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Foto: Richard Mayr
Foto: Richard Mayr

Vor dem Eingang zum Martinipark ist dieser Wunsch zu lesen. Die Tür daneben bleibt für das Publikum den kompletten November geschlossen.

Kultur-Lockdown
03.11.2020

Viele Staatstheater-Premieren müssen verschoben werden

Von Richard Mayr

Der November gehört für das Staatstheater zu den intensiven und spielstärksten Monaten. Das Haus muss sich nun auf verschiedene Szenarien vorbereiten.

Der November-Lockdown trifft das Staatstheater Augsburg in einem Monat, in dem nicht nur traditionell viel gespielt wird, sondern auch einige Premieren hätten stattfinden sollen. Das neue Ballett "Die Winterreise" fand am Wochenende zwar noch statt, das Publikum saß allerdings nicht im Martinipark, sondern zu Hause vor dem Bildschirm und konnte dort die Tänzer des Staatstheaters sehen. Die erste Vorstellung mit Publikum steht noch aus.

Durch den Lockdown und damit verbunden das Aussetzen des Spielbetriebs sind weitere Premierentermine betroffen. Mitte November wären zum Beispiel Sänger des Opernensembles mit den Augsburger Philharmonikern unter der Leitung von Ivan Demidov mit einer Operngala im Kongress am Park zu erleben gewesen.

Dann hätte die Premiere des Familienstücks zur Weihnachtszeit am 15. November stattfinden sollen. Vor Corona gehörte das Familienstück nach dem Freilichtbühnenmusical immer zur publikumsstärksten Produktion. Gespielt wurde oft zwei Mal am Tag vor Schulklassen. Nun fallen die November-Termine von "Tintenherz" nach dem gleichnamigen Roman von Cornelia Funke komplett weg.

Zum Schluss des Monats stand eine Romanadaption an

Ebenso kann die Märchenkomödie "Der Drache" in der Brechtbühne nicht am ursprünglichen Premieren-Termin, dem 21. November, stattfinden. Eine Woche später hätte das neue Projekt "Eine Stadt sucht ihre Wohnung" starten sollen.

Ganz am Ende des Monats stand noch ein Romanstoff auf dem Spielplan, der für die Bühne hätte adaptiert werden sollen. Daniel Kehlmanns Roman "Tyll", der einen Blick auf den 30-jährigen Krieg wirft und auch zu einem größeren Teil in der Region spielt. Am Montag, den 30. November, wäre die Produktion das erste Mal zu sehen gewesen. Bislang sind bis zu diesem Tag alle Spieltermine abgesagt, so lange gilt der Lockdown im November, wenn er nicht Mitte des Monats verlängert werden sollte.

Genau die Situation, mit der das Staatstheater im Frühjahr konfrontiert war, ist nun also wieder eingetreten. Mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen muss das Staatstheater Vorstellungen absagen. Anders als im Frühjahr kann aber der Probenbetrieb weiterlaufen. Sobald das Staatstheater Augsburg wieder spielen darf, könnte es auch die neuen Produktionen erstmals herausbringen.

Vor 50 Zuschauern im Martinipark zu spielen, lohnt sich für das Staatstheater nicht

Ob es Anfang Dezember für die Besucher des Staatstheaters Augsburg wieder weitergeht, kann Staatsintendant André Bücker allerdings nicht sagen. "Diese Entscheidungen fallen sehr kurzfristig." Außerdem stellt er sich selbst die kritische Frage, ob in den vier Wochen bis dorthin der hohe Inzidenzwert in Augsburg tatsächlich so stark gefallen ist, dass er wieder wie zum Beginn der Spielzeit vor maximal 200 Zuschauern spielen kann.

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Foto: Bernd Hohlen
Foto: Bernd Hohlen

Intendant André Bücker bei der Saisoneröffnung 2020.

Falls das dann nur unter stark eingeschränkten Bedingungen möglich ist, etwa mit der Begrenzung auf 50 Zuschauer wie zuletzt, seien Vorstellungen im Martinipark und im Kongress am Park zu unwirtschaftlich für das Staatstheater, dann stünden dort Aufwand und Ertrag in keinerlei Verhältnis mehr. Außerdem seien alle Tickets bis Dezember schon verkauft. Teils haben die Zuschauer mit viel Geduld für die begehrten Karten anstehen müssen. Nun im Fall einer weiteren Publikumsobergrenze entscheiden zu müssen, wer das Stück dann sehen dürfe und wer sein Geld zurückbekomme, das möchte Bücker nicht.

Im Augenblick bereitet sich das Staatstheater auf verschiedene mögliche Szenarien vor – von einer Verlängerung des Lockdowns, über einen eingeschränkten Spielbetrieb bis hin zu der Situation wie zum Start der neuen Saison.

Von Anfang an war in dieser Saison eine Opernproduktion weniger angesetzt

Schon jetzt macht sich die Theaterleitung auch Gedanken darüber, welche Produktionen möglicherweise in der kommenden Saison zusätzliche Spieltermine bekommen. "Wir müssen da mit unserem Budget haushalten und dürfen das Geld nicht verprassen", sagt Bücker. Produktionen in dieser Ausnahmesaison nur für 200 Zuschauer zu spielen und sie dann abzusetzen, das möchte er nicht.

Wegen der großen Ungewissheit inmitten der Corona-Pandemie hat das Staatstheater in dieser Spielzeit eine Opernproduktion weniger angesetzt, vor allem auch im Wissen darum, dass in den Musiktheater-Inszenierungen mit dem Orchester und den Chören sehr viele Akteure beteiligt sind, was die Probenarbeit unter Einbehaltung der Abstandsregeln erschwert. "Das kommt uns nun entgegen", sagt Bücker.

Die Tickets werden den Zuschauern erstattet

Alle Zuschauer, ob Abonnent oder nicht, bekommen die Tickets für die ausgefallene Vorstellung erstattet. Außerdem stellt Bücker im November weitere VR-Produktionen in Aussicht, an denen das Staatstheater bereits schon weit vor dem November-Lockdown gearbeitet habe. "Unser digitales Angebot, das wir im Frühjahr mehr oder weniger aus dem Boden stampfen, weiten wir weiter aus", sagt der Intendant. Zuschauer können sich Virtual-Reality-Brillen des Staatstheaters nach Hause kommen lassen, auf denen eigens dafür entwickelte Produktionen aus den verschiedenen Sparten zu sehen sind. Die Brillen ermöglichen es dem Zuschauer, den Blick um 360 Grad schweifen zu lassen, in den VR-Produktionen steht man nichts abseits des Geschehens, sondern sehr oft mittendrin.

Auf den VR-Brillen des Staatstheaters sind mittlerweile folgende Stücke zu sehen: "Judas" von Lot Vekemans (Schauspiel), "shifting_perspective" (Ballett), "Der Mitarbeiter – Tagebuch eines Wahnsinnigen" nach der Erzählung von Nikolai Wassiljewitsch Gogol (Schauspiel), "Boléro" (Ballett), "Event" (Schauspiel). Bald sollen "Oleanna – ein Machtspiel" und "Solo – eine interaktive Serie" ins digitale Repertoire aufgenommen werden.

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