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Interview: Intendant André Bücker: "Die Zeit der Theaterfürsten ist vorbei"

Interview

Intendant André Bücker: "Die Zeit der Theaterfürsten ist vorbei"

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    „Natürlich gebe ich Leitmotive vor“: André Bücker, Intendant des Staatstheaters Augsburg.
    „Natürlich gebe ich Leitmotive vor“: André Bücker, Intendant des Staatstheaters Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Bücker, in die neue Spielzeit gehen Sie mit dem Motto "Machtfrei". Wie kam es zu diesem Motto?

    André Bücker: Nach "Sinnsucht" und "Geistzeit" wollten wir bei den zusammengesetzten Wörtern bleiben, an denen man hängen bleibt, weil sich aus beiden Wörtern ein Spannungsverhältnis ergibt.

    Wie stellt sich das etwa in Shakespeares "Sturm" dar, den Sie selbst zu Beginn der Spielzeit inszenieren?

    Bücker: Da ist es natürlich die Figur des Prospero, an dem sich dieses Motto festmachen lässt – Prospero, der die Macht verloren hat, sich wieder ermächtigt, um dann am Schluss seine Macht wieder abzugeben. Das ist ein gesellschaftliches Thema, das im Moment ganz stark diskutiert wird: Machtmissbrauch, die Freiheit von Macht, muss Macht denn immer schlecht sein oder ist sie nötig zur Konstruktion unseres Zusammenhalts? Wie geht man verantwortungsvoll damit um? Alle diese Fragen fanden wir im Zusammenhang spannend.

    "Machtfrei" ist ja zum einen ein Adjektiv, beschreibt also einen Zustand, könnte aber auch eine Aufforderung sein. Wie wollen Sie es verstanden wissen?

    Bücker: Genau so, dass man die verschiedenen Facetten, die in dieser Wortkonstruktion liegen, sieht.

    Spielplan - ein Prozess mit vielen Beteiligten

    Wie viel Freiheit haben Sie als Intendant eigentlich, einen Spielplan zusammenzustellen.

    Bücker: Ich alleine gestalte ihn nicht. Das ist immer ein Prozess über Monate und das Ergebnis von vielen Gesprächen in der Dramaturgie und mit den Spartenvorständen, bei denen vieles abgewogen werden muss. Wenn man sich etwa für den "Sturm" entscheidet, ist klar, dass es kein weiteres Shakespeare-Stück geben wird, dafür aber vielleicht einen deutschen Klassiker. Den hatten wir in der vergangenen Spielzeit aber mit Kleists "Käthchen von Heilbronn", das wieder aufgenommen wird. Im Musiktheater muss man darauf achten, ob unsere Sängerinnen und Sänger die Partien leisten können und genügend Zeit haben, diese einzustudieren. Dispositionelle Erwägungen spielen eine große Rolle und so ist das Erstellen eines Spielplanes eine äußerst komplexe Geschichte.

    Aber Sie unterliegen natürlich auch gewissen Zwängen, was das Publikumsinteresse betrifft.

    Bücker: Genau, das kommt hinzu. Aber ich würde das gar nicht so als Zwang bezeichnen. Das ist ja unser vornehmstes Ziel, die Menschen zu erreichen, denn wir machen Theater nicht für uns selbst. Das schafft man am besten mit einer Kombination aus Stücken, die bekannter sind und unbekannteren, für die man die Menschen interessieren muss.

    Die Spielzeit startet – mit einer Wiederaufnahme des „Käthchens von Heilbronn“.
    Die Spielzeit startet – mit einer Wiederaufnahme des „Käthchens von Heilbronn“. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Für welches Stück im aktuellen Spielplan müssten Sie denn erst "Überzeugungsarbeit" leisten?

    Bücker: Sicherlich Menottis Oper "Der Konsul", die hat sensationell gute Musik, die wirklich unglaublich emotional ist. Ich hoffe, dass wir das den Menschen nahe bringen können, obwohl sie vom Titel sagen werden: "Das kenne ich nicht."

    Nun ist ja das Theater auch ein Bereich, der im Zuge der #MeToo -Debatte immer wieder in die Diskussion geraten ist. Speziell die Macht der Männer war in diesem Zusammenhang auch ein Thema. Wie sehen Sie das?

    Bücker: Man hört das immer wieder: Theater seien die letzten Refugien des Feudalismus. Allerdings hatten feudalistische Alleinherrscher keine Personalräte und Gewerkschaften und Tarifverträge, an die sie sich halten mussten. Insofern ist diese Darstellung Unsinn. Man hat als Intendant also eine sehr klare Vorgabe und ist in einem demokratischen Prozess bestimmt worden. Insofern ist das auch ein transparenter Vorgang. Außerdem haben sich die Zeiten doch sehr gewandelt. Die großen Theaterfürsten alter Schule haben weitgehend abgedankt und es gibt in den Theatern andere Ansprüche an eine Führungskultur.

    Wie verstehen Sie Ihre Rolle?

    Bücker: Natürlich gebe ich Leitmotive vor, um einmal in der Theatersprache zu bleiben, aber das ist immer auch eine Abstimmung mit anderen. Man ist in permanentem Austausch. Das heißt, ich treffe keine einsamen Entscheidungen, die einfach durchgestellt werden und dann müssen es alle ausführen. So verstehe ich meine Rolle nicht, aber natürlich bin ich der, der am Ende auch die Verantwortung übernehmen muss. Aber Theater entsteht ja auch als künstlerische Prozess immer im Kollektiv. Immer.

    "Als künstlerischer Leiter habe ich eine gewisse Macht"

    Trotzdem ist ja gerade der künstlerische Bereich einer, der sehr oft ins Persönliche geht und auch sehr umkämpft ist. Da können sich doch auch interessante Machtgefüge ergeben.

    Bücker: Da haben Sie natürlich recht. Aber ich würde das nicht anders sehen als in anderen Berufen. Damit muss man immer verantwortungsvoll umgehen. Als künstlerischer Leiter und als Regisseur habe ich natürlich eine gewisse Macht. Aber es muss eine künstlerisch begründbare Entscheidung sein, warum man einen Schauspieler mit dieser Rolle besetzt und einen anderen eben nicht. Ich gebe aber zu, dass das oft ein fragiles Geschäft ist, da ist die Verletzungsanfälligkeit hoch. Deshalb ist es wichtig, damit sensibel umzugehen und diese Entscheidungen transparent zu kommunizieren.

    Ist dies auch der Grund, warum Sie sich als Staatstheater einen Kodex geben möchten?

    Bücker: Ja, wir arbeiten seit einem Jahr mit Prof. Klaus Kellner von der Hochschule Augsburg an einem Leitbild. Gerade im Zusammenhang mit dem Intendantenwechsel, den Interims-Spielstätten und dem Übergang zum Staatstheater wäre es gut, wenn wir als Haus ein Leitbild über uns stehen haben, das definiert, was wir nach außen wollen, aber auch, wie wir nach innen miteinander umgehen wollen. Da stehen dann auch Themen wie z.B. angstfreies Arbeiten oder keinerlei Diskriminierung im Hinblick auf Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe oder Religion. Dies sind Grundsätze, die für uns als Kulturinstitution selbstverständlich sind, die man aber einfach auch einmal definieren muss und auf die hin man sich immer wieder überprüfen sollte. Aber es geht auch weiter, wir formulieren ein Selbstverständnis. Das müssen wir immer wieder weiterdenken, das ist nichts Statisches. Die Öffnung des Theaters nach außen ist nicht möglich ohne eine Öffnung nach innen. Ich habe beim Auszug des Theaters aus dem Großen Haus gesagt: "Das Theater, das hier wieder einzieht, wird nicht dasselbe sein." Das wird auch an diesem Leitbild abzulesen sein.

    • André Bücker ist seit Herbst 2017 Theaterintendant in Augsburg. Er inszeniert auch selbst Oper und Schauspiel.
    • Spielzeitstart ist am Samstag, 21. September, mit "Das Käthchen von Heilbronn" im Martinipark; erste Premiere ist die Strauss-Oper "Ariadne auf Naxos" im Martinipark am 29. September.
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