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Foto: Michael Hochgemuth (Archiv)
Foto: Michael Hochgemuth (Archiv)

Freiberuflichen Künstlern will die Kirche mit Auftritten im Gottesdienst helfen – hier Kirchenmusiker Peter Bader und Sopranistin Isabell Münsch.

Initiative in Augsburg
12.11.2020

Kann Musik in der Kirche Zufluchtsort für Musiker sein?

Von Alois Knoller

Einige Augsburger Pfarreien machen notleidenden Musikern ein großzügiges Angebot. Bis Jahresende sind die Sonntage schon ausgebucht. Was andere Kirchen davon halten.

Konzerte sind im coronabedingten Lockdown nicht erlaubt, Gottesdienste dagegen schon. Das brachte Kirchenmusiker Marius Beckmann auf die Idee, unterbeschäftigte Kollegen zum Musizieren in die Stadtpfarrkirche St. Georg einzuladen. In Absprache mit Pfarrer Florian Geis („Ich bin leidenschaftlicher Theater- und Konzertgänger“) bot er freischaffenden Künstlern, „die keinen Erwerb aus sonstigen Tätigkeiten haben, also ausschließlich vom Publikum leben“, die Möglichkeit, im Sonntagsgottesdienst gegen Gage zu musizieren. So erfolgreich war seine Facebook-Aktion, dass Beckmann schon alle Auftrittstermine bis Jahresende ausgebucht hat.

Nun werden in der Pfarreiengemeinschaft St. Georg, St. Max und St. Simpert ganz unterschiedliche Stilrichtungen zu hören sein. Diesen Sonntag singt Sopranistin Vanessa Fasoli, es folgt die Blaskapelle Rehling, die Klezmerband Feygele, ein Vokalensemble, am Heiligen Abend erklingt ein Waldhorn. Der Initiator hat es offengelassen, welche Art von Musik zum Einsatz kommt. „Es muss nicht zwingend geistliche Musik sein, sollte aber dem Rahmen eines Gottesdienstes doch entsprechend gewählt werden“, schrieb Beckmann über seine Aktion „Kirche hilft Künstlern“.

Musiker spielen in Augsburger Kirchen: Profis müssen sich fit halten

Was halten andere Kirchenmusiker von der Idee? „Das machen wir auch“, sagt Peter Bader von der Basilika St. Ulrich und Afra. Er spricht gezielt ihm bekannte Musiker an, etwa die Sängerin Isabell Münsch, mit der er seit Jahren zusammenarbeitet. „Wenn schon die Konzerte ausfallen müssen, sollen die freiberuflichen Musiker wenigstens hier ihr Auskommen haben.“ Es sei aber gar nicht unbedingt das Geld, worauf es ankommt. „Sie wollen gebraucht werden, damit es ihnen nicht den Boden unter den Füßen wegzieht“, weiß Bader. Ein professioneller Musiker könne sich eben nur mit Musizieren fit halten. In der Ulrichsbasilika lässt er jede Woche ein anderes Instrument und andere Interpreten spielen – „wir sollen ja den Gemeindegesang reduzieren“.

Zahlen kann Bader das gleiche Honorar wie bei der Mitwirkung an einer Orchestermesse. Der Pfarretat für Kirchenmusik ist im Corona-Jahr noch kaum aufgebraucht. Und: „Unser Pfarrer unterstützt das.“ Die Auftritte der Musiker seien „eine wirkliche Bereicherung“. Bader stellt außerdem fest: „Die Musik bringt Besucher in die Gottesdienste.“ Auf jeden Fall bis Weihnachten wird er die Engagements fortsetzen. „Ich habe eine ganze Liste aufgestellt, für welchen Gottesdienst ich wen anfragen kann. Es sind so viele, dass ich keine Not habe, jeden Sonntag jemanden zu finden.“

„Eine löbliche Sache“, meint Stefan Saule von St. Moritz zu der Initiative. Jeder Kirchenmusiker habe seinen Etat und könne damit Künstlern in Not unterstützend helfen. Auch er holte bereits ein Streichquartett in den Gottesdienst, lässt Gesangssolisten auftreten, Harfe und Orgel werden erklingen und das Ensemble Per-Sonat von Sabine Lutzenberger ist eingeladen. Saule hält sich strikt an die Vorgaben der Diözese, dass keine Blasinstrumente zum Einsatz kommen dürfen und maximal vier Sänger.

An welche Richtlinien sich die Musiker in der Kirche halten müssen

Unabdingbar ist für ihn, dass die Musik stimmig zur Liturgie passt, das heißt, dass sie im Einklang mit den Riten und Texten der Messe steht. Ein Horrido von Jagdbläsern zum Sanctus oder ein „El Condor Paso“ als Blasmusik zum Agnus Dei gehen für ihn gar nicht. „Kirchenmusik steht im Dienst der Verkündigung“, betont Saule. Er sei beruflich von sehr guten Liturgen geprägt worden und wähle die Musikstücke für jeden Sonntag sorgfältig aus. Es dürfe nicht geschehen, dass Konzertauftritte als kirchenmusikalische Feierstunde verbrämt würden.

Domkapellmeister Stefan Steinemann findet es „befremdlich, damit gleich auf Facebook rauszugehen“. Das Anliegen des Kollegen Beckmann versteht er, seine breite Streuung des Angebots jedoch nicht. Der Gottesdienst sei nur in engen Grenzen ein Zufluchtsort für unterbeschäftigte Musiker: „Der musikalische Gehalt muss stimmen.“ Sakrale und profane Musik seien „zwei verschiedene Paar Schuhe“, erklärt Steinemann. Im Dom versuche er, ein abwechslungsreiches kirchenmusikalisches Programm zu bieten, vorwiegend mit eigenen Kräften. Im Advent wird er in der Samstagsreihe Cantate Domino zu vier Katechesen von Bischof Bertram Meier unter dem Motto „Der Schöpfer wird Mensch“ passende Kompositionen alter und neuer Meister darbieten.

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