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Kunst: Ein Lichtschloss für den Surrealisten Wolfgang Lettl

Kunst

Ein Lichtschloss für den Surrealisten Wolfgang Lettl

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    So licht, so hell, so ungezwungen präsentiert sich das neue Lettl-Museum in der Zeuggasse. Locker gehängt sind hier 131 Gemälde aus allen Schaffensperioden des surrealistischen Augsburger Malers Wolfgang Lettl (1919–2008) zu betrachten.
    So licht, so hell, so ungezwungen präsentiert sich das neue Lettl-Museum in der Zeuggasse. Locker gehängt sind hier 131 Gemälde aus allen Schaffensperioden des surrealistischen Augsburger Malers Wolfgang Lettl (1919–2008) zu betrachten.

    Diese Präsentation hätte Wolfgang Lettl (1919–2008) gefallen. So hell, so licht, so durchsichtig, so ungezwungen zeigt sich das neue Lettl-Museum für surreale Kunst hinter dem Zeughaus. Pünktlich zu Lettls 100. Geburtstag am 18. Dezember wurde es eröffnet. Scheinbar auf einen Blick kann hier auf 700 Quadratmetern das gesamte Lebenswerk des Augsburgers erfasst werden, repräsentiert in 131 Gemälden aus sieben Jahrzehnten.

    Natürlich zeigen sich bei näherem Hinsehen mancherlei Facetten einer künstlerischen Entwicklung. Aber auch eine erstaunliche Konsequenz, das gefundene Thema auszubauen. Wolfgang Lettl verfolgte unbeirrt den Surrealismus. Es war seine Ausdrucksform sowohl mit einem ironisch-humorvollen Blick auf die Verrücktheiten des Lebens als auch mit einem kritischen Blick auf den Zustand der Welt und ihre Zivilisation. Dazwischen gönnte sich Lettl die Unbeschwertheit langer Urlaube unter südlicher Sonne in Apulien; dann malte er Landschaften und Ortsansichten mit reifer impressionistischer Note.

    Ein Selbstporträt kehrte aus Brasilien zurück

    Gleich am Eingang trumpft das Lettl-Museum mit einem Selbstporträt auf, das aus der Ausstellung im Münchner Haus der Kunst 1974 für Jahrzehnte nach Brasilien ging und erst vor kurzem wieder nach Augsburg zurückkehrte. Florian Lettl, der Sohn des Künstlers, ließ es reinigen, sodass es wieder in frischen Farben leuchtet. Im Jahr 1974, als er Rotarier wurde, hat sich Wolfgang Lettl im Smoking mit Fliege gemalt („nie hat er solche Anzüge getragen“), locker postiert vor dem Historienbild der Reichsgründung von 1871 in Versailles mit dutzenden strammer Militärs, denen man die Heilrufe auf den deutschen Kaiser ansieht. Der Surrealist Lettl erlaubt sich eine ironische Brechung der Feierlichkeit, indem grüne Erbsen aus der Tapete rieseln. Und seinen Stuhl polstern zwei Frauenbrüste.

    Solche kleine Frechheiten finden sich in vielen Bildern und machen geradezu das Salz in der Suppe aus. Sonst sind es vor allem die klassischen Sujets: Hohle und flache Figuren, die oft wie aufgestellte Pappkameraden wirken und das reibungslose Funktionieren der modernen Gesellschaft karikieren. Ferner enge Räume und keilförmig zulaufende Straßenschluchten – Orte der Angst und Bedrängung ebenso wie Orte der Bewährung und Befreiung. Brücken enden bei Lettl in der Mitte, sie versagen den Benutzern ein Ziel, sind gewissermaßen die Klippen der Sehnsucht, an denen Ausschau in eine unbestimmte Ferne oder Zukunft gehalten wird.

    Lettls Sardinen sind in Italien zurzeit ganz aktuell

    Überhaupt das Wasser. Wolfgang Lettl nutzt das nasse Element als Projektionsfläche für Weite ebenso wie für Verlorenheit. Im Boot findet Aufbruch statt, aber mitunter trägt das Motiv auch apokalyptische Züge einer letzten Reise oder gar Flucht. Lettl drängt vorwärts, er weiß, dass nichts stillsteht, sondern sich in einem ständigen Übergang befindet. Auffallend liebt Lettl die Fische und ihre stillen Geheimnisse. In Italien gerade ganz aktuell sind Lettls „Sardinen“, ein Schwarm, der neugierig die Mäuler aus dem Wasser reckt, aufstrebend und aneinandergedrängt – genauso wie die neue außerparlamentarische Bewegung in Italien.

    Dieses Selbstporträt Wolfgang Lettls aus dem Jahr 1974 war jahrzehntelang in Brasilien, ehe es wieder nach Augsburg zurückkehrte.
    Dieses Selbstporträt Wolfgang Lettls aus dem Jahr 1974 war jahrzehntelang in Brasilien, ehe es wieder nach Augsburg zurückkehrte. Foto: Annette Zoepf

    Von den frühesten Aquarellen angefangen, zeichnet das Museum den Werdegang des Künstlers nach. Die Augsburger Ruinen brachten ihn auf die Idee, dass das Unfertige, Gebrochene und Chaotische mehr über Leben und Existenz aussagt als das Heile. Fließend gelang ihm 1946 der Übergang in den Surrealismus in den Fußspuren eines Magritte oder Klee. Dicht hängte Florian Lettl ein paar Serien kleinformatiger Bilder, die den spontanen Einfall und die rege Fantasie des Malers dokumentieren. Auch klassische Stoffe wie „Troja“ oder „Theseus“ variiert er darin mit einer Prise Humor.

    Einige Lieblingsbilder der Lettl-Freunde mussten natürlich gehängt werden: der Löwe im goldenen Käfig, vor dem sich adrett die Damenschuhe reihen; der mediterrane Luftikus, der mit einer Stange flatternder Sommerkleider über die Brücke eilt – womöglich ein Don-Juan–Motiv eines Schürzenjägers; der Sonnenkönig Ludwig XIV. im ausladenden blau-weißen Krönungsmantel in einem Wald voller Särge auf den Bäumen; der antike Philosoph in Denkerpose mit einem Lorbeerkranz aus beschriebenen Papieren.

    Das Museum präsentiert die farbstarken Gemälde mit milchig mattierten Leuchten blendfrei in einem angenehm bläulichen Licht. Neben den Ausstellungsflächen wird bald auch ein Medienraum zur Verfügung stehen. Ein Bereich nahe dem Eingang bietet sich für wechselnde Sonderausstellungen an. Ohne die Unterstützung des Lettl-Vereins, der aktuell 110 Mitglieder zählt, und der Rotarier wäre die Eröffnung des Museums nicht möglich gewesen, sagt Florian Lettl. Sie alle hätten tatkräftig mitgeholfen.

    20 Jahre gab es das Lettl-Atrium in der IHK

    Schon 1990/91 kam der Wunsch vieler Freunde des Surrealisten auf, sein Werk konzentriert auszustellen, nachdem in der Toskanischen Säulenhalle eine größere Ausstellung zum 70. Geburtstag Lettls zu sehen war. Im Jahr 1992 eröffnete die Industrie- und Handelskammer das Lettl-Atrium. Nach 20 Jahren fiel dort jedoch der Vorhang und Lettls Bilder waren danach fast nur noch im Werkverzeichnis auf der Künstler-Homepage zu betrachten.

    Der Lettl-Verein ließ freilich nicht locker, eine neue Stätte für das Werk des Augsburger Surrealisten zu finden. Die Stadt sah sich immerhin zu einer Anschubfinanzierung von 25000 Euro in der Lage. Bernd Nill, einer der Förderer der ersten Stunde, stellte nicht nur einen Teilbereich seiner Verkaufsräume in der Zeuggasse für das Museum zur Verfügung, er ließ sie auch den neuen Erfordernissen gemäß umbauen.

    Mehr über die Hintergründe des städtischen Engagements für das Lettl-Museum finden Sie in diesem Artikel.

    Augsburg, Zeuggasse 9, geöffnet Di. bis Do. 13-17 Uhr, Fr. bis So. 11-17 Uhr. Bis Ende Dezember ist der Eintritt frei. Danach beträgt er drei Euro, Kinder bis 16 Jahre und angemeldete Schulklassen sind frei. Jeden ersten Sonntag im Montag ist ebenfalls frei. Auf die Homepage des Lettl-Museums geht's hier.

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