Die Aktmalerei ist nicht tot. Im Gegenteil. Trotz oder gerade wegen der realen Pornoflut in der echten Welt pilgerten über hundert Kunstinteressierte zur Vernissage „Akte der Mal-Lust“ in die Ecke Galerie. 14 Bilder von Gernot Hausner, 27 Bilder von Georg C. Wirnharter: In den lang gezogenen Zimmerfluchten des oberen Stockwerks sind erotische Ansichten zu sehen, die das Zeug zur Provokation haben.
Beide Künstler zeigen Anleihen aus dem Fotorealismus der 1970er Jahre. Der Fotorealismus war eine Gegenbewegung zur realistischen Malerei, die sich im Dienst des Nationalsozialismus diskreditiert hatte, und im Sozialismus auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs noch immer zum Teil des künstlerischen Instrumentenkoffers gehörte. Maltechnisch übernahm er den Realismus, konzentrierte sich jedoch auf fotografische Vorlagen, die bis zur Täuschung echt kopiert wurden. Der Augsburger Gernot Hausner und der Stadtberger Georg C. Wirnharter sehen sich und die Bilder ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung in dieser Tradition. Freiheiten inklusive.
Hausners „Arkadien“-Serie – Frauen mit Natur, Wasser, Steppe, mit und ohne phallusartige Schlauchrequisiten – sind mit Öl oder Pastell gefertigte, fotorealistische Kopien von Aufnahmen aus der FKK-Szene der 1960er Jahre. Wenige, gut gebaute Männer sind auch darunter, meist als Beiwerk für die Frauen. Den puren Realismus jedoch bricht er: Schwarze, ausgefranste Farbe umrahmt das freizügige Geschehen, gibt ihm einen endzeitlichen Touch. Als blickte der Betrachter aus dem Tod ins Paradies. Oder wenigstens aus dem Jetzt in die Erinnerung. Auch die Fantasy-Anleihen im griechischen Götterzyklus zeigen eigenwillige Abweichungen. Sie bleiben der fotorealistischen Maltechnik treu, fügen jedoch Elemente griechischer Mythologie hinzu, wie die Nereide mit Fischschwanz und den Pan mit seinem Ziegenbockunterleib.
Hausners Nacktporträts und Studien hingegen bleiben dem genauen Betrachten und den individuellen Zügen zuvor fotografierter (weiblicher) Modelle verpflichtet. Hausner sieht sich als Erotiker, der sein Thema liebt, nicht als Pornografen, der es verachtet: „Ein Bauch, ein Knie oder ein Geschlecht können ebenso viel über die Gemalten aussagen wie Auge oder Nase.“
Mit Romantik und Fantasy hat es der langjährige Kunstlehrer des Holbeingymnasiums, Georg C. Wirnharter, nicht so. Das sorgt – neben allem erotischem Geknister – für Spannung in der Ausstellung. Wirnharter sucht den Schnappschuss, das ungezwungene Akt-Foto, das er dann als Vorlage nutzt. Seine Bilder sind von Details bevölkert: ein Spiegel, er selbst mit Kamera im Hintergrund, ein Hosenbein rechts im Bild. Dazu die Frau, gerne auch lasziv in Strapsen. Wie in „Renée klaubt ihr Gewand zusammen“, Öl auf Leinwand, knallige Farben, sein nacktes Modell in vorgebeugter Haltung, umgeben von den Details seines Ateliers. Sehr persönliche Momentaufnahmen.
Die Werke taugen zum Tabubruch. Vor allem öffentliche Gebäude seien noch sehr vom viktorianischen Geist durchweht, sagt Wirnharter. Als er im Museum des Klosters Oberschönenfeld vor drei Jahren unter 140 Bildern auch fünf Akte ausstellte, kam es zum Eklat. Die Äbtissin des Klosters kritisierte letztere und forderte ihre Abhängung. Der Bezirk Schwaben, Hausherr des Museums, hielt stand. Die Äbtissin blieb, laut Wirnharter erstmals in der Geschichte der Museumsausstellungen, der Vernissage fern. Im Bundessozialgericht allerdings musste er die Handvoll Akte unter seinen 100 ausgestellten Bildern abnehmen, nachdem Mitarbeiterinnen erklärt hatten, sie könnten unter ihnen nicht arbeiten.
Elias-Holl-Platz 6. Die Ausstellung läuft noch bis 19. Oktober.