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Kino: Warum so wenig Frauen Filme machen

Kino

Warum so wenig Frauen Filme machen

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    Marie Curie war als Wissenschaftlerin und Frau ihrer Zeit voraus. Hier ein Bild von den Dreharbeiten mit Karolina Gruszka in der Titelrolle.
    Marie Curie war als Wissenschaftlerin und Frau ihrer Zeit voraus. Hier ein Bild von den Dreharbeiten mit Karolina Gruszka in der Titelrolle. Foto: P´Artisan filmproduktion

    Frau Noëlle, Sie zeigen heute Abend in Augsburg Ihren Film über Marie Curie, der 2016 in den Kinos lief. Was hat Sie an dieser Figur interessiert?

    Marie Noëlle: Ihre Unbestechlichkeit und Freiheit des Geistes haben mir imponiert. Das war schon im Alter von zwölf Jahren eine Inspiration für mich, als ich eine Biografie über sie gelesen habe. Ich kannte da nur diese Ikone der Wissenschaft, die zwei Mal einen Nobelpreis gewonnen hatte. Als ich mich für die Person zu interessieren begann, habe ich eine Frau entdeckt, die unglaublich modern und visionär auch in ihrem Privatleben war.

    Marie Curie hat sich auf dem männlich dominierten Feld der Wissenschaft durchsetzen können. Wie hat sie das geschafft?

    Noëlle: Es war generell eine Aufbruchstimmung in der Wissenschaft, das kam ihr zugute. Sie hat sich aber nicht um Karriere gekümmert, sondern um die Sache. Der erste Nobelpreis sollte ursprünglich an ihren Mann gehen. Wenn er nicht darauf hingewiesen hätte, dass der Preis seiner Frau gebührt, hätte sie ihn nicht bekommen. Den zweiten Preis hat sie trotz des Mannes, mit dem sie da zusammen war, bekommen, weil diese Beziehung nicht den Konventionen entsprach. Ihre Haltung dem Leben gegenüber kann auch heute noch Vorbild für uns sein. Viele Frauen fürchten sich immer noch, auf ihr Recht auf Gleichberechtigung zu bestehen. Denn das verlangt Kraft.

    Wie aktuell ist das Thema Gleichberechtigung für Sie heute noch?

    Noëlle: Eigentlich dachte ich, dass es kein Thema mehr sei. Für mich war Gleichberechtigung selbstverständlich. Ich habe Mathematik, ein Männerfach, studiert und nie Probleme gehabt. Es war naiv von mir zu denken, dass etwas, was man einmal errungen hat, immer Bestand hat. Auch auf die Demokratie muss man heute aufpassen.

    Als Frau in einer Mehrheit von Männern hat sie Erfahrung

    Sie haben Mathematik studiert, jetzt sind Sie Regisseurin und Produzentin, das heißt, Sie haben wie Marie Curie Erfahrung damit, als Frau in der Minderheit zu sein.

    Noëlle: Jede Frau in verantwortlicher Position hat dieses Problem. Es gibt die gläserne Decke, auch wenn es immer bestritten wird. Ich habe das erlebt mit einem Mann an meiner Seite (ihrem Ehemann, dem Produzenten und Regisseur Peter Sehr, der 2013 starb, Anm. d. Red) und nun nach seinem Tod alleine. Ich kann Ihnen sagen, dass das ein Unterschied ist. Man hat mich behandelt, als ob ich ein kleines Mädchen wäre, dabei hatte ich 20 Jahre Erfahrung im Filmgeschäft. Man tritt einer Regisseurin völlig anders entgegen als einem Regisseur.

    Welche Benachteiligungen erleben Sie?

    Noëlle: Die Benachteiligung gibt es z.B. in der Finanzierung. Bei „Marie Curie“ war ich auch Produzentin. Da gab es zunächst die Frage, ob ich das alleine auf die Beine stellen kann. Wäre nicht mein Mann, sondern ich gestorben, hätte wahrscheinlich niemand diese Frage gestellt. Für Produzentinnen ist es sehr schwierig, die Finanzierung für einen Film aufzutreiben. Bei „Marie Curie“ habe ich darauf geachtet, dass ich unter vier Millionen Euro bleibe, mehr hätte ich nie finanzieren können, weil ich eine Frau bin. Größere Filme werden von Männern gemacht. Erst durch die Arbeit von Pro Quote Film ist das bewusst gemacht worden.

    Sie sind Mitglied des Vereins Pro Quote Film. Welche Ziele verfolgt dieser Verein?

    Noëlle: Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen gleichberechtigt in Film und Fernsehen zum Zug kommen. Im Jahr 2013 haben wir einen ersten Diversitätsbericht in Auftrag gegeben und festgestellt, dass der prozentuale Anteil von Regisseurinnen bei fiktionalen Sendeplätzen im deutschen

    Das Gegenargument ist ja immer, dass eine Quote auch nicht gerecht ist.

    Noëlle: Es ist eine Frage der Qualität. Im Grunde genommen sollte die Verteilung von Fördergeldern anonym erfolgen. Andere Länder haben das so gemacht. Es wurde festgestellt, dass unter den geförderten Projekten sogar ein größerer Frauenanteil war. Warum soll eine Frau keinen Thriller inszenieren können? Die besten Thriller-Schreiber sind schließlich Autorinnen. In Schweden ist man da sehr fortschrittlich. Dort hat man festgestellt, dass die Filme von Frauen öfter auf Festivals vertreten sind, also eine hohe künstlerische Qualität haben. Wir sind ja nicht gegen die Männer, aber wenn 50 Prozent der Absolventen von Filmhochschulen Frauen sind, wieso ist es so, dass die Männer innerhalb von zwei Jahren zu 80 Prozent als Regisseure arbeiten können und die Frauen nur zu zehn Prozent?

    Ihre Erklärung dafür?

    Frauen müssen sichtbarer werden

    Noëlle: Die Entscheidungsträger haben die Tendenz, die Projekte eher an einen Mann zu übertragen.

    Was kann man dagegen tun?

    Noëlle: Wir müssen sichtbarer werden, wir müssen unsere Arbeit zeigen. Aber es ist ein Teufelskreis. Wenn man nicht die Möglichkeit hat, Filme zu machen, wie soll man mit seiner Qualität überzeugen?

    Sichtbar werden ist ein gutes Stichwort. In der MeToo-Debatte haben viele gewusst, dass es diese Mechanismen sexueller Machtausübung gibt. Ein Thema ist es jetzt erst, seit einige bekannte Schauspielerinnen damit an die Öffentlichkeit gegangen sind.

    Noëlle: Ja, das hat sehr geholfen, dass es bekannte Schauspielerinen waren, die an die Öffentlichkeit gingen. Ich finde es schrecklich, dass das so lange gedauert hat, bis sich jemand wehrte. Man muss sehr souverän sein, wie etwa Iris Berben, um zu sagen: Wenn meine Arbeit als Schauspielerin nicht reicht, gehe ich. Ich kann verstehen, dass eine junge Schauspielerin Schwierigkeiten hat, sich so zu wehren. Da müssen wir helfen. Deshalb ist es richtig, dass es Gremien geben soll, die das unterstützen. Dafür ist es wichtig, dass wir als Frauen beim Film mehr Bewusstsein und Selbstbewusstsein erlangen und unsere Regeln aufstellen – bis hierher und nicht weiter. Wir dürfen keine Angst haben, mit Angst kann man das Leben sowieso nicht meistern.

    Termin „Marie Curie“ läuft am Mittwoch, 7. März, um 19 Uhr im Rahmen der Frauenfilmreihe des Katholischen Frauenbundes im Liliom. Im Anschluss Diskussion mit Regisseurin Marie Noelle und Prof. Elisabeth André (Informatikerin der Uni Augsburg).

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