Als die Augsburger Kunstsammlungen vor einigen Monaten eine Ausstellung über das Werk des Bildhauers Fritz Koelle (1895–1953) eröffneten, war die Aufmerksamkeit groß. Wandlungsfähig war der vor 125 Jahren hier geborene Künstler gewesen und hatte seinen Stil und Ausdruck der jeweiligen Zeit angepasst: Erst in der strengen Formgebung Neuer Sachlichkeit, dann immer heroischer, wie es die nationalsozialistische Kunstauffassung so schätzte, und schließlich – tauglich für eine Professur an DDR-Kunsthochschulen – mit sowjetsozialistischem Pathos.
Exemplarisch macht sich dieser künstlerische Wandel in vier Arbeiterfiguren fest, die in seiner Heimatstadt aufgestellt sind. Wir beginnen die Erkundung in der Fritz-Koelle-Straße im Herrenbach. Gleich an der Ecke zur Reichenbergerstraße steht in der Grünfläche der „Betende Bergmann“ von 1934. Eine hagere Gestalt, den Kopf gesenkt, die Schultern aufragend. Sie haben Lasten getragen in einem mühevollen Arbeiterleben, der Körper entlastet sich nach vorn gestützt auf die Hacke, die knochige Hände umklammern. Dieser Mann ist ganz bei sich, gesammelt im Gebet und voll Würde. Die Beine hat er leicht ausgestellt in ruhigem Schritt. Da ist kein Pathos, auch kein Lamento, die Figur spricht durch die reine Kunst.
Fritz Koelle hat die Arbeiterschaft in der Natur kennengelernt
Einige Schritte weiter in Richtung Don-Bosco-Kirche bei Haus Nr. 27 steht noch ein Bergmann auf dem grünen Rasen. Lässig steckt er die Hände in die Hosentaschen, hat sich aufgerichtet und blickt leicht nach rechts in die Ferne. Der nackte Oberkörper protzt nicht mit Muskeln, die Arbeit untertage zehrt, sie ist kein Bodybuilding. Seine Grubenlampe baumelt noch am Gürtel, es ist der Moment des Aufatmens, den der Feierabend nach vollbrachtem Tagewerk beschert. In den kantigen, ernsten Gesichtszügen schlägt sich absoluter Realismus nieder. Dieser Bergmann von 1930 posiert nicht im Atelier. Er ist, wie er ist.
Fritz Koelle hat diese Arbeiterschaft in Natur kennengelernt, als er nach dem Tod der Eltern in den 1920ern in der saarländischen Familie seiner Ehefrau Elisabeth Karmann eine neue Heimat fand. Aus der eigenen Biografie waren Arbeiter ihm auch nicht fremd: Sein Vater besaß eine Eisenkonstruktionswerkstätte für Gewächshausbau in der Oblatterwallstraße 24. Fritz durchlief eine Spenglerlehre, war Fachschüler für Gravieren und Ziselieren sowie an der Kunstgewerbeschule in München. Bis 1924 studierte er Bildhauerei an der Münchner Akademie bei Hermann Hahn und damit im neoklassizistischen Ideal. „Er geht eigene Wege, die aus einem starken künstlerischen Gefühl entspringen“, bescheinigte sein Lehrer.
In Oberhausen trifft man eine veränderte Formensprache Fritz Koelles an
Fährt man dann zur Heinrich-von-Buz-Realschule in die Eschenhofstraße in Oberhausen, trifft man eine deutlich veränderte Formsprache an. Wieder ist ein Bergmann zu sehen, allerdings monumentaler und glatter. 1937 ist diese Skulptur entstanden. Hier steht keiner, an dem die Arbeit ihre Spuren hinterlassen hat, sondern ein Mann der Tat. Die Arme hat er ausgestellt vom Körper in heroischer Geste, sein Blick aus markanten Gesichtszügen mit aufgerecktem Kopf richtet sich suggestiv in eine visionäre Ferne.
Noch einen Schritt weiter geht der Flößer von 1938, der in Lechhausen an der Neuburger Straße 18 in einem Kiesbett auf einem steinernen Floß posiert. Groß und klotzig sieht er aus, kaum ausgearbeitet ist sein Körperbau in einer schlauchartigen Hose, riesigen Schuhen und einer überlangen Joppe. Er wirkt stilisiert, ein neutraler Typ anstelle eines lebendigen Individuums. Seine Haue hat er geschultert und blickt entschlossen in die Ferne, als wäre nicht der nahe Lech mit seiner Geschicklichkeit zu meistern, sondern der Abmarsch in ein fernes Land.
Einen Kommentar, warum Fritz Koelle als Künstler umstritten ist, lesen Sie hier.
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