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Kunst: Fotografieren ist das Warten auf den passenden Moment

Kunst

Fotografieren ist das Warten auf den passenden Moment

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    Malerisch wirken die Fotografien von Karen Irmer aus Augsburg.
    Malerisch wirken die Fotografien von Karen Irmer aus Augsburg. Foto: Karen Irmer

    Von dieser Vorstellung verabschiedet man sich besser, wenn man es mit Karen Irmer und ihrer Kunst zu tun hat: Von der der permanent klickenden Fotografin, die immer den Finger am Auslöser hat, um das gute Bild im Kasten zu haben. Karen Irmer geht ihrer Arbeit mit viel Bedacht nach, mit Ruhe und Zeit. Stundenlanges Beobachten geht dem Fotografieren voraus, bis der richtige Ausschnitt, der passende Moment, die geeignete Lichtstimmung gefunden ist.

    Auch das Wandern gehört zur Vorbereitung dazu. Wie ein Maler, der erst einmal seine Leinwand grundiert, braucht sie die Bewegung, um sich in die passende Stimmung zu versetzen, streift sie durchs Gelände, um auch die kleinen Dinge zu entdecken. Meist fährt Irmer dafür in Richtung Norden, wo es karg ist und wo auch das Wetter eher schlecht ist. In Schweden, sind ihre bevorzugten Regionen. „Süditalien finde ich wunderbar, um dort Kaffee zu trinken, aber für meine Fotos brauche ich keine Schönwettergarantie“, stellt sie klar. Noch so ein Unterschied zu gängigen Vorstellungen über das perfekte Foto.

    Entsprechend ungewöhnlich sind Irmers Bilder: Arbeiten, in denen das Konkrete einer Landschaft zum Abstrakten verwischt, in dem Gegenständliches zu Form, Lichtreflex und Schatten wird. Menschen kommen darin nicht vor. Karen Irmer will nicht abbilden und dokumentieren, auch nicht Geschichten erzählen. Vielmehr will Irmer die Betrachtenden „in einen Zustand versetzen, sich auf diese Bildwelt einzulassen und sie zu ihrer eigenen zu machen.“

    Karen Irmer aus Augsburg startet ihre Karriere als Malerin

    Der Künstlerin geht es um Assoziationen, Emotionen und Erinnerungen der Menschen, die vor dem Bild stehen. Wenn jemand ihr sagt: „Da war ich auch schon“, findet sie das schade, denn ums konkrete Motiv geht es nicht in ihrer Kunst. Dabei sind es ganz reale Bäume, Wasseroberflächen, Blätter oder Wolken, die sie mit ihrer Kamera festhält. Manchmal setzt sie zwei Bilder zusammen, aber nichts wird retuschiert oder anderweitig bearbeitet, lediglich an die Helligkeit und den Ton ginge sie ganz vorsichtig noch einmal ran, erklärt sie. „Alles Eigenartige ist schon da, man muss es nur sehen.“

    Die großen Formate, „die auch tatsächlich immer größer werden“, wie Irmer beim Atelierbesuch in der Augsburger Antonspfründe fast ein wenig erstaunt feststellt, gehören zu diesem Konzept, sie ziehen Betrachtende in die Landschaften förmlich hinein, ermöglichen eine fast physische Erfahrung, lassen die Augen suchen. „Oder die ganz kleinen Bilder“, ergänzt sie, „denn die wirken wie ein intimes Guckfensterchen und machen neugierig.“

    „Für meine Fotos brauche ich keine Schönwettergarantie“, sagt Karen Irmer.
    „Für meine Fotos brauche ich keine Schönwettergarantie“, sagt Karen Irmer. Foto: Liesa Aumeier

    So viel Zeit sich Irmer für ihre Arbeiten nimmt, mit ihrer Karriere, von der zahlreiche Ausstellungen und Stipendien im In- und Ausland zeugen, ging es schnell voran. Nach dem Kommunikationsdesign-Studium in Augsburg fand die gebürtige Friedbergerin an der Akademie der Bildenden Künste in München in Prof. Gerd Winner einen Mentor. Damals noch als Malerin, doch da kam sie an einen Punkt, an dem es nicht mehr weiterging. Ihre „Suche nach Verklärung“, wie sie es ausdrückt, endete in immer dicker aufgetragenen Farbschichten, bis der Ratschlag ihres Professors kam, es doch mit der Fotografie zu versuchen.

    Irmer kennt beide Seiten des deutschen Kunstmarktes

    In diesem Feld begann Irmer zu experimentieren, mit Schärfe und Unschärfe, mit Abzügen auf Metallpapier, über das sie eine matte Schicht legte, sodass die Oberfläche zu glänzen begann. Aus einer Schneelandschaft mit vereinzelten Tannen wurde ein schwebendes weißes Dickicht. In der Malerklasse blieb Karen Irmer übrigens für den Rest ihres Akademiestudiums – auch, als der „Maler-Maler“ Sean Sully Nachfolger von Gerd Winner wurde. Von dem halben Jahr Probezeit, die er der Fotografin gewähren wollte, war schon nach kurzer Zeit nicht mehr die Rede.

    Ihre Neugier trieb Karen Irmer nicht nur in ein neues Genre, sondern auch auf die andere Seite des Kunstmarktes. Mit Angela Stauber, ihrer Künstlerfreundin aus Akademietagen, und Galerist Andreas Stucken aus Aichach betrieb sie in Berlin zwei Jahre den Projektraum „Zweigstelle“, um eigene wie auch die Arbeiten anderer Künstler zu präsentieren. „Man kann es nicht ausblenden, wie der Markt funktioniert, wenn man von seiner Kunst leben möchte.“

    Kunst in der Moritzkirche in Augsburg

    Mittlerweile steht Irmer wieder mit beiden Füßen auf der Seite der schaffenden Künstler, sucht aber weiter nach neuen Wegen. Für die Augsburger Moritzkirche kreierte sie 2018 eine Intervention mit bewegten Projektionen. „Daran hätte ich mich fast verhoben“, gesteht sie im Rückblick. Der Riesenraum, die enorme Helligkeit der weißen Wände erwiesen sich als Herausforderung. Derzeit arbeitet sie in Ochsenhausen (Baden-Württemberg) daran, durch Lichtinstallationen die geeignete Atmosphäre für einen Andachtsraum herzustellen. Das Verhältnis zwischen Betrachtendem und Raum versucht sie sich auch mit digitaler Technik neu zu erschließen: Karen Irmer filmt mit einer 360-Grad-Kamera, deren Aufnahmen auf eine Virtual-Reality-Brille übertragen werden. Damit sei der Betrachtende mittendrin in einem surrealen Raum. „Die Idee, mit diesem Medium, das eigentlich Illusion herstellt, eine Abstraktion zu erreichen, fasziniert mich sehr“, sagt die Künstlerin.

    Wie trifft die Corona-Krise die Kulturbranche? Hören Sie sich dazu unseren Podcast vom Februar 2021 mit den Klassik-Stars Maximilian Hornung und Sarah Christian an.

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