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Kulturpolitik: Unter Augsburgs Künstlern gärt es

Kulturpolitik

Unter Augsburgs Künstlern gärt es

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    Im März hat sich das neue Coronavirus in Deutschland breitgemacht und das kulturelle Leben fast von einem Tag auf den anderen komplett lahmgelegt. Jetzt läuft es langsam wieder an, aber wirklich wirtschaftlich können unter diesen Bedingungen die wenigsten arbeiten.
    Im März hat sich das neue Coronavirus in Deutschland breitgemacht und das kulturelle Leben fast von einem Tag auf den anderen komplett lahmgelegt. Jetzt läuft es langsam wieder an, aber wirklich wirtschaftlich können unter diesen Bedingungen die wenigsten arbeiten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sabine Lutzenberger ist keine von den Lauten. Die Sopranistin, in der internationalen Musikszene eine anerkannte Interpretin mittelalterlicher Musik, beherrscht die feine Modulation der Stimme, hinter der die Emotionen oft eindringlicher zum Ausdruck kommen als im ungezügelten Ausbruch. Und so versteht sie es auch am Montag im Augustanasaal ganz unaufgeregt sehr deutlich zu machen, was sie sich als Künstlerin in Corona-Zeiten wünscht: „Mir ist es wichtig, dass ich mich wieder konzentrieren kann auf die Kunst.“

    Die Kulturszene ist in einer desaströsen Lage

    Derzeit müsse sie einen Großteil ihrer Energie für Organisatorisches aufwenden, unter anderem die Anträge für die diversen Möglichkeiten auf finanzielle Unterstützung, „die jetzt dann hoffentlich auch bald ankommen“. Lutzenberger, deren Tochter freie Tänzerin ist, weist nur in einem Nebensatz darauf hin, wie schwierig die Lage ist, in die ihre Familie durch die Pandemie geraten ist.

    Nicht alle sind so zurückhaltend wie die Sängerin, wenn es darum geht, die desaströse Situation der Kulturszene darzustellen. Mit unterschiedlicher Empörung und Erregung kommt dies im „alternativen Kulturausschuss“ zum Ausdruck, der auf Initiative von Buchhändler Kurt Idrizovic, Übersetzer Lutz Kliche und Autor Knut Schaflinger stattfand. Eigentlich hätte zu diesem Termin der städtische Kulturausschuss tagen sollen, doch die Sitzung wurde abgesagt. Mangels Themen zur Beratung und Beschlussfassung, wie es in einem Schreiben von Bürgermeisterin Martina Wild unter dem Briefkopf von Oberbürgermeisterin Eva Weber zu lesen war.

    „Themenspenden“ für die Politik

    Prompt gab es eine Initiative der Kulturschaffenden für „Themenspenden“, mit denen sie den Kulturpolitikern unter die Arme greifen wollten – eine „Solidaritätsaktion“, die nicht etwa ironisch, sondern durchaus ernst gemeint war, wie es im Augustanasaal hieß, die aber ebenso wie die alternative Kulturausschusssitzung zeigt, wie es in der Augsburger Künstlerschaft gärt.

    Bei Bernd Koroknay etwa, Kurator der Galerie Krüggling, der nun wegen mangelnder Unterstützung Augsburg den Rücken kehrt. Oder bei einer Künstlerin, die eine städtische Auftrittsplattform fordert, damit die Kultur wieder in der Öffentlichkeit präsent ist. Oder bei Peter Bommas, der stellvertretend für die Freie Szene von Respektlosigkeit und Hohn spricht, die die Stadtregierung gegenüber den Kulturschaffenden zeige.

    Politik verzichtet auf Gestaltungsmöglichkeiten

    So schwingt in der Absage der Ausschusssitzung, die durch den Widerspruch von vier Mitgliedern des Gremiums zu verhindern gewesen wäre, für Knut Schaflinger „der freiwillige Verzicht auf Gestaltungsbereitschaft der Kulturpolitiker“ mit, und das in einer „unendlich harten Zeit“, in der es nötig wäre, Ideen zu entwickeln, wie die Kultur überleben kann.

    Da geht es nicht nur um die Frage, wie Veranstaltungen von Kabarettisten, Musikern, freien Theatergruppen oder Literaten angesichts der Abstandsregelungen und der Zuschauerbeschränkungen überhaupt stattfinden können, sondern auch darum, wie sie unter wirtschaftlichen Aspekten durchführbar sind und nicht in Selbstausbeutung münden. Michael Ebert, in Augsburg lebender Cembalist und Organist sowie Professor an der Hochschule für Musik in München, bringt dafür die Nutzung außerplanmäßiger Orte wie die WWK-Arena, die Freilichtbühne oder den Kongress im Park zu einer deutlich niedrigeren Miete als üblich ins Spiel.

    Kämen dann etwa noch Prämien für die Tickets als Kaufanreiz dazu, wäre das in den Augen Eberts ein Rettungsschirm für die örtliche Kultur. „Wir müssen individuelle Konzepte für kulturelle Veranstaltungen entwickeln“, fordert der Musiker und sieht da trotz staatlicher Verordnungen durchaus Spielraum für die städtische Kulturpolitik. Nur schwer ist für Ebert vermittelbar, wenn zur Bischofsweihe im Augsburger Dom 180 Besucher kommen, die Zuschauerzahl für ein Kirchenkonzert aber auf 50 beschränkt ist, wie es die bayerische Corona-Verordnung für kulturelle Veranstaltungen in geschlossenen Räumen im Moment vorschreibt.

    Eine Sommerbühne im Annahof

    Dass es in einer Zeit in der kulturpolitische Gestaltung – vor allem mangels eines Kulturreferenten, für dessen Stelle das Ausschreibungsverfahren noch läuft – fehlt, dennoch auf Verwaltungsebene Initiativen gebe, macht Elke Seidel deutlich. Die Leiterin des Kulturamtes weist darauf hin, dass die Fördergelder für geplante Projekte und Einrichtungen vom Stadtrat zugesagt wurden, obwohl entsprechende Veranstaltungen nicht stattfinden. „Vieles, was wir unternehmen, wird erst jetzt wirksam, weil es viel Zeit und Menschen braucht, es in Gang zu setzen“, macht Seidel deutlich. So organisiert das Kulturamt zusammen mit dem Evangelischen Bildungsforum ab kommender Woche eine Sommerbühne im Annahof, auf der bis Mitte August Veranstaltungen stattfinden. Dazu kommen kleinere Formate wie „Kultur vor dem Fenster“, bei dem Künstler in Höfen spielen. Auch die für diesen Samstag geplante lange Kunstnacht wird in begrenztem Rahmen am 11. Juli stattfinden. Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein könne das aber nicht sein, muss Elke Seidel zugeben.

    Kommentare zu dem Thema finden Sie hier:

    Die Kultur ist doch ins Hintertreffen geraten

    Die Augsburger Kulturszene fühlt sich in der Krise allein gelassen

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