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Kultur in Augsburg: Mozartfest: Beethoven fordert in der Hammerklaviersonate alles ab

Kultur in Augsburg

Mozartfest: Beethoven fordert in der Hammerklaviersonate alles ab

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    Nur wenige Zuschauer hatten in St. Ulrich die Chance, Lars Vogts meisterliche Interpretation von Beethovens Hammerklaviersonate zu hören.
    Nur wenige Zuschauer hatten in St. Ulrich die Chance, Lars Vogts meisterliche Interpretation von Beethovens Hammerklaviersonate zu hören. Foto: Michael Hochgemuth

    Ein Klavierrecital mit einem gewaltsamen Tod auf der Straße zu eröffnen ist frappierend, das weiß auch der international bekannte Pianist Lars Vogt. Assoziationen werden wach, derlei tödliche Übergriffe rütteln aktuell die Weltöffentlichkeit auf. Die schönen Künste jedoch sitzen nicht mehr im Elfenbeinturm. So verblüfft es dann weniger, Janaceks „01.10.1905-auf der Straße“ zu Beginn eines Konzertes im Rahmen des Deutschen Mozartfestes in St. Ulrich zu hören.

    Tiefsinnig lotet Lars Vogt das Thema Tod aus

    Dieses zweisätzige Sonatenfragment, inhaltsschwer mit „Vorahnung“ und „Tod“ überschrieben, zeitigte sich als hochexpressive Bekenntnismusik. Janacek klagt hier nicht an, sondern betrauert das Opfer Frantisek Pavlik, jenen Arbeiter, der 1905 bei einer Demonstration in Brno zu Tode kam. Vom Pianisten fordert er, jeder Ton habe nicht nur durch die „Muskel der Finger“, sondern auch durch die „Glut des Herzens“ zu schreiten“. Seine Maxime, Töne, der Tonfall jedes Lebewesens, Sprachmelodien hätten für ihn tiefste Wahrheit, gewann höchste Priorität, so tiefsinnig und sensitiv lotete Lars Vogt diesen Tod aus.

    Und da deutete er sich wieder an, jener unheilvolle Schrei des Käuzchens, eng konnotiert mit dem Tode seiner geliebten Tochter Olga. Gewiss modifiziert, aber nicht minder hartnäckig beschwor dieser Schicksalsruf jene insistierende Vision herauf, die sich dann unerbittlich vollzog. Zwischen choralbeseeltem Hoffen und bestürzendem Bangen hin- und hergerissen bis hin zum rigorosen Exitus, von Vogt, pianistisch meisterhaft profiliert, gewann Janaceks Musik verstörende Klangintensität.

    Beethoven wendet sich an die Menschheit

    Eklatant dann die Diskrepanz zu Beethovens „Hammerklaviersonate“: zuerst dieses tragische Einzelschicksal, Beethoven dagegen wendet sich als Titan an die Menschheit. Grenzüberschreitend fordert er dem Interpreten wie dem Klavier alles ab. Und ebenso kühn griff Lars Vogt ins Volle, begegnete Beethoven auf Augenhöhe und umspannte die Satzwelten. Als Allerheiligstes der Sonate gilt das Adagio sostenuto, das Lars Vogt meisterlich im Wechselspiel zwischen „una corda“ und „tutte le corde“ nahe und in die Ferne rückte. So priorisierte dieser Satz nicht weichgezeichnetes Dämmerlicht, sondern wahrte den Appassionato – Anspruch, der mit großer Ausdruckskraft hervortrat. Dies zeitigte vielfältigste Farbnuancen und Lichtwerte, bereichert durch den vollen Tonambitus.

    Das Meisterwerk sollte in den Schlagschatten von B-Dur-Helle und h-moll Finsternis geraten. Vogt schlug ein gewagt scharfes Grundtempo an. Mit heißem Atem glückte ihm ein souveräner Parforceritt: Atemraubende Brio-Motorik durchzog die Sätze, steigerte sich zu irrwitzigem Prestissimo, entladende Akkordballungen gewannen Explosivkraft. Diesen Spannungszustand steigerte der Pianist fulminant, zielte stringent auf die Fugenexzesse des Finales ab. Berserkerhaft dieser Fugen-Furor, den es jetzt mit trotzigem Impetus niederzuringen galt. Kraftvoll brach sich Vogt Bahn, geriet über ein drittes Thema erneut in den Fugensog, befreite sich und führte Beethoven zu astralem Glanz. Ein Sieg auf ganzer Linie – Lars Vogt im Zenit seines Könnens.

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