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Jüdisches Museum Augsburg-Schwaben: Barbara Staudinger: „Museum ist dort, wo es stattfindet“

Jüdisches Museum Augsburg-Schwaben

Barbara Staudinger: „Museum ist dort, wo es stattfindet“

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    Mit einigen neuen Ideen ist Barbara Staudinger vor einem Jahr als Leiterin des Jüdischen Museums nach Augsburg gekommen.
    Mit einigen neuen Ideen ist Barbara Staudinger vor einem Jahr als Leiterin des Jüdischen Museums nach Augsburg gekommen. Foto: Ulrich Wagner

    Frau Staudinger, Sie leiten seit fast einem Jahr das Jüdische Museum Augsburg und Sie haben viele Neuerungen angestoßen, vom neuen Namen bis zur Ausweitung von Kooperationen. Wie blicken Sie zurück?

    Barbara Staudinger: Das muss man machen. Wenn man das nicht gleich am Anfang macht, macht man es nicht mehr. Es ist auch klar, dass man sich im ersten Jahr überfordert. Denn wann hat man schon einmal die Gelegenheit, sich zu überfordern, wenn nicht im ersten Jahr? So haben wir gemeinsam im Team an vielen Stellschrauben gedreht, um das Museum neu zu positionieren, es mehr in die Stadt hinein zu öffnen und mit seinen beiden Standorten neu aufzustellen.

    Mit dem neuen Namen – Jüdisches Museum Augsburg anstatt Jüdisches Kulturmuseum Augsburg – haben Sie dem Haus auch einen neuen Zuschnitt gegeben?

    Staudinger: Die Umbenennung hat pragmatische und museumspolitische Gründe gehabt. Augsburg ist tatsächlich das älteste jüdische Museum Deutschlands. Als es gegründet wurde, gab es noch keine Vorbilder in Deutschland. Weil das Augsburger Museum sich die Räume mit der Synagoge teilt, wollte man wahrscheinlich im Namen deutlich machen, dass es kein religiöses, sondern ein kulturhistorisches Museum ist.

    Und warum die Umbenennung?

    Staudinger: Mittlerweile gibt es einen Reigen an jüdischen Museen in Deutschland, und die meisten heißen Jüdisches Museum. Das ist ein Markenname geworden, der für etwas steht. Mir war es wichtig, uns da einzureihen. Damit wollen wir auch zu verstehen geben, dass wir uns als europäisches Museum verstehen – denn jüdische Geschichte ist europäische Geschichte, die wir anhand der Objekte aus Augsburg und Schwaben erzählen.

    Bei der Öffnung des Museums hin zur Stadt sind Sie einige neue Kooperationen eingegangen?

    Staudinger: Ich bin ein Mensch, der sehr vernetzt denkt. Ich glaube an das, was Menschen gemeinsam können. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass sich das Jüdische Museum mit den Institutionen, die es in Augsburg gibt, vernetzt. Das will ich nächstes Jahr noch weiter ausbauen. Vielleicht war es für mich von Vorteil, dass ich noch niemanden in der Stadt kannte, neu war und deshalb neu anfangen konnte.

    Wie sind Sie empfangen worden?

    Staudinger: Ich fand es wirklich schön und berührend, mit wie offenen Armen ich empfangen worden bin – sowohl von der Kulturwelt als auch von der jüdischen Gemeinde. Die Öffnung nach innen ist auch ein Verständnis des Jüdischen Museums, die durchaus erwünscht ist.

    Sie teilen sich das Gebäude.

    Staudinger: Wir leben in einer WG sozusagen. Das geht nur gut, wenn man transparent und viel kommuniziert.

    Und die Ideen sprudeln – nach einem Jahr gibt es wahrscheinlich mehr als vor einem Jahr, wenn Sie jetzt die Menschen in der Stadt kennengelernt haben?

    Staudinger: Das stimmt, es gibt viele Ideen, die sich entwickeln. Ich bin natürlich mit Ideen gekommen, aber in dem Maß, in dem man Menschen in der Stadt kennenlernt, entwickeln sie sich. Wenn man zum Beispiel das Kulturhaus Abraxas nimmt und die leitende Person dort kennenlernt, Gerald Fiebig, und merkt, wie offen er für Kooperationen ist, wie offen er mit dem Täterort, also dem ehemaligen Offizierskasino, umgeht und in Zukunft umgehen will, dann hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten und kann sich andere Sachen ausdenken – und er natürlich auch.

    Mit Ihrer Außenstelle Kriegshaber sind Sie ja direkte Nachbarn.

    Staudinger: Als ich gekommen bin, war der Blick genau so, Kriegshaber ist unsere Außenstelle. Das ist ein hierarchischer Blick, der meiner Vorstellung von Museum widerspricht. Ich habe mich sehr bemüht, dass Kriegshaber als zweiter, gleichwertiger Standort des Museums wahrgenommen wird. Und ich glaube, das ist mir gut gelungen.

    Wie fällt Ihre Augsburg-Bilanz aus? Was hat gut geklappt, was würden Sie im Nachhinein lieber anders machen?

    Staudinger: Wo wir weiter arbeiten müssen, was ich mir auch leichter vorgestellt habe, ist der Kontakt zu Studierenden. Es gibt natürlich jede Menge anderer Kultur- und Freizeitangebote, aber auch das Wissen um die Existenz des Museums ist ausbaufähig. Gut funktioniert hat die Ausstellung mit Arbeiten von Studierenden in Kriegshaber. Dies war eine Kooperation mit der Uni - und es werden viele weitere Kooperationen folgen.

    Im zurückliegenden Jahr gab es bei den Desintegrationstagen, aber auch im Rahmenprogramm des Friedensfests Aktionen des Jüdischen Museums im Stadtraum. Welchen Plan verfolgen Sie damit?

    Staudinger: Wenn wir eine künstlerische Intervention in der Stadt machen, geschieht das aus einer festen Überzeugung, dass Kunst für alle da ist und für alle konsumierbar sein soll – und sei es, wenn ich zum Fenster rausschaue und es mir nicht gefällt. Denn es muss ja nicht jedem gefallen. Was wir aber in die Stadt hineintragen, ist ein Angebot – ein Angebot, sich intensiver mit Themen auseinanderzusetzen oder sie auch nur einmal kennenzulernen. Dieses Angebot gilt für alle und nicht für ein ohnehin oft gebildetes und sensibilisiertes Museumspublikum.

    Was heißt das?

    Staudinger: Es gibt eine Hürde, die Menschen wahrnehmen, und daher nicht in ein Museum gehen. Viele haben Vorbehalte, etwa weil sie denken, dass man viel Vorwissen haben muss.

    Und Ihr Ansatz für die Museumsbesucher ist?

    Staudinger: Die Hürden abzubauen, die es gibt. Museum ist für mich nicht nur ein geschlossener Raum mit einer Tür, in den man dumm reingeht und klug rauskommt. Das ist eine Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert: Das Museum als Bildungstempel.

    Ihre Vorstellung heute ist?

    Staudinger: Museum ist dort, wo es stattfindet. Das kann in einem Raum sein, das kann auch in einem öffentlichen Raum oder in anderen Räumen sein. Museum ist nicht an ein Gebäude gebunden. Genauso wenig ist das Museumspublikum, das wir ansprechen wollen, nicht mehr nur das klassische Bildungsbürgertum. Idealerweise sollte sich die Vielfalt der Gesellschaft auch in den Besucherinnen und Besuchern widerspiegeln. Entsprechend müssen sich Angebote und Zugänglichkeit des Museums verändern. Kunst kann durchaus ein Weg sein, andere Menschen anzusprechen.

    Das wird sich im nächsten Jahr widerspiegeln?

    Staudinger: Nächstes Jahr werden wir das Thema Feminismus und Judentum beleuchten – durchaus bewusst nicht zum Jubiläumsjahr des Frauenwahlrechts in Deutschland, sondern ein Jahr später. Damit haben wir die Möglichkeit, ein Resümee des vergangenen Jahrs zu ziehen. Wir können es auch besser adressieren, weil

    Das sind Sie noch am Verhandeln mit möglichen Partnern?

    Staudinger: Das ist meine Vision. Das Süppchen muss ich noch kochen und ich muss es gut würzen.

    Mein Eindruck nach Ihrem ersten Jahr: Kunst spielt in Ihrer Museumsarbeit eine wichtige Rolle.

    Staudinger: Ja, ganz klar. Ich glaube an die Macht der Kunst. Kunst hat die Möglichkeit, eine Geschichte auf einer ganz anderen Ebene zu erzählen, sie wird ganz anders rezipiert als ein historisches Objekt. Daher sind mir künstlerische Perspektiven auch in historischen Ausstellungen sehr wichtig.

    Noch kurz zu Ihrer persönliche Situation: Sie pendeln immer noch zwischen Wien und Augsburg?

    Staudinger: Das hat sich jetzt lebensgeschichtlich herausgestellt, dass es gar nicht so schlecht ist.

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