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Konzert in Augsburg: Bayerisch ist längst hip – und endlich auch Hip-Hop

Konzert in Augsburg

Bayerisch ist längst hip – und endlich auch Hip-Hop

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    Sprechgesangs-Duo zwischen Trompete und Tuba: Fabian Frischmann alias Lef Dutti und Michael Huber alias George Urkwell. Dahinter DJ Spliff.
    Sprechgesangs-Duo zwischen Trompete und Tuba: Fabian Frischmann alias Lef Dutti und Michael Huber alias George Urkwell. Dahinter DJ Spliff. Foto: Wolfgang Diekamp

    Wahrscheinlich ist das die bestmögliche Party zu „100 Jahre Freistaat“. Sicher die aktuell heißeste Nummer Bayerns, die darum auch Hallen in Leipzig und Wien und Braunschweig mit Feierfreude füllt, vor allem freilich zu Hause ankommt. In Augsburg war die Kantine am Samstag ausverkauft und ist es am Montag gleich noch mal. Die Combo heißt „dicht&ergreifend“, die aktuelle, zweite Platte „Ghetto mi nix o“, und es triumphiert mit Hip-Hop die längst erfolgreichste Musikrichtung der Gegenwart nun endlich auch in bayerischer Mundart. Wer die Party erlebt, bei der es trotz des mächtigen Gedränges im Flammensaal spätestens nach einer Stunde kein Halten mehr gibt, der muss sich aber fragen: Warum erst jetzt?

    Wo doch schon seit Jahren mitten hinein in die globalisierte Welt vor allem der bayerische „Heimatsound“ einen Trend erfährt, dass sich aus dem eigenwilligen Programm des Münchner Trikont-Labels mit „LaBrassBanda“ veritable Stars herausschälten. Wo doch gerade im slangfreudigen Hip-Hop schon früh deutsche Combos wie „Fettes Brot“ („Nordisch by Nature“) oder „Fischmob“ mal auf Platt schnackten oder zwischenzeitlich kultig „Icke & Er“ durch schräges Daherberlinern bekannt wurden. Hip-Hop auf Bayerisch, das gab’s zwar – aber wer außerhalb der extremen Nische hätte etwa je von „Doppel D“ aus dem Bayerischen Wald gehört?

    Dass es mit „dicht&ergreifend“ nun anders ist, liegt an einem dreifachen Vermögen der drei Protagonisten: der lederbehosten Rapper also, George Urkwell (irgendwo zwischen Orwell und Urquell) und Lef Dutti, aus dem Landkreis Dingolfing-Landau stammend, inzwischen in Berlin-Friedrichshain lebend, sowie ihres Soundarchitekten DJ Spliff alias Markus Hinkelmann.

    Erstens ergänzen sich in den Songs klassische Hip-Hop-Klänge wunderbar mit den auch auf Tour live gespielten Blechbläsern, Trompete und Tuba („Wos’n für a Tuba? / Des is’ a Bazooka!“). Zweitens haben die Herren bereits vor drei Jahren auf ihrem ersten Album die nötigen Brüller geliefert, um Aufmerksamkeit zu erregen und geklickt zu werden: Derbes Partyzeug wie „Zipfeschwinga“, „Schnupfa & Dringa“, „Meier & Wimmer“, die zuverlässig auch in der Kantine wirken.

    „dicht & ergreifend“ in der Kantine: Eine stimmungsstarke Show

    Drittens aber haben sich „d&e“ auf ihrem neuen Album über diese Klischees hinaus und abseits aller Rap-Plattitüden vielseitig weiterentwickelt. Beim „Schofal Boogie“ blitzt der Party-Groove von „Seeed“ durch, bei „Grias de God scheene Gegn’d“ und „Bierfahrerbeifahrer“ die Wiener Dialekt-Künstler von „Attwenger“, bei „Nein to Five“ und dem Titelsong „Ghetto mi nix o“ der Party-Irrsinn von „Deichkind“ und bei „Ned dahoam“ wird’s auch mal politisch. Und die können das nicht nur alles auch live – sie kreieren daraus zudem noch eine stimmungsstarke Zwei-Stunden-Show.

    In Augsburg (mit viel AIC, PAF und STA auf dem Parkplatz) jedenfalls hüpften und johlten auch Kids und Hip-Hop-Senioren. Wenn’s so weitergeht, wird es das nächstes Mal nicht mehr geben: Keinen im Publikum, der bei einem Sample im neuen Song textsicher genug wäre, um zur Unterstützung auf die Bühne zu kommen; Laberer in den hinteren Reihen, die nur mit viel Geduld darauf aufmerksam zu machen waren, wenn Lef und George sich mal so viel Aufmerksamkeit wünschten, dass man einen Drumstick auf der Bühne zu Boden hätte fallen hören.

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