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Interview: Ignaz Walter: "Das war ein Gefrett, bis ich das gekriegt hab"

Interview

Ignaz Walter: "Das war ein Gefrett, bis ich das gekriegt hab"

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    Der Unternehmer und Kunstsammler Ignaz Walter hat auch Anselm Kiefers Gemälde „Die heilige Mechthild von Magdeburg“ erworben.
    Der Unternehmer und Kunstsammler Ignaz Walter hat auch Anselm Kiefers Gemälde „Die heilige Mechthild von Magdeburg“ erworben. Foto: Ulrich Wagner

    Als Anfang Februar die Galerie Noah im Glaspalast eine Anselm-Kiefer-Schau angekündigt hatte und zur Vernissage den menschenscheuen Künstler selbst erwartete, da war die Galerie zur Vernissage gesteckt voll. Wer die geschichtspessimistischen, endzeitlichen Arbeiten Kiefers sehen und den Maler erleben wollte, nahm Gedränge auf sich – Gedränge, das manches Bild, manche Skulptur verstellte. Und Kiefer selbst ließ sich dann kurzfristig entschuldigen ...

    Gesehen aber wurde an diesem Abend, platziert an der Stirnwand der Galerie, ein monumentales Format dieses häufig großdimensioniert arbeitenden deutsch-österreichischen Künstlers Jahrgang 1945: „Untitled“, 4,70 Meter hoch, 7,60 Meter breit, über Gedichte von Velimir Chlebnikows. Eine wie impressionistisch angelegte und kolorierte Waldsee-Landschaft, still und tief und austariert als ein Ort von Erinnerung und Voraussicht. Ein wuchtiges Statement.

    Jetzt steht fest: Das Bild bleibt in Augsburg. Der Unternehmer und Kunstsammler Ignaz Walter hat es neben einem weiteren der Ausstellung namens „Heilige Mechthild von Magdeburg“ gekauft – und damit die qualitativ hervorstechende Kiefer-Kollektion innerhalb seiner Großsammlung um Nr. 14 und Nr. 15 erweitert. „Untitled“ (2015) wird an besagter Stirnwand verbleiben und bei künftigen Ausstellungen der Galerie Noah, deren Inhaber und Geschäftsführer Walter ist, hinter einem Vorhang verschwinden – so, wie es zurzeit hinter einem monumentalen „Wasserfall“ des Malers Christian Awe verschwindet.

    Nirgendwo sonst im Museum Walter gibt es nämlich eine ausreichend große Wand für Kiefers „Untitled“. Walter sagte darüber diese Woche: „Das war ein Gefrett, bis ich das gekriegt hab!“ Kiefer habe es nicht hergeben wollen. Und im Zusammenhang mit diesem Ankauf ist der gebürtige Augsburger Ignaz Walter auch erstmals bereit, ausführlich und offiziell über sein Verhältnis zur Kunst zu sprechen. Drei Stunden lang unterm Sonnenschirm vorm Glaspalast.

    Als der Stadel voll war, keimte der Gedanke an ein Museum

    Sammeln ist Ignaz Walter, bald 83, seit Jahrzehnten ein Bedürfnis. Erst fürs Eigenheim, wo er selbst Zeitgenossen hängte und seine Frau alte Niederländer; dann, als der Platz nicht mehr reichte, für einen alten Stadel in Siebenbrunn. Immer nur das, was Walter selbst gefiel. Als auch der Stadel voll war, keimte in den 1980er Jahren langsam der Gedanke an ein Museum – und die Überlegung: Was müsste in dieses Museum hinein, was ich nicht habe?

    Ignaz Walter legte sich ein System zurecht, schuf sich einen Überblick zur Kunst der BRD, später der DDR und stieß – nach Bekanntschaften mit Lüpertz, Förg, Immendorff, Rainer – auch auf Anselm Kiefer. „Ich las über ihn, ich lud mich zu einer Gesellschaft selbst ein, um ihn kennenzulernen.“ Walter: „Ich wollte wissen, was ist das für ein Kerle, für ein Typ?“

    Mittlerweile weiß Walter: „Wenn Kiefer redet, dann sagt er auch was. Und wenn ich seine Arbeiten anschaue, dann sehe ich ihn in Person vor mir. Das alles ist authentisch. Mich fasziniert er als Mensch – er ist kein Wichtigtuer –, und er fasziniert mich als Künstler mit Tiefsinnigkeit, Aussagekraft und der Kreativität, sogar neue Techniken zu entwickeln.“

    Um 2011 war dann die erste Kiefer-Arbeit, die Walter kaufte, jene ikonenhafte Skulptur eines bräutlichen, langen, weißen Erinnyen-Kleides, aus dem Nato-Stacheldraht wie Kopfhaar hervorquillt („Erinnye – Cornelia“). Weitere Werke von Signifikanz kamen hinzu, etwa die Gemälde „Frauen der Antike“ und „Hermannsschlacht“. Damit kann Walter nun eine 40-jährige Entwicklung im Oeuvre Kiefers breit abdecken – vergleichbar mit der breiten, qualitätvollen Kollektion von Immendorff, Lüpertz, Heisig. Gut möglich, dass jetzt eine schwerpunktsetzende Neuordnung seines Museums im Glaspalast bevorsteht – was diesem eminent nützen kann.

    Ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag war für die Gemälde fällig

    Kunstkenner wissen, dass solch ein Kiefer-Monumentalwerk wie „Untitled“ einen mittleren einstelligen Millionenbetrag als Einsatz verlangt und die „Heilige Mechthild von Magdeburg“ immer noch mehrere hunderttausend Euro. Da lässt sich die Geschichte der Walter Bau AG, die das Lebenswerk des Unternehmers darstellte, aber im Jahr 2005 insolvent wurde, natürlich nicht ausblenden.

    Heikle Frage: Was würde er, Ignaz Walter, einem Kritiker entgegnen, der die Gläubiger der Insolvenz mit dem jetzigen Kunstkauf kurzschließt? Ignaz Walter: „Zwei Sätze: Verantwortlich ist die Deutsche Bank. Die

    Heute blickt Walter auf die „Katastrophe“ und auf seine Laufbahn, die „bettelarm“ begann, auch philosophisch zurück: „Alles, was geschieht, hat einen Sinn, alles!“ Sehr gut möglich, dass der Eintritt der „Katastrophe“ ihm, dem damals Überbeanspruchten, das Leben gerettet habe. Das Leben, dessen Sinn er persönlich darin begreift, Zufriedenheit zu erlangen.

    Ziel erreicht. Nach drei Stunden verabschiedet sich Ignaz Walter mit den Worten: „Ich bin zufrieden.“

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