der Hoffnung, wenn er die nächsten tausend Zeilen geschrieben habe, werde die Hungersnot überstanden sein. Sie zog sich 70 Seiten lang hin. Kuratorin Lange-Krach nennt die Verse „ein ganz besonderes Stück, das so ergreifend und klug beschreibt, was in Holzmanns Zeit um ihn herum passiert ist“. Die Künstlerin Sophie Te wird sie in einem Rap zusammenfassen, denn der komme Holzmanns Sprachstruktur und Metrik am nächsten.

    Das bürgerliche Ideal der Mildtätigkeit illustriert die städtische Almosentafel von 1537. Statt Heinrich Vogtherr wird sie jetzt der Amberger-Werkstatt zugeschrieben.
    Das bürgerliche Ideal der Mildtätigkeit illustriert die städtische Almosentafel von 1537. Statt Heinrich Vogtherr wird sie jetzt der Amberger-Werkstatt zugeschrieben. Foto: Kunstsammlungen, Monika Harrer

    Unterschiedliche Akteure aus der Kunst- und Kulturszene und aus der Stadtgesellschaft hat die Kuratorin in die Vorbereitung einbezogen. Wie klang Augsburg im Jahr 1521? Auf Musik der Frühen Neuzeit ist seit jeher das Ensembles Personat spezialisiert. „Wir wollten gezielt Aufnahmen aus der Zeit der Fuggerstiftungen und führten dazu viele Gespräche mit Musikwissenschaftlern“, erzählt Lange-Krach. Gesucht wurde die Musik aus dem Alltag, wofür in Augsburg die Überlieferung ergiebig ausfällt. Entstanden ist eine musikalische Stiftungsreise, denn Musik zur Fuggerzeit war meist gestiftet. Auch die Augsburger Domsingknaben sind beteiligt.

    Wie es in der Stadt ausgesehen hat und was damals üblich war, setzt die Graphic Novel des Zeichners Paul Rietzl ins Bild. Was haben Jakob, der in Augsburg eine Buchdrucker-Lehre antreten will und die Klosterfrau Katharina 1521 erlebt? Für seine Bildergeschichten ist Rietzl die Wege abgelaufen, studierte das originale Pflaster, den Wandbehang im Kloster, den dortigen Garten. Ein ganzes Team hat die fiktive Erzählung recherchiert und verfasst: die Historiker Florian Dorn und Florian Dörschel, die Dominikanerin Hanna Rita Laue, die Kuratorin Lange-Krach und die beiden Studierenden Corinna Dewor und Christoph Hauptmann.

    Die Kunstsammlungen wollen Geschichte auch erlebbar machen

    Die Kuratorin ist glücklich: „Auf diese Weise können wir wunderbar aus einer Zeit erzählen, die wir nicht mehr kennen: Ab wann haben Kinder gearbeitet? Welche Optionen hatten Frauen? Wie komme ich als Auswärtiger in die Stadt hinein?“ In der multimedial ausgelegten Ausstellung soll es möglichst erlebnisnah zugehen. Das Theter Ensemble verarbeitet in einem Hörbild den Bericht eines Augsburger Blatternarztes von 1569 sowie die Rezepte für eine karge Zeit aus dem Hausbuch der Familie Schwarz – das Original ruht in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel – samt einer Anleitung, wie man Schießpulver macht und Hühner verhext.

    Die Bluespot Productions beschäftigt sich in ihren Szenen mit den traurigen Schicksalen der Findelkinder und sie illustrieren das Wirken eines Predigers: War er lutherisch, päpstlich oder Täufer? Natürlich würden auch bedeutende Kunstwerke in der Ausstellung präsentiert, etwa Pieter Breughels Werke der Barmherzigkeit, das Hochzeitsbild der Fugger und als Hauptmotiv die städtische Almosentafel von 1537. Sie war bisher Heinrich Vogtherr d. J. zugeschrieben worden, doch die akribischen Recherchen der Ausstellungsmacher ergaben, dass es aus der Werkstatt Christoph Ambergers kam.

    Einen Vorgeschmack auf die Ausstellung und ihr Entstehen unter www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de/stiften-entsteht

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